CN: Sucht (erwähnt)
Freitag. Das Revier in der Mainstreet. Sein Schädel brummte und selbst der starke Kaffee in seiner Hand konnte seine mehr als bescheidene Laune nicht heben. Drei Tage. Drei Tage hatte er Eddy nicht mehr gesehen. Sie weder gesprochen, noch auch nur das geringste Lebenszeichen von ihr gehört. Partner an seiner Seite fiepte und wedelte leicht mit dem Schwanz, als Bates auf Cian zugestratzt kam. Lautlos stieß der Kriminalpsychologe seinen Frust heraus und fügte sich in sein Schicksal. Vor dem Captain konnte er sich schwerlich in der nächsten Toilette verstecken. Obwohl ...
"Was denkst, was du da tust, Junge?", hielt die dunkle Stimme des älteren Mannes seinen Fluchtversuch auf, als Cian gerade die Tür zum Gäste-WC aufstieß, um stiften zu gehen. Ergeben ließ er den Kopf ein Stück sinken und schob die Sonnenbrille auf seiner Nase zurecht.
"Wo bist du gewesen? Machst dich rar und lässt dein Team hier im Stich? Das ist nicht deine Art, Junge. So hat dein Daddy dich nicht erzogen."
Cian schnaubte entnervt. Er hatte für sowas nun wirklich keine Böcke und schon gar keine Zeit.
"Nehmen Sie es mir nicht übel, Bates. Aber mein Vater hat mich überhaupt nicht erzogen. Das waren meine Mum und Mark."
Der Captain malmte mit den Kieferknochen. Mit dunklen Augen schaute er Cian an, um dann mit einer Mischung aus Ärger und Kümmernis den Arm des jüngeren Mannes zu ergreifen und ihn zielstrebig mit sich zu führen.
"So oder so ist es kein Benehmen, als Vorgesetzter auszuklinken. Ich dachte, wir hätten diese Zeiten hinter uns", lamentierte Bates weiter, bis sie vor dem Besprechungsraum stehenblieben und er sich ihm wieder ernst zuwandte, "sei ehrlich, Junge. Trinkst du wieder?"
Nach Luft schnappend druckste Cian herum. Er hatte nicht erwartet, dass der Captain sein Problem so direkt ansprechen würde. Warum auch? Damals bei seinem Vater hatte er das Thema konsequent totgeschwiegen. Danach, als Cians Hang zum Alkohol immer deutlicher wurde, hatte er ebenfalls nur hier und dort Andeutungen fallen lassen, ihm ab und an einen traurigen Blick hinterher geworfen und das war es gewesen. Wieso beschloss der alte Mann ausgerechnet jetzt, eine andere Saite aufzuziehen?
Die zitternden Hände in die Hosentaschen stopfend, schüttelte Cian wild den hämmernden Kopf. Schnell unterließ er diese Geste wieder, als das Revier mit ihm Karussell fuhr.
"Nein, Bates. Ich bin trocken", versicherte er dem Captain heiser.
Es war ihm so peinlich, mit Bates dieses Gespräch zu führen. Wie ein unartiger Jung kam er sich vor, der geprüft wurde, ob er sich auch ja an Daddys Regeln hielt. Bates nickte und klopft ihm dann auf die Schultern, bevor er sich herumdrehte und langsam den Flur zu seinem Büro hinunterschritt. Aufseufzend massierte sich Cian den Nacken. Dann stieß er die Tür zum Besprechungsraum auf und stockte. Denn von seinem Team waren bisher lediglich zwei Mitglieder eingetroffen. Und diese schienen dabei, die Fronten zu klären. Es war nur zu offensichtlich, dass Cian hier gerade in eine hitzige Diskussion geplatzt war.
Eddy stand mit rosigen Wangen und geröteten Augen an der langen Fensterseite des Raumes. Einige zarte Strähnen hatten sich aus ihrem sonst so adretten Pferdeschwanz gelöst und ihr akkurates Make-Up war an den Augen leicht verwischt. Ihre grauen Augen starrten sich an Fab fest, der auf einem der Bürostühle am Rundtisch lümmelte und süffisant vor sich hin grinste. Dabei hatte er die Füße an den Knöcheln überkreuzt auf der Tischplatte abgelegt und drehte einen angekauten Bleistift lässig zwischen seinen langen Fingern.
"Ich habe doch gesagt, sie würde mich vierteilen", ließ sein Kumpel verlauten, ohne Cian dabei anzusehen. Eddy stützte ihre Fäuste in die Hüften und funkelte den Analysten an. Ihren Partner - oder momentan Nicht-Partner - ignorierte sie einfach.
"Ich habe einfach nur versucht, vernünftig mit dir über die doch recht spezielle Situation zu reden, Fab. Aber du hast mich einfach wieder angepampt."
"Oh, Herzchen, du bist doch recht empfindlich, nicht wahr? Ich habe lediglich wissen wollen, was dir schwerer fällt zu akzeptieren: Dass Cian dich mit einem Mann betrogen hat, oder dass er es mit mir getan hat."
Verspannt massierte sich der Kriminalpsychologe die Stirn, hinter der sich der Druck zunehmend manifestierte. Konnte Fab es nicht einfach mal gut sein lassen? Wenn sein Kumpel in Fahrt geriet, dann wollte man nun wirklich kein Kollateralschaden sein.
"Warum, Fab?", wollte Eddy wissen, "du kannst dir doch einfach einen anderen suchen. Aber nein, du musst weiterhin mit Cian ins Bett steigen, nachdem du wusstest, dass wir eine Beziehung führen!"
Das gemeine Grinsen auf Fabs Gesicht vertiefte sich und Cian lief es dabei kalt den Rücken hinunter. Er wusste nicht, wie lange die zwei hier schon stritten, aber er konnte sich gut vorstellen, dass der Analyst Eddy bewusst soweit gedrängt hatte. Gekonnt zu eben genau dieser Aussage provoziert hatte. Sein Blick fiel auf Fabs Equipment, dass dieser vor sich aufgebaut auf dem Tisch positioniert hatte.
"Was hast du getan?", brachte Cian mühsam hervor und fixierte seinen langjährigen Freund mit zornigen Augen.
Während Fab mit den Schultern zuckte, drehte er mit dem Bleistift das Notebook so vor sich, dass auch Cian auf den Bildschirm blicken konnte. In Konferenzschaltung sahen ihm die Gesichter seiner anderen Teammitglieder entgegen. Alle betreten. Ein, zwei ungläubig. Schwarz enttäuscht. Laudrey entsetzt.
"Ich dachte, es sei an der Zeit, dass wir mit offenen Karten spielen", führte Fab aus und erhob sich geschmeidig aus seinem Stuhl. Cian sah vom Bildschirm zu Eddy, die mit schockgeweiteten Augen und bebenden Lippen an der Fensterfront stand.
"Sei doch Stolz auf deine Beziehung zu der kleinen Doktorandin, C. Wenigstens ist es kein so trauriges Klischee wie eine Sekretärin."
"Bist du wirklich so verbittert, Fab, dass du deinem besten Freund sein Glück nicht gönnst?", wagte sich Eddy noch einmal vor, "oder bist du einfach nur grundlos grausam?"
Cian hob die Hand und tatsächlich verstummte seine Freundin - oder momentan Nicht-Freundin. Auch aus seinem Team hatte bisher niemand etwas gesagt. Daher trat er einfach auf das Notebook zu und schob Fab sanft aber bestimmt zur Seite.
"Ich erkläre es euch bei der nächsten Besprechung. Es tut mir leid, wie das gelaufen ist", versicherte er den anderen.
Zustimmendes Nicken von den meisten war die Antwort. Dann trennte er die Verbindung. Schnaufend stand er einen Augenblick einfach nur da. Schließlich hob er den Kopf und wandte sich wieder um.
"Du solltest dir eine Auszeit nehmen."
Hart trafen seine Augen auf das blitzende Eis in denen seines Kumpels.
"Du feuerst mich?"
"Nein. Aber ich nehme dich aus dem Spiel. Ich will nicht sehen, dass du auch nur einen Fuß mehr in das Revier setzt. Du hast Pause, Urlaub - nenne es, wie du willst. Ich zumindest möchte dich hier jetzt und in den nächsten Tagen nicht sehen."
"Du stellst dich also auf ihre Seite", warf Fab ihm vor und deutet mit dem angekauten Stift anklagend auf Eddy. Traurig schüttelte Cian den Kopf. Dass Fab so reagierte bestätigte ihn nur darin, dass dieser nicht mehr in der Lage war rational und objektiv zu bleiben. Sein Junge brauchte Erholung, um wieder zu sich zu finden. Es war alles zu viel gewesen.
"Ich stehe auf gar keiner Seite, weil es keine gibt. Nicht bei uns und nicht so. Geh' heim und komm' runter."
"Fein!", spuckte Fab ihm entgegen und stürmte dann polternd aus dem Besprechungsraum.
Vor der geöffneten Tür stand ein brodelnder Captain Bates und knirschte so laut mit den Zähnen, dass Cian sich Sorgen um dessen Zusatzversicherung machte.
"Ist euch klar, dass man euch im gesamten Revier hat hören können?", wies der alte Mann den Kriminalpsychologen streng zurecht. "Das gibt nicht nur intern wieder Tratsch und Klatsch bis zum Abwinken - damit könnte ich ja noch umgehen. Aber ich glaube doch kaum, dass es für deine Arbeit so großartig ist, wenn deine Verdächtigen über deine privaten - nun, nennen wir es - Liebesprobleme informiert sind."
Cians Magen zog sich zusammen, als Bates' Daumen über die Schulter zuckte und er im Flur auf einem der harten Plastikstühle Prof. Dr. O'Neal erkennen konnte. Der Professor hielt Klemmbrett und Stift in der Hand, während er mit interessiertem Blick Fab nachschaute, der vor sich hin murrend und türenschlagend einen doch recht eindrucksvollen Abgang hinlegte. Die Befragung dürfte spaßig werden.