„Hey, Jada“, sagte Jem hinter ihr und Jada zuckte so heftig zusammen, dass die Gummibärchen-Spinne von ihrem Glasrand in das Glas fiel und dort sprudelnd unterging. Ihr Herz dagegen schien einen Schlag auszusetzen, nur um dann doppelt so schnell weiterzuschlagen. Sie fuhr herum und sah in Jems schuldig dreinblickendes Gesicht. „Sorry“, murmelte er entschuldigend. „Ich wollte dich nicht erschrecken.“ „Schon-“ Jadas stimme brach und sie räusperte sich. Ihre Wangen wurden schon wieder warm. Peinlich. „Schon gut. Was machst du denn hier? Also in der Küche, nicht auf der Party.“ Jetzt glich sie wahrscheinlich einer Tomate. Jada hatte das dringende Bedürfnis, ihr Gesicht in den Händen zu vergraben. Warum musste immer ihr so etwas passieren? Jetzt legte sich auch auf Jems Wangen ein leichter Rotschimmer. „Ich hab dich vorhin auf der Treppe gesehen und da dachte ich… vielleicht willst du mit mir was trinken?“ Sein Blick viel auf ihr Glas, in dem die Spinne mittlerweile sicher nicht mehr am Leben wäre, wäre sie echt gewesen, und der Rotschimmer tendierte auch bei ihm Richtung Tomate. Ihm schien klar geworden zu sein, wie bescheuert die Frage gewesen war. Das auch Jem nervös war, beruhigte Jada sehr. Sie lächelte, nickte, und reichte Jem ein Glas. „Was möchtest du denn? Cola? Fanta? Oder was anderes?“
„Cola klingt gut. Danke“, bedankte er sich, als die Flüssigkeit in sein Glas sprudelte.
„Kein Problem. Wollen wir rausgehen? Hier drin ist so voll.“ Das stimmte: Mittlerweile füllte auch die Küche sich mit Gästen und Stimmengewirr erfüllte die Luft. Das stellte auch Jem schnell fest, als er seinen Blick durch den Raum schweifen ließ, und so stimmte er Jadas Vorschlag schnell zu. Sie führte ihn daraufhin durch das Gedränge der Menschenmenge nach draußen in den Garten, in dem sich Camilla ebenfalls größte Mühe gegeben hatte, um ihn gruselig aussehen zu lassen. In den Bäumen hatte sie künstliche Spinnenweben verteilt und mit passenden Spinnen dekoriert. Die einzige Lichtquelle waren die leuchtenden Kürbisse. Camilla und sie hatten ewig gebraucht, all diese Kürbisse zu schnitzen. Auch das Wetter spielte mit: Über ihr und Jem leuchtete der Vollmond und sandte seine blassen Lichtstrahlen auf den Kiesweg, der in diesem Zwielicht leuchtend weiß strahlte und weißer Nebel kroch zwischen den Bäumen am Rand der Wiese entlang. Ein angenehm schauriger Schauer kroch über Jadas Rücken, obwohl sie selbst ja mit dekoriert hatte und eigentlich wusste, wie der Garten aussah. Zumindest hatte sie das gedacht, aber dass das alles so fantastisch im Dunkeln aussehen würde, dass hatte sie sich nicht vorstellen können. Eine Fledermaus flatterte über ihre Köpfe hinweg, wohl angelockt durch all die Lichter und irgendwo in der Dunkelheit schrie eine Eule. Es war, als wären in dieser Nacht wirklich alle wach. Gemeinsam mit Jem setzte sie sich auf die Brücke, die über den kleinen Gartenteich führte, in dem tagsüber fröhlich die Kois und Camillas Goldfisch schwammen. Jetzt spiegelte sich der Mond als volle, silberne Scheibe in dem dunklen Wasser. Die nächsten Kürbislaternen standen ein Stückchen entfernt und die Dunkelheit verbarg gekonnt die Röte, die sich noch immer auf Jadas Wangen befand.
„Du siehst übrigens wunderschön aus, heute“, murmelte Jem neben ihr leise, die Dunkelheit schien dafür zu sorgen, dass er seine Schüchternheit ein wenig verlor.
„Danke“, flüsterte sie zurück. „Du siehst aber auch gut aus.“ Sie konnte es zwar nicht sehen, doch sie könnte schwören, dass Jem lächelte. „Danke.“ Dann schwiegen sie, tranken, jeder für sich, ihr Getränk und genossen einfach den leichten Wind, der über sie hinwegstrich. Sie schwiegen, doch nicht, weil sie sich nichts zu erzählen hätten, sondern weil sie nicht reden mussten, um den anderen zu verstehen. Jada spürte die Verbindung zwischen ihnen und sie wusste, dass auch Jem sie fühlen konnte. Wie sie bereits am Anfang dieser Nacht festgestellt hatte, war diese Nacht ihre Minute vor Mitternacht anders, aber nicht negativ anders. Still lächelte Jada in sich hinein, während die Kirchturmuhr Punkt zwölf Uhr schlug.