Gemeinsam betraten Eddy und Cian den Konferenzraum am Ende des langen Flures im Revier. Erfreut stellte der Kriminalpsychologe fest, dass der Rest der Task Force bereits auf ihn wartete. Er selbst war nie besonders pünktlich, schätzte dies bei seinen Mitarbeitern allerdings sehr. Und das wussten diese. Vorausgesetzt, sie hatten schon einmal mit ihm zusammengearbeitet. Belustigt nahm Cian wahr, wie die kleine Doktorandin einen großen Bogen um seinen handzahmen aber shetlandponygroßen Assistenzhund schlug und dabei angewidert die Nase süß kräuselte. Niedlich das kleine Biest.
Er wandte seine Aufmerksamkeit seinem Team zu. Sein Blick fiel auf einen älteren Herrn in Strickjacke und zerschlissenen Jeans, zwei Frauen in den Vierzigern, einen etwas jüngeren Mann in Anzug und Krawatte und einen Mittzwanziger mit verstrubbelten schwarzen Haaren und frechem Lächeln, der in locker-lässiger Pose an der langen Fensterfront lehnte, während er ungeniert Eddy abcheckte, die sich zu den anderen an den runden Besprechungstisch gesellte. Zufrieden nickte Cian. Bates hatte gute Arbeit geleistet. Sie alle waren im Großen und Ganzen seine Stammbesetzung. Nur zwei fehlten noch, doch vermutlich waren die Beamten noch unterwegs und stießen später zur ersten Besprechung dazu.
"Gut, gut. Dann würde ich sagen, beginnen wir mit einer kleinen Vorstellungsrunde. An sich kennen sich alle, nur unsere Neue hier hat keinen Dunst", Cian zuckte mit dem Daumen zu Eddy, dabei ließ er sich schwerfällig auf einen der Stühle fallen.
Dankend nahm er die Tasse heißen Kaffee an, die ihm dargeboten wurde. Eine der Damen goss allen aus einer großen Kanne ein.
Der freche junge Mann löste sich vom Fenstersims und trottete zum Tisch herüber, wie zufällig streifte seine Hand Cians Schulter. Dieser lächelte in sich hinein.
"Das ist Fab. Computergenie und Analyst erster Güte. Mit Zahlen kann keiner besser jonglieren, keiner Muster und Statistiken schneller durchschauen."
"Wie lieb du zu mir bist, C", schmunzelte Fab mit einem Augenzwinkern.
Cian deutete auf die beiden Damen, die bei Eddy saßen und freundlich lächelten.
"Dr. Mary-Ann Clearwater und Dr. Susana Feather. Kriminologin und Pathologin. Unsere Expertinnen für unsere Leichen und deren Verletzungen. Ich schätze, du zählst in gewisser Weise wohl auch in diese Kategorie, Eddy."
Cian fand es beinahe bezaubernd, wie eine leichte Röte die Wangen der Doktorandin überzog, als er sie in einen Topf mit den Profis warf und die Frauen ihr freundlich und respektvoll zunickten. Der Kriminalpsychologe machte weiter und stellte den Ältesten in der Runde vor: "Und das ist Freddy O'Connor. Ballistik und Forensik. Alles was du zum Tatort und zur entsprechenden Analyse der einzelnen dort gefundenen Bestandteile wissen willst. Er ist dein Mann in allen schrägen wie absurden Belangen."
Der ältere Herr tippte sich begrüßend mit zwei Fingern an die Stirn.
Cian zog ironisch eine Augenbraue in die Höhe, als ihm von links ein Zettel zugeschoben wurde. Ein Seitenblick in Fabs Richtung und eine Inspektion der krakeligen Handschrift bestätigten ihm, dass der schnuckelige Nerd ihm die Notiz hatte zukommen lassen: Freue mich schon auf unser Abenteuer mit Cherryl am Freitag *grr*
Cian knüllte das Papier zusammen und warf es Fab mit einem dreckigen Grinsen an den Kopf. Aus dem Augenwinkel nahm er den missbilligenden Blick der kleinen Doktorandin wahr. Amüsant.
"Ach ja. Also, der Herr da im feinen Zwirn ist Laudrey O'Malley. Er ist Priester und ich dachte, es sei sicher sinnvoll, jemanden mit derlei Kenntnissen in unserer Runde dabei zu haben. Außerdem ... kannte er eines der Opfer näher", räusperte sich Cian betreten.
Mitchs Bruder hielt seinen Blick für einen Moment gefangen. Trostspendend. Verstehend.
Die Stimmung lockerte sich, als zwei uniformierte Beamte in den Raum spazierten, beladen mit einem Haufen Donuts, Pappbechern und weiteren Leckereien.
"Ahhh, sehr schön, mit Kaffee seid ihr bereits versorgt worden. Wenn wir euch Kopfmenschen schon in nächster Zeit als Gäste beherbergen, dann doch vernünftig", sagte der Vordermann.
Ein untersetzter Mann Ende vierzig mit kleinem Bauchansatz und pausbäckigem Lächeln.
"Zu einem wahren Gastmahl gehört in einem guten Polizeirevier nun einmal ein Gelage aus Donuts, Plunderstücken und heißer Schokolade. Zückt schon einmal das Insulin meine Lieben", freute sich der jüngere Polizist.
Nachdem sich alle eingedeckt hatten, stellte Cian die beiden Neuzugänge als Officers Brannegan und Schwarz vor. Auch Eddy bekam ihre kurze Portraitierung und war sichtlich überrascht, als Cian sie über den grünen Klee lobte. Dann wurde es ernst und Cian begab sich zum Whiteboard. Er heftete die Bilder zu den Tatorten sowie der Opfer an, öffnete die Akten vor sich.
"Wir werden alles durchgehen. Beginnen wir mit der Bestandsaufnahme chronologisch bei Opfer Nummer 1. Pheobe O'Malley, frühere Kane. Meiner ... meiner Schwester."
Betretenes Schweigen. Cian war das gewohnt. Nur Eddy zuckte sichtlich zusammen, als ihr bewusst wurde, dass sie mit ihrem Profil der Opfer mächtig ins Fettnäpfchen getreten war.
"Ich denke, es ist am besten, wenn wir uns noch einmal die Zeugenaussage des Ehemannes von vor vier Jahren ansehen."