Da steht es. Schwarz auf Weiß. Mehr weiß als schwarz.
Erschaffe ein Meisterwerk...
Tik. Tok. Die Zeit läuft. Die Gedanken aber, die stehen still. Keine Worte fließen auf das virtuelle Papier. Papier ist geduldig. Es wartet. Starrt mich an. "Na los!", spornt es mich an. "Na los doch! Schreib etwas!"
Aber die Sätze weigern sich. Lassen sich nicht so aneinander reihen wie sonst.
"Manchmal passt's halt einfach nicht. Ist ja auch kein Weltuntergang. Die Zeiten der Schulaufsätze - Schreiben auf Kommando - liegen hinter mir. Gott sei Dank." Ich zucke die Schultern. Was solls?
Schon sieben Minuten nach 18 Uhr.
Und es sind doch ein paar Worte auf das Papier geflossen.
Nichtssagend, unbedeutend. Mein Finger schwebt über der Taste rechts oben. Ein nach links zeigender Pfeil. Rückgängig machen.
Rückwärtsgang.
Rückschritt.
Rückkehr.
Neuanfang.
Zurück auf Anfang.
Zurück auf Null.
Wieder ein leeres Papier anstarren.
Unmotiviert.
Uninspiriert.
"Nein, das sehe ich gar nicht ein! Führt mich nirgendwohin."
Einmal Geschriebenes löschen tut der Schreibseele weh. Aua!
Der Schreibblockade trotzen. Einfach weitermachen.
"Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.
Augen zu und durch.
Keep on writing!"
Entschlossen atme ich durch und hämmere auf die Tasten.
"Wenn du im Flow bist, kannst du den nichtssagenden Anfang ja wieder streichen. Überarbeiten geht immer. Ein leeres Blatt veröffentlichen - vergiss es!"
Wettervorhersage: Unbeständig. Örtlich Schauer und Gewitter. "Gedankenblitze, wo seid ihr?"
Auch der rote Faden in dieser Geschichte (?) erweist sich als unbeständig. Ein wenig ausgefranst. Viele 'loose ends'.
Trotzdem webe ich entschlossen an meinem Text weiter.
Kann man ihn überhaupt als Geschichte bezeichnen?
So ohne Protagonisten und Plot?
Wer sagt überhaupt, dass Geschichten selbiges haben müssen?
Wo steht das geschrieben?
Nicht in Stein gemeißelt jedenfalls. Nicht, dass ich wüsste. Und wenn, wozu sind Regeln da, wenn nicht, um sie kunstfertig zu brechen. Knickknack.
"Eben. Irgendein Inhalt werden die Worte schon haben, die ich hier in die Tasten klopfe. Irgendwas werden die Leser schon vermögen, hinein zu interpretieren. Vielleicht nicht genau das, was ich im Kopf hatte, aber irgendetwas wird schon dabei herauskommen."
18:15 Uhr
Zwar noch keine Gedankenblitze, aber immerhin eine Art Flow.
Kein leeres Papier mehr, das mir entgegenschreit: "Füll mich mit IN-Halt! Erzähl meine Geschichte!"
- "Bitte, kannst du haben. Ich habe nie behauptet, dass es eine gute werden wird. Oder eine besonders spannende."
Wortweberin. Worte weben. Worte. Ergeben. Sinn.
Oder UNsinn.
Sinn-los. Sinn-VOLL.
Na toll! (Ich kann deine verdrehten Augen auf der anderen Seite der Leitung hinter dem Bildschirm beinahe sehen.)
Kurzer Break. Mal nachlesen, was bisher so auf dem Papier steht.
Der [neue] Plan: Einige losen Enden zu einem großen Ganzen verknüpfen.
TikTok.
Die Stimme des Lehrers: "Noch zwanzig Minuten bis... zum Abgabeschluss!"
Uff!
Jetzt aber loslegen. Irgendwas zusammenschustern, was noch irgendwie Sinn ergeben könnte. Wichtig sein könnte.
Einleitung. Hauptteil. Schluss.
So ein Stuss.
Regeln - wozu sind die gut?
Um die volle Punktzahl zu erhalten?
Sch**ß drauf - das Leben ist kein Ponyhof und volle Punktzahl bringt dich da auch keinen Schritt weiter.
Da ist mir die Einstellung von Picasso lieber: 'Learn the rules like a pro - so you can break them like an artist.'
"Will do!"
Schieß ich die Regeln in den Wind. Interessiert mich nicht!
Keine Lust auf Raster oder Regeln, lieber ein wenig kreative Explosion.
Ein kleines Feuerwerk zünden - aus Wortfunken und Gedankenblitzen, aber...
... Blick aus dem Fenster: Weder das angekündigte Gewitter, noch die ersehnten Geistesblitze! Flaute...
"Und noch zehn Minuten bis .... (nicht Buffalo), sondern bis zum Abgabeschluss."
"Hast du den Schuss nicht gehört?"
"Den Warnschuss?"
18:30
Jetzt aber los. Jetzt gilt's - sonst wird das heute nichts mehr.
Kennt ihr das Gefühl, die Verbindung zum Anfang verloren zu haben? Euch in Gedanken verloren zu haben oder besser gesagt in Worten?
Schnell zurück, noch einmal nachlesen. Den roten Faden finden, die Schlinge, die uns durch dieses Textlabyrinth führt. Dem Ende entgegen.
Hilfe!?
Rettung naht!
Halte aus, halte durch!
Da steht es: Schwarz auf Weiß. Inzwischen um die 800 schwarze Wörter auf weißem Hintergrund.
Die Aufforderung: Erschaffe ein Meisterwerk...
die Leinwand ist immerhin nicht mehr leer.
Der Wille war da. Ich habe es versucht. Ehrlich und ernsthaft.
Das Ergebnis - nun ja, mangelhaft.
Setzen sechs.
"Noch sechs Minuten bis Abgabeschluss!"
Tik. Tok. Die Zeit läuft.
Verzweifeltes Kauen auf Fingernägeln und Bleistift.
Emsiges Kritzeln auf Papier. Gesenkte Köpfe. Schwitzende Schüler.
Blick aus dem Fenster. Träumend.
Da durchbricht ein Rumpeln die Stille. (Nein in der letzten Reihe ist keiner vom Stuhl gefallen.)
Endlich ist das lang ersehnte Wunder eingetreten: Die Blitze tanzen, durchzucken meine angespannten Synapsen: Rettung in letzter Sekunde!
Es war einmal eine kleine unbedeutende Schülerin, die nicht wusste, was sie schreiben sollte, bis es ihr sprichwörtlich in allerletzter Sekunde einfiel.
Schreib einfach das auf, was dir durch den Kopf geht.
Lass die Worte auf das Papier fließen.
Buchstabe für Buchstabe. Wort für Wort. Satz für Satz.
Erschaffe etwas Neues. Webe die Sätze zu einem Sinn.
Denk nicht großartig darüber nach. Tu's einfach!
Lass dich fallen. Spring!
Freier Flug!
Feel it!
Beim Schreiben ist es wie im echten Leben:
Der Weg ist das Ziel.
Am Anfang weißt du nicht, wo du am Ende sein wirst.
Aber Hauptsache du bist dann kein unbeschriebenes Blatt Papier mehr!