Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Kennt ihr das Sprichwort? Ich persönlich glaube, dass es nicht nur ein Sprichwort, sondern auch eine Warnung ist. Aber vielleicht sind ja auch alle Sprichwörter Warnungen? Was weiß ich schon. Schließlich habe ich mich bisher ganz offensichtlich zu wenig an diese Warnung gehalten. Andererseits würde ich das hier jetzt nicht schreiben, oder?
Seufzend schließe ich das kleine Notizbuch und beobachte für einen Moment das rote Eichhörnchen, das sich ein paar Meter weiter die Backen mit Nüssen vollstopft. Vielleicht sollte ich mir ein Beispiel an ihm nehmen und mir auch etwas zu Essen besorgen. Immerhin sind Mittagspausen dafür da, dass man etwas ist, oder nicht? Für einen Moment schließe ich die Augen und genieße die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht, die diesen Tag beinahe in einen sonnigen Tag im Spätsommer verwandeln, obwohl es bereits Ende Oktober ist. Die Blätter der Bäume um mich herum haben sich bereits gelb und rot verfärbt, ein ganz deutliches Zeichen dafür, dass wir eigentlich schon mitten im Herbst sind. Auch der Wetterbericht verspricht den Herbst ganz deutlich: ab nächste Woche ist erst einmal durchgehend Dauerregen angesagt, nichts mehr zu sehen von Sonne. Schade eigentlich.
Jemand knallt etwas auf den Tisch vor mich und ich öffne erschrocken meine Augen, genau in dem Moment, in dem sich mein bester Freund mir gegenüber auf die Bank fallen lässt und kurz darauf die Arme auf dem Tisch abstützt. Ich lockere den Griff um mein Notizbuch erleichtert wieder und merke, dass meine Fingernägel kleine runde Halbmonde im Leder hinterlassen haben, als ich es vor Schreck so umklammert habe. Luke bemerkt das Buch und hebt fragend eine Augenbraue, woraufhin ich den Blick senke, weil ich seinem nicht standhalten kann. Er seufzt. „Du weißt, dass du sie endlich loslassen musst, Mia.“ Ich nicke nur. Wir sind bei meinem Sprichwort vom beginn angekommen. Ich bin ein gebranntes Kind, doch ich habe das Feuer nicht gescheut, nachdem es mich zum ersten Mal verbrannt hat. Im Gegenteil. Ich bin ihm immer wieder hinterhergelaufen und wurde Mal für Mal immer wieder verbrannt. Hoffentlich habe ich meine Lektion jetzt endlich gelernt und halte von meinem Feuer fern. Wäre wahrscheinlich besser für mich.
Luke schiebt mir Plastikbox herüber, die er vorhin auf den Tisch geknallt hat. „Hier. Meine Mum hat schon wieder für dich mitgekocht und ich bin mir sicher, dass du noch nichts zu essen hattest.“
Schnell schiebe ich das Buch in meinen Rucksack und öffne die Plastikbox, aus der mir sofort ein verführerischer Geruch entgegenschlägt. Ein seliges Lächeln macht sich auf meinem Gesicht breit. „Sag deiner Mum von mir, dass ich sie liebe!“, rufe ich beinahe schon euphorisch, woraufhin Luke nur grummelt. „Ich wünschte, du würdest dich nur einmal so freuen mich zu sehen, wie du es beim Essen meiner Mum tust“, seufzt er dann, während ich bereits dabei bin, mir die Pizza in den Mund zu stopfen. Jetzt sehe ich vermutlich wirklich aus wie das Eichhörnchen von vorhin.
„Sorry, Luke, aber ich fürchte, Essen wird bei mir immer an erster Stelle stehen“, witzele ich. „Aber du kommst direkt an zweiter Stelle, versprochen.“ Ich zwinkere ihm zu und er verdreht lachend die Augen. „So kenn ich meine beste Freundin schon eher“, spielt er auf die letzte Zeit an, in der ich wirklich nicht besonders fröhlich gewesen bin, und tätschelt mir den Kopf. Daraufhin werfe ich ihm einen bösen Blick zu, weil er genau weiß, dass ich das hasse. Aber er lacht nur wieder und irgendwie kann ich ihm nicht böse sein, weil er mein bester Freund ist und bleibt und schon so viel für mich getan hat. Also futtere ich nur glücklich den Rest der Pizza und genieße die warmen Sonnenstrahlen, die noch immer mein Gesicht erwärmen und mich an den Sommer erinnern.