Müde lehnte Cian seine Stirn an die kühlende Wand des Polizeireviers. Ians Aussage hatte ihm einiges abverlangt. Klar, der Kriminalpsychologe hörte sich ständig so einen Scheiß an. Aber dabei musste er sich nicht vorstellen, dass auch seine eigene Schwester solch grauenerregende Dinge hatte erfahren müssen. Ian hatte nicht alles gesehen, nicht das gesamte Ritual kristallklar mitbekommen. Dieses Vergnügen war ihm gnädigerweise erspart geblieben. Doch Cian kannte jede Einzelheit, jede kleine Perversion. Denn er hatte die letzten vier Jahre damit zugebracht sie zu studieren, hinter den MO des Täters zu kommen. In seine Psyche einzutauchen. Er wusste, was der Mistkerl in die zarte Haut von Ms Six, in den Rücken seiner kleinen Pheobe-Fee, geritzt hatte...

"Hey, C! Bleibt es bei unserem Date nächste Woche?"

Cian drehte sich zu der uniformierten Polizistin mit den üppigen Kurven und den wilden dunklen Locken um. Cherryl war feurig. Feurig war gut.

"Sicher Babe, das würde ich um nichts in der Welt verpassen wollen", zwinkerte er ihr frech zu und schenkte dem kecken Ding ein strahlendes, doch gefaktes Lächeln, das ihr ein kleines, freudiges Jauchzen entlockte. Mit gekonnt lasziven Schritten wackelte Cherryl davon und Cian belohnte ihren Abgang mit einem schnellen Blick auf ihre wiegenden Hüften.

"Sitzt dein Partner nicht daheim, Junge? Was machst du noch hier? Der Ärmste wartet sicher schon sehnsüchtig."

Cian fuhr ertappt zusammen und wandte sich Captain Bates zu.

Der Endfünfziger stand breitbeinig neben ihm und musterte ihn von der Seite.

"Ich warte auf Mitch. Der ist für kleine Königstiger. Bates, Sie haben gehört, was Ian gesagt hat. Die Vorgehensweise ist exakt dieselbe, wie bei meiner Schwester. Das Ritual, die Messingschüssel mit dem Sud, der verbrannte Salbei und Ebereschenasche ... Die eingeschnittenen Worte -"

"Creideamh, Grà agus Dóchas", unterbrach ihn der andere Mann.

Glaube, Liebe und Hoffnung, dachte Cian bitter. Was für ein Drecksmist. Die Parallelen zwischen den Morden waren eindeutig.

"Ich werde eine Task Force für dich zusammenstellen. Ein Team unter deiner Führung, Cian. Ach ja, es kommt außerdem eine Doktorandin der Kriminologie aus Oxford, England. Sie schreibt ihre Promotion über Ritualmorde und ist wohl ganz begeistert über den Haufen Scheiße hier bei uns. Edith Victoria Williams, sechsundzwanzig."

Der Kriminalpsychologe zuckte nur gelangweilt die Schultern. War ihm egal, ob da eine Doktorandin mit ihm mitlaufen sollte und sich Notizen machte.

Eigentlich wollte er nur noch in seine Wohnung und ins Bett. Erschöpft rieb er sich die brennenden Augen. Bates sah ihn mit Besorgnis im Blick an.

"Weißt du, Junge", er ließ seine Augen über Cians große Gestalt, beginnend bei den kastanienbraunen kurzen Haaren und den ebenmäßigen Gesichtszügen, weiter über die breiten Schultern und endend bei den langen Beinen, gleiten.

"Weißt du ... jedes Mal, wenn ich dich so ansehe, dann kriege ich den Schreck meines Lebens. Diese Parallelen. Meine Fresse, als stünde dein Daddy vor mir, Junge. Gib nur Acht, dass du nicht endest wie er, okay?"

Mitch kam aus der Toilette und Cian machte, dass sie Land gewannen.

Mitch hatte ihn bei sich an der Wohnung abgesetzt und Cian schlurfte träge die Treppe zu seinem kleinen Apartment hinauf. Er brauchte drei Versuche, um den Schlüssel ins Schloss zu bekommen, doch das Jauchzen seines Partners, als er ihn freudestrahlend an der Tür begrüßte, war Entschädigung genug. Vergessen waren für einen Moment all die Sorgen und Cian fiel Partner, seinem Irish Wolfhound, um den großen, grauhaarigen Hals und knuddelte ihn. Er ließ sich mit der rauen Zunge über seine Wange lecken. "Du bist ein guter Junge, Partner. Ja, das bist du."

Mit einer Hand betätigte er den Schalter seines Anrufbeantworters:

Nachricht 1 - Hi, hier ist Molly und ich wollte mich nochmal für die unvergessliche Nacht neulich bedanken ... wir haben die Bettpfosten zum Wackeln gebracht, oder?! Wann wollen wir das wiederholen? Nachricht 2 - C hier ist deine Mum. Ich habe noch keine Zusage von dir wegen morgen, aber da ja Samstag ist und du nicht arbeiten musst, gehe ich mal davon aus, dass du kommst. Partner bringst du sicher auch mit, nicht wahr? Es ist ja auch der Geburtstag deines Bruders. Außerdem hat Mitch bereits für euch beide zugesagt. Na dann, sehe ich dich morgen, mein Liebling. Ach und C, trink nicht so viel, du wirst noch wie dein Vater.