Ein paar Sekunden später standen sie wieder am Ausgangspunkt ihrer Reise, im Zimmer von Sina. Der Blonde setzte sich erst mal auf den Sessel am Fenster. Die letzte Erinnerung hatte spuren hinter lassen. Ihm war schwindelig. Das etwas Abscheuliches passiert war, hatte er geahnt. Doch nicht mit gleich drei Toten konfrontiert zu werden, damit hatte er nicht gerechnet. Im Krieg hatte er viele dieser erlebt, aber die waren im Vergleich zu Marias harmlos und nicht so entstellt. Sie wurde über einen langen Zeitraum gequält. Ihm schauderte es bei dem Gedanken daran. Die Bilder tänzelten vor seinem inneren Auge, wie ein nicht endender Film. Es quälte Draco und am liebsten hätte er einen Oblivate Zauber an sich angewendet, um dies zu vergessen. Viele seiner Untaten bereute er zutiefst und würde sie gerne ungeschehen werden lassen. Sina hingegen stand wie angewurzelt an der Stelle, wo sie gelandet waren, und starrte vor sich hin. Das nochmal zu erleben, versetzte ihr einen Stich. Sie rang nach Luft. Um sie herum, fing das Zimmer sich zu drehen an, wie ein Karussell. Allmählich verschwamm ihre Umgebung. Ihre Beine wurden zu Pudding und drohten nachzugeben. Mit allen Mitteln versuchte sie sich, unter Kontrolle zu bekommen. Doch sie scheiterte und kippte wie in Zeitlupe zur Seite weg. Draco hatte, trotz seiner Gedanken, Sina fest im Blick. Er sprang sofort auf, um sie aufzufangen, ehe sie den Boden erreichte. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie ihn an. Ihr Körper fühlte sich schwer an, wie ein Klotz Beton. Ein Blick in ihre Sehorgane verriet ihm, dass ihr die Erinnerung zusetzte. So beschloss er, sie in ihr Bett zu legen. Da er einen Arm zwischen ihren Kopf und Schulter hatte, legte er die andere unter ihre Kniekehlen und hob sie hoch. Sanft setzte er das Mädchen auf das Bett nieder und gesellte sich zu ihr. Kaum lagen sie, kuschelte sich Sina in seine Achseln und vergrub ihr Haupt.
„Das hat also dein Schweigen verursacht“, brach Draco die Stille. Ein zaghaftes Schluchzen nahm er wahr und sein Hemd, welches er trug, wurde allmählich feucht. Aus anfänglichen kleinen Tränen, wurde ein Bach. Da ihre Stimme versagt, nickte sie. „Es tut mir wahnsinnig leid, was mit Maria geschehen ist. Aber ich denke, dein Bruder wird den Schuldigen finden. Da bin ich mir sicher.“ Nachdenklich starrte der Blonde die Decke des Bettes an und ihm brannte eine Frage auf der Seele. So drehte er sich ein wenig zu ihr, um sie anzuschauen. Wodurch sie gezwungen war ihren Kopf anzuheben und ihn auf dessen Schulter abzulegen. Mit roten Augen schaute sie in Draco und beider verloren sich in einander. Der Blonde hob die Hand und führte diese zu ihrem Gesicht. Wo er ihr eine Strähne zur Seite strich und zärtlich die Tränen mit seinem Daumen wegwischt.
„Eine Frage habe ich dennoch“, er stoppte kurz und wartete auf eine Reaktion von ihr. Mit einem nicken zeigte sie ihm, weiter zu reden. „Wie kann es sein, dass wir das Gespräch zwischen deinem Bruder und der Ministerin sehen konnten. Du hast doch geschlafen, laut Daniel?“
„Ich habe nicht geschlafen. Ich stand am Fenster und habe alles beobachtet,“ gab sie mit erstickter Stimme ihm zu verstehen. Sie versteckte ihren Kopf in Dracos Achselhöhle, damit er ihre Tränen nicht sah, die sich ihren Weg hinaus bahnten. Dieser ließ es nicht zu. Er führte seinen Zeigefinger unter ihrem Kinn und hob ihn hoch.
Sie war gezwungen ihn anzusehen.
„Weine nicht. Es wird alles wieder gut“, versuchte der Slytherin das Mädchen zu beruhigen und es zeigte Wirkung. Allmählich beruhigte sie sich und die Tränen ließen nach. „Ich habe aber noch ein paar fragen.“
„Frag mich alles was du willst“ , sagte sie mit erstickter Stimme.
„Warum ist euer Haus so heruntergekommen?“
„Wie kommst du darauf?“
„Naja. Die anderen waren prunkvoll und euer eher wie das eines Bettlers. Das passte nicht in die Gegend.“
„Das ist seltsam. Ich mein, es liegt ein Zauber auf unserem Haus, welches die Gefühle der Bewohner zeigt. Aber in Erinnerungen sollte dies nicht so sein. Es sei denn von denjenigen, dessen Erinnerung man sieht, hat seine Gefühle nicht unter Kontrolle.“
„Das erklärt alles. Du hast deine Gefühle nicht unter Kontrolle, weswegen dir diese komischen Dinge passieren und dein Haus so aussieht.“
Nachdenklich schaute Sina die Tür in ihrem Zimmer an und legte ihre Stirn in falten. Ihr beschlich ein leiser Verdacht. Seit Marias Tod waren ihre Kräfte außer Kontrolle geraten und sie vollbrachte Dinge, die sie nie bewusst wahrnahm. Und nie gewollt hatte. Sie dachte an das, was seit ihrer Ankunft passiert war. Das Erdbeben gehörte nicht zu ihren Fähigkeiten, denn dieses war von ihrer Mutter. Plötzlich kam ihr die Aussage von Snape wieder in den Sinn, das war unmöglich. Denn unter welchen Umständen waren die in ihren Körper gelangt. Die Fähigkeiten ihrer Eltern steckten doch in einem Amulett. Wie von der Tarantel gestochen sprang Sina mit einem Satz aus dem Bett und rannte aus dem Zimmer, direkt ins Badezimmer. Und schloss die Tür hinter sich ab.
„Sina“ , schrie Draco ihr nach, doch sie hörte ihn nicht. Sie war allzu deutlich auf ihr vorhaben fokussiert, als das sie seine Rufe wahrnahm. Somit sprang er ebenfalls aus dem Bett und rannte ihr nach. Als er am Bad ankam, war es zu spät. Die Tür blieb für ihn verschlossen. Für ihn war es unmöglich, das Zimmer zu betreten, wenn sich ein weibliches Wesen in dem Raum aufhielt. Dafür sorgte ein Zauber.
Blaise, der durch den Krach hellhörig wurde, tauchte plötzlich neben den Blonden auf.
„Was zur Hölle ist hier los?“, schrie er fast. Er war nicht erfreut über die Situation, die sich vor seinen Augen abspielte. Draco, wie er wild gegen die Tür donnerte und immer wieder Sinas Namen rief. Dies ergab ein seltsames Bild ab.
„Es ist nichts schlimmes passiert. Was denkst du von mir? Ich weiß selbst nicht was mit ist. Von einer auf der Sekunde ist aufgesprungen und weggerannt“, der Blonde erkannte an der Stimme seines Freundes das dieser nicht sonderlich erfreut über den Anblick war.
„Ja aber irgendwas muss doch vorgefallen sein. So ohne weiteres haut sie nicht vor dir ab.“
„Blaise, glaube mir. Wir haben uns nur unterhalten.“
„Unterhalten?“, riss der Schwarzhaarige vor Erstaunen seine Augen auf. Er glaubte, sich verhört zu haben.
„Ja, sie hat mit mir geredet. Frag nicht wie ich es geschafft habe. Das klären wir später. Wichtiger wäre jetzt, dass sie aus dem Bad kommt.“
„Ich glaube nicht, dass sie so schnell da wieder rauskommt. Lass uns nach unten gehen und dann reden wir.“
Draco nickte und sie marschierten die Treppe hinab.