~ * ~ ~ * ~
Freiheitsdrang
~ * ~ ~ * ~
Was bisher geschah:
In ganzen Reich der Fantasy war ein Aufruf ergangen, dass sich alle Fabelwesen und Fantasyfiguren auf dem Platz der Freien Gedanken einfinden mögen, um sich als Hauptfigur für den neuen Fantasy-Roman zu bewerben. Die Autorin rief zu einem Wettstreit auf, denn nur die Mutigsten, Klügsten und Tapfersten konnten eine Rolle ergattern. Schließlich sollte ihr neuestes Werk auch von Erfolg gekrönt sein und nicht von Vorneherein, auf Grund von zu schwächlichem Personal, zum Scheitern verurteilt.
Soweit, so gut.
Mit einem Donnergrollen begann nun also die Reise der Helden.
Zwerg/e*innen, Orks*innen, Elfen*innen, männliche und weibliche Drachen, sowie Krieger*innen und Prinz*essinn/en gleichermaßen und alles, was sonst noch so im Fantasy-Land kreucht und fleucht, hatte sich versammelt, um einträchtig den Worten der Autorin zu lauschen, die gerade in diesem Augenblick ihre Stimme erhob.
"Eure erste Aufgabe lautet nun also wie folgt: Bringt mir ein Blatt des Baumes der Erkenntnis."
Gemurmel brandete auf. Ungläubige Blicke richteten sich auf die unscheinbare Frau, die in Mitten all der hübsch gemachten und bis an die Zähne bewaffnete Orks*, Elfen*, Zwerge* und Krieger* und - *innen, ziemlich blass und bedeutungslos aussah.
Ein grobschlächtiger Orkkrieger mit abgebissenem Ohr hob seine Streitaxt und deutete auf eines der bunt schillernden Drachenweibchen. "Das ist unfair. Die Drachen und die geflügelten Einhörner können einfach auf den Berg hinauf fliegen."
"Wohl wahr", entgegnete die Autorin. "Aber seid unbesorgt. Die Zeit, die ihr für die Erfüllung der Aufgabe benötigt, spielt keine Rolle und es wird der Aufgaben drei Stück geben. Und erst wenn jeder von euch wieder hier versammelt ist, erfolgreich oder nicht, wird es die nächste Aufgabe geben." Für einen Moment stutzte sie und kratzte sich am Kinn. Vermutlich um darüber nachzudenken, ob das letzte Versprechen so klug gewesen war. Sie räusperte sich. "Naja oder sagen wir besser, spätestens beim nächsten Vollmond. Opfer kann es ja schließlich immer geben und ich will mein Wort nicht gleich schon zu Beginn brechen müssen."
Das schien den Ork und andere, die ihm kräftig beigepflichtet hatten, etwas zu beruhigen. Er brummte etwas, das in dem überall aufbrandenden Lärm und Gerede nicht mehr zu verstehen war, setzte sich aber gleich darauf mit einer Gruppe Orkkrieger in Bewegung.
Die Drachen breiteten ihre Flügel aus. Ein Windstoß glitt über die Menge. Auch die Einhörner schwangen sich auf und gleiteten elegant in den Himmel. Pixies, Feuervögel, Harpyen, Phönixe, Greife folgten und eine Gruppe von Hexen bestieg ihre Besen. Es herrschte ein großes Durcheinander und manch einer konnte einen Zusammenstoß nur knapp vermeiden. Bald schon sah man die geflügelten und flugfähigen Wesen in der Ferne entschwinden.
Mit lautem Gebrüll schwangen sich nun auch die Angehörigen der Wilden Jagd in die Höhe, während das Fußvolk lärmend und schwatzend davoneilte, um sich an den steilen Aufstieg zum Berg der unerfüllten Sehnsüchte zu machen, auf dessen Spitze der Baum der Erkenntnis wuchs. Ganz am Ende stapfte ein Yeti und hinterließ tiefe Fußabdrücke im Boden.
Dann kehrte Stille ein auf dem Platz der Freien Gedanken. Die Autorin schnaufte durch. "Endlich Ruhe", dachte sie. "Da versteht man ja seine eigenen Gedanken nicht mehr vor lauter Gedränge und Gemecker. Wie soll man sich da nur entscheiden, wer jetzt eine Rolle in der Geschichte bekommen soll?"
Und dann beschloss sie, die Gelegenheit zu nutzen, um ein paar Skizzen anzufertigen. Schließlich musste so ein Roman ja auch geplant werden. "Wenigstens in Grundzügen", murmelte sie und kaute gedankenverloren auf ihrem Bleistift. Es dauerte nicht lange, da ergossen sich die Gedanken gerade zu in einem nicht enden wollenden Strom zu Papier.
Und plötzlich konnte man einen Aufschrei vernehmen, also zumindest der Flaschengeist, der sich nicht aus seiner Flasche befreien konnte, die immer noch auf dem Boden herumlag und wie durch ein Wunder nicht zertrampelt worden war und der bemitleidenswerte Werwolf, der etwas vom Sand des Sandmanns in die Augen bekommen hatte und leise vor sich hin schnarchte, hätten ihn hören können, wenn - ja, wenn ihnen das Schicksal nicht schon gleich zu Beginn einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte.
Es war ein Aufschrei des Triumphes, denn gerade hatte ein Geistesblitz die Autorin getroffen und unzählige Gedanken bahnten sich gleichzeitig ihren Weg in die Freiheit. Sie wusste gar nicht, welchen davon sie zuerst aufs Papier bannen sollte, der Bleistift flog über die Zeilen und die Worte flossen nur so dahin. Gedanke um Gedanke, Idee um Idee wurde geboren und in Wort und Satz zum Leben erweckt, ehe die Rückkehr der ersten Kandidaten den Freiheitsdrang ihrer Fantasie unterbrechen konnte:
Mit einem Donnergrollen begann nun also die Reise der Helden... schrieb sie und versammelte Zwerg/e*innen, Orks*innen, Elfen*innen, männliche und weibliche Drachen, sowie Krieger*innen und Prinz*essinn/en gleichermaßen und alles, was sonst noch so im Fantasy-Land kreucht und fleucht, um sich, um sie zu einem Wettstreit nie dagewesener Dimensionen zu entsenden und so weiter und so fort... und wenn sie nicht gestorben sind... dann... und dann... bis schließlich...
Fortsetzung folgt.