Die Minute vor Mitternacht war Jadas Meinung nach immer etwas ganz Besonderes – alles war ruhig, keiner hinderte ihre Gedanken daran, sich frei in alle Richtungen auszubreiten und die Sterne sandten einen blassen Schimmer zur Erde, der die Welt in ein mystisches Licht tauchte. Doch heute war Halloween und alles war anders. Nicht unbedingt negativ, aber anders. Heute würde sie die Minute vor Mitternacht nicht alleine verbringen. Bereits jetzt gerade konnte Jada kaum stillsitzen vor Aufregung und allein war sie auch nicht – ihre beste Freundin Camilla war bei ihr, um sie für die Halloween-Party vorzubereiten, die heute bei Camilla steigen sollte. Aus diesem Grund war Jada direkt nach der Schule mit ihr nach Hause gegangen, um ihr bei den letzten Vorbereitungen zu helfen. Da Camilla eine absolut begeisterte Cosplayerin war hatte sie, wie auf einigen ihrer Partys, einen Dresscode für diese Party festgelegt. Der heutige war natürlich leicht zu erraten: Halloween! Und daher saß Jada nun hier, mit frisch gefärbten Haaren, und begutachtete sich noch einmal selbst in Camillas großem Spiegel, auch wenn das eigentlich gar nicht ihre Art war. Andererseits sah sie aber auch nicht aus, wie sie selbst: Camilla hatte ganze Arbeit geleistet. Ihr normalerweise schlichtes schwarzes Haar fiel ihr nun orangerot über den Rücken, darauf thronte ein großer weißer Hexenhut mit orangefarbener Innenseite. An ihren Körper schmiegte sich ein kurzes, ebenfalls weißes, Kleid, dessen rotes Muster perfekt mit den Orangetönen ihres Haares und ihres Hutes harmonierte. Grinsend reichte Camilla ihr die weißen Stiefel, die ebenfalls zu ihrem Kostüm gehörten. „Du siehst wirklich umwerfend aus!“, verkündete sie und strich sich ihr eigenes schwarzes Kleid glatt, während Jada in ihre Stiefel schlüpfte. Camillas und ihr Kostüm waren identisch – bis auf die Farben. Denn im Gegensatz zu ihrem Kleid war Camillas Kleid schwarz mit lilafarbenen Mustern. Ihre Haare fielen ich in sanften Wellen über die Schultern. Begeistert klatschte sie in die Hände. „Das ist perfekt! Wir sehen aus wie Schwestern! Lass uns runtergehen, die ersten Gäste werden bestimmt bald da sein!“ Und schon war sie die Treppe hinunter gestürmt. Lächelnd schüttelte Jada den Kopf, während sie ihrer Freundin nach einem letzten Blick in den Spiegel deutlich langsamer folgte. Manchmal war Camillas Enthusiasmus wirklich anstrengend, doch sie liebte ihre Freundin dennoch über alles. Als Jada die letzte Treppenstufe betrat, schlugen die Glocken des Kirchturms elf Uhr und die Leute schienen nur so ins Wohnzimmer zu strömen. Camillas Gäste schienen alle pünktlich zu sein. Nervös schob sie sich eine widerspenstige Haarsträhne hinter da Ohr und befeuchtete ihre Lippen, die heute einen leichten Schimmer durch Camillas Berry-Lipgloss hatten, bevor ihr bewusst wurde, wie lächerlich sie sich hier eigentlich verhielt. Also atmete sie tief ein und – entdeckte Jem. Und schon beschloss ihr Körper sämtliche Vernunft über Bord zu werfen und komplett verrückt zu spielen: Ihr herz begann, doppelt so schnell zu schlagen, wie normalerweise und sämtliches Blut schien ihr in den Kopf zu steigen, so warm wie ihre Wangen wurden. Sie wehrte sich hart gegen die Erkenntnis ihres Unterbewusstseins, dass sie absolut verliebt war und sich auch nur deshalb heute so um ihr Aussehen gesorgt hatte, nicht, wie sie sich einzureden versuchte, weil Camilla es gewollt hatte, und tauchte in die Menschenmenge ein, um zur Küche zu gelangen und etwas zu trinken. Dass Jem sie ebenfalls entdeckt hatte und sich nun ebenfalls auf den Weg zur Küche machte, merkte sie nicht.
In der Küche war bedeutend weniger los als im Wohnzimmer, nur zwei Vampire standen in der Ecke und unterhielten sich gedämpft. Dies führte ihre Gedanken gleich wieder zu Jem, der ebenfalls als Vampir verkleidet war und einfach nur zum Anbeißen ausgesehen hatte. Jada schüttelte den Kopf über sich selbst. Was war denn los mit ihr? So war sie doch sonst auch nicht. Schnell schnappte sie sich ein großes Glas, füllte es mit kaltem Wasser, und exte den Inhalt. Besser. Sie goss sich Sprite nach, um diese draußen in Ruhe zu trinken, als sie Jems Stimme hinter sich hörte und ihr Herz einen Schlag auszusetzen schien.