Sina, die zwischen den beiden hin und her sah, nickte zustimmend mit ihren Kopf. Draco hielt kurz die Luft an. Abermals überkam ihn eine Übelkeit. Er schluckte es runter, um zu hindern, dass diese hochkam und er sich übergab. Um nicht keine Zeit zu verlieren, vergruben sie sich wieder in den Trank. Die Stunde war fast zu Ende und das Gebräu nicht Ansatzweise fertig. Sina schaute ihnen zu. Bis sie die Lust verlor und ihren Blick durch den Raum schweifen ließ. Mit dem Kopf über den Kesseln rührten die Schüler darin herum. Bei einigen wandelte sich der weiße Rauch in schwarzen. Schnaufend machten sie ihren Unmut kund. Es amüsierte sie. Sie selber war nie gut in Zaubertränke. Oft explodierte der Kessel. Der Raum sah hinterher aus wie ein Schlachtfeld nach einem Krieg. Bei den Prüfungen hatte sie sich gewundert, dass sie nicht durch fiel. Es war nie ihr Fach, dann schon eher Kräuterkunde und Verwandlung. In diesen war sie ein Ass. Schnell verlor sie wieder das Interesse und sah sich weiter um. An drei Schülern blieb sie hängen. Das dunkelblonde Mädchen stocherte in dem Kessel herum. Das Symbol der Gryffindors prangte an ihrer Kleidung. Dies musste die schlauste Hexe, Hermine, sein. Ein junge trug ebenso das Abzeichen und hatte braune Haare. Der dritte im Bunde war rothaarig. Und wie die anderen beiden war er ebenfalls im gleichen Haus. Diese mussten Ron und Harry sein. Sie kannte sie aus den Zeitungen in Amerika. Auch dort hatte man über den Krieg berichtet. Zwar nicht jedes Detail, aber genug, um zu wissen, wie verheerend dieser war. Alles nahm ein gutes Ende, dank der drei. Sina hatte sich mit der Zauberwelt gefreut, als sie davon las. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, dass diese Zeit keine Leichte war. Sie wendete sich wieder ab und schaute sich weiter um. Ihr Blick erreichte das Pult, an dem der Lehrer stand. Ihre Augen verengten sich, weil sie scharf nachdachte. Die Statur und die schwarzen Haare kamen ihr bekannt vor. Der Mann hatte ihr den Rücken zugekehrt und sah zum Fenster hinauf. Dennoch fixierte sie ihn. Woher kannte sie diesen? Als würde er spüren, dass man ihn beobachtete, drehte er sich um. Das Herz des Mädchens blieb für einige Sekunden stehen. Nur um im gleichen Moment, kräftig weiter zu schlagen. Ihr rutschte im wahrsten Sinne des Wortes, das Herz in die Hose. Es fiel ihr, wie Schuppen von den Augen. Jetzt erkannte sie ihn. Langsam schritt sie rückwärts zur Tür und blieb dort stehen.
„Die Stunde ist fast zu Ende. Ich hoffe für sie, dass der Trank fertig ist“, schnaufte er und ließ seinen Blick durch die Reihen schweifen, bis er das Mädchen erblickte. Sina starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, „ Wer sind sie?“, fragte er sie schroff. Alle Schüleraugen waren nun auf sie gerichtet. Sie zog unüberhörbar die Luft ein.
„Ich frage sie nicht nicht noch einmal“, sagte Snape und schritt um seinem Pult herum.
„Sina, was ist los?“ , der Blonde marschierte auf sie zu und versuchte, sie zu packen. Doch Sina wich ihm aus. Sie war auf den Professor fixiert, dass sie alles um sich herum vergaß. Mit ihren Lippen formte sie das Wort „Mörder“. Draco hielt in seiner Bewegung inne und starrte sie erschrocken an. Auch Snape, der auf sie zuschritt, stoppte und riss seine Augen auf. Jetzt erkannte auch er sie und war geschockt über ihr Wort. Wie kam sie zu dieser Annahme? Er wusste sofort, was sie damit meinte. Weshalb sie ihn für einen Mörder hielt, war ihm schleierhaft.
„Blaise, hast du eine Ahnung, was mit ihr ist?“, Draco drehte sich zu seinem besten Freund um. Blaise zuckte mit den Schultern. Auch er war ratlos. Es gab keine Anzeichen, das sie etwas aus der Fassung bringen könnte.
Der Blonde ahnte, dass dies nichts gutes hieß, und seine Alarmglocken schrillten auf. Um zu wissen, was ihr so einen Schreck einjagte, folgte er ihrem Blick und wen sie anstarrte. Es war sein Pate. Verwirrt blickte er zwischen ihnen hin und her. Fand aber keinen Zusammenhang.
„Professor, warum starrt sie Sie an?“, richtete Draco die Frage an den Lehrer und hoffte so, eine Erklärung zu erhalten.
„Das kann ich Ihnen nicht sagen!“, sagte Snape barsch und setzte seinen Weg fort. Weit kam er allerdings nicht. Mit jedem Schritt, den er näher rückte, wanderte sie ebenfalls zurück, um den Abstand zu halten, und außerhalb des Raumes war. Ihre Augen weiteten zunehmend und ihre Angst nahm immer weiter zu. Bis sie es nicht mehr aushielt und die Flucht ergriff. Sie rannte die Flure entlang und landete, ohne es zu wissen, in der Eingangshalle. In der Mitte hielt sie an und ließ sich auf die Knie fallen. Sie erhob ihre Hände und legte diese an ihre Ohren. Kurz darauf ertönte ein schmerzerfüllter Schrei. Draco drehte sich von dem Lehrer weg und sah zur Tür. Dort herrschte gähnende Leere. Ein flaues Gefühl breitete sich im Magen aus. Sina war verschwunden. Unruhig wippte er von einem Fuß auf den anderen. Den Trank hatte er schon längst vergessen. Seine Gedanken waren bei ihr. Er sah zwischen seinem Paten und der Tür hin und her.
„Nu lauf schon“, gab ihm Blaise den nötigen Ruck. So ließ er alles stehen und liegen und nahm seine Beine in die Hände. Er hatte keine Ahnung, wohin sie gelaufen war. Instinktiv rannte er in die Richtung der Eingangshalle. Als er die letzte Kurve nahm, hörte er ihren Schrei und das spornte ihn an noch schneller zu laufen. Als er abbog, riss es ihn von den Füßen. Er landete unsanft auf den harten Steinboden. Sein Ellbogen und Hintern schmerzte.
„Au, verdammt!“ , schrie er auf. In seiner liegenden Position fiel ihm auf, dass der Boden unter ihm leicht am Beben war. Er richtete sich auf und lief schwankend die Stufen hinauf. Am Ende erblickte er sie. Er zählte eins und eins zusammen. Eine kniende Sina, die sich ihre Ohren zuhielt, kam ihm bekannt vor. Das Szenario erinnerte ihn an das von letzter Nacht. Er vergeudete keine Zeit, er wusste, was zu tun war. Er war erleichtert sie so schnell gefunden zu haben. Er schritt allmählich auf sie zu. Doch je näher er kam, umso stärker wurde das Beben. Mit Mühe erreichte er sie und hockte sich hinter sie. Seine Arme schwang er um sie, so wie er zuvor schon getan hatte. Draco hoffte auf die gleiche Wirkung.
„Sina“, flüsterte er ihr ins Ohr. Eine Reaktion bekam er jedoch nicht. Ihm schossen tausende von Gedanken durch den Kopf. Woher kam das Beben und wodurch wurde es erzeugt? Solange er diese Schule besucht, kam es noch nie vor, dass die Erde bebte. Daraus schlussfolgerte er, dass dies von ihr verursacht wurde. Von so einer Macht hatte er bisher nie was gehört. Er wusste, dass Sina das Element Luft beherrscht, aber nicht das man damit ein Beben erzeugen kann. War ihm neu. Hinter ihr zu sitzen brachte nicht den Erfolg, den er geplant hatte. So robbte er auf Knien um sie herum, bis er vor ihr stoppte. Der blonde Zauberer legte die Hände um ihre Armgelenke und übte etwas Druck aus. Dennoch ließen sich diese nicht lösen. Es machte eher den Eindruck, sie verfestigten sich zunehmend. Es war, als wenn sie an ihren Ohren klebten. Immer wieder versuchte er es. Ohne Erfolg. Das hatte zur Folge, dass sich das Beben verstärkte. Die Wände fingen an zu wackeln. Die Bilder schwankten und drohten herunter zu fallen.