Ein Kloß bildete sich in seiner Kehle, diesen schluckte er herunter und sprach weiter, „Ich bin durchs Flohnetzwerk zu euch gestoßen und wollte es verhindern. Ich war zu spät um es zu verhindern. So konnte ich nur die Angreifer eliminieren. Da man bei der Übertragung nur ein gewissen Zeitfenster hat, musste ich schnell reagieren. Ich wusste, das bei euch ein Medaillon versteckt war. So habe ich schnell einen Zauber gesprochen. Ich habe nicht geahnt, das uns jemand beobachtet und genau in der Flugbahn steht.“, abwechselnd schaute er zu Sina und zu Daniel. Beide sahen ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Da er keine Antwort erhielt, sprach er weiter, „da du mir immer wieder ausgewichen bist, hatte ich keine Chance dir es zu erklären. Ich wusste zwar von einem Gast, aber nicht, das du es bist. Selbst als du in meinem Klassenzimmer standest, habe ich dich nicht zuordnen können. Er als du mich als Mörder bezeichnet hast. Da habe ich dich erkannt. Das du Angst vor mir hast, kann ich vollkommen nachvollziehen. Aber ich hoffe, inständig, das du mich jetzt in einem anderen Licht siehst“, eindringlich sah er die junge Hexe an. Ihr Blick war kaum zu definieren, einfach neutral. Draco, der sie fest in seinen Armen hielt, stupste sie kurz. Alles ergab Sinn. Dennoch erlosch ihr Misstrauen nicht. Kopfschüttelnd trat sie einen Schritt vor und sah ihn mit schiefen Kopf an.
„Wer sagt mir, dass sie sich nicht aus der Affäre ziehen wollen?“, ihre Stimme klang rau und tränen erstickt.
„Ich erlaube dir, meine Erinnerungen einzusehen. Den Teil wo der Mord geschah. Wenn es hilft, dich davon zu überzeugen, dann ist es mir recht“, sagte er entschlossen. Er war sich sicher, dass sie ihm glaubte, wenn sie das ganze Geschehen aus seiner Sicht sah. Sina schaute den Lehrmeister für Tränke erstaunt an. Im ersten Moment dachte sie, sie habe sich verhört. Ihr Bruder nickte mit dem Kopf, um ihr zu signalisieren das sie es wagen sollte. Stirnrunzelnd sah sie wieder Snape an. Sie senkte ihr Haupt, atmetet tief durch und stolzierte auf den Meister zu. Die Hexe stellte sich vor ihn und legte eine Hand auf seine Wange. Seine Haut fühlte sich eiskalt an, wie ein Berg aus Schnee. Da ihre warm war, spürte sie die Kälte umso mehr. Ein Schauer durchfloss ihren Körper und ließ sie zittern. Dann geschah etwas unerwartetes, womit sie nie gerechnet hatte. Seine Augen erwärmten sich und leuchteten kurz auf. Sein Gesicht erhitzte sich und eine sanfte Röte erschien auf seinen Wangen. Es wirkte, als würde sich der Professor schämen. Ein zartes Lächeln spiegelte sich auf Sinas Lippen ab. Ehe sie sich wieder besann und ihr vorhaben in die Tat umsetzte.
„Rerumes“, flüsterte sie. Aus dem Boden quoll grauer Nebel, der sie umschloss und in sich auf sog. Sie verlor den halt und stürzte mit den Füßen voraus in einen Strudel aus Erinnerungen. Je tiefer sie vordrang, umso enger wurde der Sog, bis er am Ende nur ein schmales Loch war. Sina wurde mit voller Wucht hin durch gequetscht, wie Teig durch eine Nudelmaschine. Sie ging in die Hocke, um den Schwung abzufedern. Dann richtete sie sich wieder auf und sah sich um. Vor ihr tauchten ein Tunnel aus Bildern auf. Bunte Aufnahmen seiner selbst erstreckten sich, soweit das Auge reichte. Sie tänzelten wie kleine Szenen aus einem Film. Ein Szenarium erweckte ihre Aufmerksamkeit. Den Mann, den sie sah, war zwar Snape, aber seine Haltung und Art waren ganz anders. Verwirrt sah sie sich den Gedankenstrang an. Ihre Neugier war geweckt. Er lag mit einem Mädchen auf einer Wiese und spielte mit einer Blume. Der Ausdruck in seinen Augen, war nicht der, den sie von ihm kannte, sondern liebevoll und freundlich. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie behaupten, ein Hauch Liebe darin zu sehen. Das war eine neue Erkenntnis für sie. Sie hätte sich die Bilder gerne länger angesehen, doch sie hatte eine Mission, die kein Aufschub duldete. Und so stieß sie sich mit ihren Füßen vom Boden ab und schwebte durch den Tunnel weiter. Ein Vorteil, den sie sich zunutze machte, wenn sie in den Gedanken anderer war. Um an den Punkt zu kommen, der für sie wichtig war, musste sie Tief graben. Sie flog an unzähligen Bildern vorbei. Schaute nach rechts und nach links.
Bis sie schließlich an die Erinnerung aufblitzen sah, die sie suchte. Sie setzte zur Landung an, indem sie ihren Körper aufrecht drehte und auf den Füßen aufsetzte. Mit einem Schritt nach vorne stellte sie sich vor das Gemälde. Sie atmete tief ein und versuchte, sich selber zu beruhigen. Sie hatte Angst vor dem, was sie erwartete. Ihr Magen rotierte und ihr wurde Übel. Ihr Leib zitterte vor Aufregung. Sie wusste, gleich sah sie ihre Eltern wieder und die Freude überwog das Angstgefühl. Noch einmal pumpte sie Luft in ihre Lungen und ließ diese stoßweise hinaus. Dann schritt sie hindurch und landete neben dem Professor. Nun sah sie das Ganze aus einer anderen Perspektive. Alles so nah zu sehen war für sie unheimlich. Zumal sie dies, als Kind, von der oberen Etage gesehen hatte. Der Unterschied war, dass sie nun freie Sicht hatte und kein Baum ihr die Aussicht versperrte. Snape stand mit wild entschlossener Miene und starren Blick vor ihr. Sein Arm war ausgestreckt und am Ende hielt er seinen Zauberstab fest im Griff. Er sprach nicht, schwang aber seinen Stab und kurz darauf schossen die grünen Blitze aus der Spitze. Ihr Kopf schellte nach vorne und sie erblickte zwei Gestalten. Ihr Körper war verhüllt in einem Gewand aus schwarzen Stoff. Ihr Haupt verdeckten sie mit einer Kapuze. Vor ihrem Gesicht hatten sie silberne Masken, welche ihr die Sicht nahmen. Es schmerzte sie. Sie hatte gehofft, dass er in diesem Punkt gelogen hätte. Sie schaute wieder zum Professor. In seinen Augen sah sie Wehmut. Er seufzte und schritt auf das Auto zu. Sina folgte ihm und lugte ins Innere des Wagens. Ihr Atem stockte, als sie die leblosen Körper ihrer Eltern erblickte. Ihr Herz zog sich zusammen und drohte zu zerspringen. Sie griff sich an die Brust. Ihre Beine begannen zu zittern und sie hatte das Gefühl den Boden unter den Füßen zu verlieren. Mit Mühe konnte sie sich halten. Es war, als würden sie aus Pudding bestehen. Ein lautes gepolter aus dem Haus ließ sie beide aufschrecken. Snape wirbelte herum. Er sah mit weit aufgerissenen Augen zum Eingang des Gebäudes und hielt die Luft an. Die Tür öffnete und eine ältere Dame betrat den Gehweg. Ihr Herz blieb abermals stehen, als sie ihre geliebte Maria erkannte. Ihr Drang zu ihr zulaufen, war groß. Doch hatte sie dafür keine Zeit. Zumal sie wusste, dass sie diese nicht mal ergreifen konnte. Was ihr zusätzlich schmerzte. Sie wendete ihren Blick von ihr ab und sah, dass der Lehrer seinen Stab schwang. Kurz darauf war er verschwunden. Ein Strudel aus Nebel umschloss und zog sie ein. Die Umgebung löste sich auf und wandelte sich wieder in den Raum des Professors. Ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr und ihr Beine gaben nach. Blitzschnell ergriff Snape das Mädchen und verhinderte so, das sie auf den Boden aufschlug. Er hob sie hoch und setzte sie auf einen der Stühle an. Draco und ihr Bruder eilten zu ihr und gingen beide vor ihr in die Knie. Der Blonde legte eine Hand auf ihre und strich sanft hinüber. Sina atmete schwer und musste das erlebt erstmal verarbeiten. Es dauerte einige Zeit, bis sie ihre Gedanken geordnet hatte. Sie erhob ihren Kopf und sah zum Professor, der ein paar Schritte von ihr entfernt stand. Sein Blick nicht zu definieren. Auf der einen Seite lag Schmerz und Reue in seinen Augen, auf der anderen Enttäuschung. Die Hexe holte tief Luft, ehe sie die passenden Worte fand.
„Gut. Sie haben nicht gelogen“, sprach sie mit gebrochener Stimme. Ihre Augenlider senkten sich und sie flüsterte, „ Es tut mir leid, dass ich sie in Verdacht hatte.“
„Ich hätte in deiner Situation nicht anders gehandelt“, er klang kratzig. An ihm ging das Ganze nicht spurlos vorbei. Er wusste, was sie gesehen hatte und das er wieder jemanden nicht Retten konnte, brach seine Seele. Er ahnte nicht, dass sie mehr als diese Erinnerung einsah, „ da nun alles vom Tisch ist, sollten wir uns dem anderen Problem widmen.“