Die Ankunft:
"Man könnte meinen, wir wären in England!", schimpfte Evelyn leise, während sie der dunklen Straße folgte. Sie redete häufiger mit sich selbst, wenn sie nervös war - oder aufgebracht.
Vor ihr lag endlich das Motel. Etwa hundert Meter vor den Hütten passierte sie ein schlecht beleuchtetes Schild, dass ihren Verdacht bestätigte.
"Bates' Motel", stand in kaputten Leuchtletten nur etwa zehn Meter über dem Boden am Straßenrand. Evelyn stolperte daran vorbei.
Sie hoffte auf eine warme Dusche, obwohl das, soweit sie sich an den Film erinnerte, vielleicht keine gute Idee war. Aber sie schwitze von der langen Wanderung, ihr war kalt und sie war müde. Die Idee, sie alle irgendwo an der Straße auszusetzen, fand sie idiotisch. Nicht nur, dass sie ihre Taschen mitschleppen mussten und sie womöglich verirrten - Evelyn fand es auch deutlich nervtötender als gruselig. Sie könnten sich erkälten!
Als sie auf den Parkplatz stolperte, öffnete sich eine Tür in dem flachen Betonbau und ein junger, hochgewachsener Mann kam heraus.
"Oh. Noch mehr Besuch!", sagte er mit verträumter Stimme: "Ein Gast."
Evelyn hielt irritiert inne: "Hallo."
"Hallo!", sagte der Mann mit einer Singsang-Stimme: "Willst du hier übernachten? Viele wollen heute hier übernachten."
"Ähm. Ja", sagte Evelyn und hoffte, bald auf Milo zu treffen.
"Dann kriegst du das Zimmer 11!", sagte der Mann und winkte sie hinter sich her: "Bald sind hier alle Zimmer belegt. Mutter wird sich freuen. Das Motel ist noch nie so gut gelaufen!"
Evelyn folgte dem Mann durch die erste in einer Reihe von Türen, die zu einstöckigen Bungalowhäusern führten. Die Gebäude bildeten eine lange Reihe, dicht an dicht, unter dem wachsamen Blick des großen Hauses.
Dieser Raum war die Anmeldung. Eve prallte zurück, kaum, dass sie die Tür betrete hatte.
Von den Wänden starrten Tiere sie an. Truthähne. Fasane. Füchse. Marder.
Sie schauderte, als diverse Kleintiere und Vögel ihren Blick erwiderten.
Aus Glasaugen.
Ausgestopfte Tiere.
"Dein Schlüssel!", der Mann winkte hinter einem Holztresen her. Evelyn ging Schritt für Schritt in das Zimmer. Sie glaube, Fäulnis und Moder zu riechen. Ihre Haut kribbelte. Auf keinen Fall wollte sie eines der toten Tiere berühren! Schon von dem Anblick fühlte sich ihre Haut dreckig an. Die Dusche wurde für sie immer dringender.
"Da so viele Gäste kommen werden wir ein kleines Grillfest veranstalten", säuselte der Mann und gab der zögerlichen Evelyn den Schlüssel.
"Grillfest?", fragte sie: "Gibt es auch Mais?"
"Bedauere. Wir haben nur Fleisch", sagte der Mann und Evelyn verzog das Gesicht. Sie hatte Hunger!
Nun, vielleicht würde sie etwas anderes zu essen finden.
Sie drehte sich um und stieß einen Schrei aus, als ihr plötzlich ein Hirsch gegenüber stand. Natürlich war auch dieser Tier ausgestopft, doch Evelyn hatte beim Betrete nicht gesehen, wie viele Tiere neben und über der Tür hingen.
"Ah, ganz ruhig, meine Liebe", sagte der Besitzer und ging zu dem Hirsch, um die tote Nase des Wildtieres zu streicheln: "Sie sind ganz harmlos."
Evelyn zitterte noch von dem Schreck. Ihr Atem ging flach. Sie wollte so schnell wie möglich nach draußen, aber ohne an den toten Tieren vorbei zu müssen. Ihre Handflächen fühlten sich schwitzig an.
"Ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen", sagte der Mann und streckte ihr die Hand entgegen, die eben noch den Hirsch gestreichelt hatte: "Norman."
"F-freut m-mich", sagte Eve und konnte sich nicht überwinden, seine Hand zu ergreifen, bis Norman sie zurück zog: "Ich trage deine Taschen."
"Geht schon!", quiekte Evelyn eilig und drängte sich endlich an Norman vorbei nach draußen: "Wo ist Zimmer 11?"
"Fast ganz am Ende", sagte Norman: "Ach, eines noch: Dein Handy wirst du hier lassen müssen."
Eve zögerte. Ihr Handy war teuer gewesen. Sie fühlte sich nicht wohl dabei, sich von ihm zu trennen. Dann seufzte sie und zog das Gerät doch aus der Hosentasche: "Bitte."
Norman lächelte und wandte sich mit ihrem Handy zum Tresen. Schleunigst lieg Evelyn zu ihrem Zimmer.
"Wehe, da sind auch Tiere drin!", fluchte sie, als sie die Tür aufschloss.
Aber im Inneren war ein Tier, eine Taube, die sie anglotzte. Ansonsten nur ein schäbiges Bett mit einem Beistelltisch, eine Kommode, ein geschmackloses Bild an der Wand und ein altes, heruntergekommenes Badezimmer.
Evelyn stellte ihre Taschen ab, setzte sich auf die nicht unbedingt saubere Bettwäsche und starrte die Taube an.
Dann schluchzte sie leise.