capítulo 13
buenas noticias
Der heutige Tag beginnt einerseits unangenehm, anderseits angenehm. Calum schnappt die Kinder gleich nach dem Frühstück, um mit ihnen zum Spielplatz zu gehen. Ich bin also alleine. So viel zum angenehmen Teil dieses Morgens.
Nachdem Calum gestern nicht auf mich gehört hat und beschlossen hat, dass harter Sex eine gute Idee ist, schmerzt mein Rücken wieder ein wenig mehr. Harvey meinte, ich soll mich ein wenig bewegen, Dehnübungen machen und mich strecken, außerdem hat Calum mich gleich nach meiner morgendlichen Dusche massiert und mir den Rücken eingecremt. Zu weiteren Yogaübungen wurde ich natürlich auch noch verdonnert. Hoffentlich hat das alles bald ein Ende. Ich will lieber wieder joggen gehen und ein paar Situps machen, anstatt mich zu verrenken.
Auch der Entzug macht mir immer noch ein wenig zu schaffen. Wie ein Irrer stehe ich vor unserem Schrank, indem wir eigentlich den Alkohol aufbewahren. Eigentlich.
Calum hat alles weggeschafft. Vielleicht hat er den Alkohol weggeschüttet, vielleicht hat er ihn auch nur versteckt. Fest steht jedenfalls, dass der Schrank leer ist und ich nüchtern davor stehe.
Und nachdem alle guten, in meinem Fall eher schlechten Dinge drei sind, zieht Calums gestrige Wiederholung meiner Körperenthaarung zusätzliche Schmerzen mit sich. Es gibt Körperstellen, die man nicht mit Wachs enthaaren sollte… Meine Achseln gehören definitiv dazu. Sie sind so rot, dass ich sie als Ampeln vermieten könnte. Durch das Schwitzen wird es auch nicht besser…
Alles in allem ist der heutige Tag bereits jetzt zum Scheitern verurteilt. Im Moment hasse ich mein Leben…
Ich verlasse das Haus und folge Harveys Anweisungen. Unmotiviert gehe ich im Schatten auf und ab, außerdem dehne und strecke ich mich. Meine müden Knochen knacken, wie sie es bei meiner morgendlichen Yoga-Tortur getan haben. Gut, dass Calum das nicht hört, er würde mich sofort mit anderen Augen sehen und realisieren, dass ich schon ungefähr 100 bin…
Geschlagen setze ich mich unter einen Baum. Die Depression, die mit dem Entzug einhergeht, trifft mich mit voller Wucht.
Immer wieder halte ich mir gedanklich vor Augen, dass es in den nächsten Tagen besser wird, doch das ist im Moment kein besonders großer Trost für mich.
Ich beschließe, mich nicht von den trüben Gedanken und den schweren Gefühlen leiten zu lassen. Anstatt mich im Selbstmitleid zu suhlen, mache ich mir Kaffee und drehe mir eine Zigarette. Auch wenn Calum möchte, dass ich den Konsum einschränke, brauche ich jetzt wieder etwas Gras, um die Schmerzen und meine Übelkeit zu dämpfen. Obwohl ich die Stille eigentlich gut finde, schalte ich trotzdem Musik an. Mit ein wenig Glück kann mein Verstand abschalten und den Texten folgen.
Mit einem metallischen Klicken öffnet sich das Feuerzeug in meiner Hand. Ich entzünde meine Zigarette, ziehe den Rauch gleich ein. Ich lasse mich zurück in meinen Stuhl sinken, nehme die Zigarette zwischen meine Finger. Immer wieder öffne und schließe ich mein Feuerzeug, das Klicken ertönt arrhythmisch zur Musik.
Ich höre erst damit auf, als mein Smartphone sich durch Vibrationen meldet. Das Feuerzeug lege ich auf den Tisch, um meine Hand für mein Smartphone frei zu haben.
Ungläubig blinzle ich einige Male, da ich nicht ganz glauben kann, was ich lese. Die Meldung führt mich zu einer erstellten Gruppe einer Nachrichten App. Ich hasse Gruppenchats.
Sebastian: ‚Kurze Info vorab: Bitte antwortet nicht in dieser Gruppe, sie ist nur dazu da, um euch eine schnelle Info zu übermitteln. Eure Nachrichten haben mich vorhin richtig erschlagen, deswegen wollte ich hier gleich allen erklären, was passiert ist.‘
Sebastian: ‚Also: Hey meine Lieben! Ich möchte mich bei euch allen für das verrückte Chaos in den letzten Tagen entschuldigen. Ich mache das hier gleich auf einmal, damit ich mich nicht jedem einzelnen erklären muss. Mein Verschwinden ist ein riesen Missverständnis! Ich würde meine Familie NIEMALS im Stich lassen und schon gar nicht meine kleinen Babys. Ich liebe Damian und Aiden über alles und auch wenn es mit Max durch den Abstand ein wenig kriselt, würde ich ihn niemals verlassen.‘
Sebastian: ‚Die Geschichte ist die: Das Ladekabel meines Smartphones hat einen Wackelkontakt und ich bin noch nicht dazu gekommen, ein neues zu kaufen. Dadurch war mein Smartphone so gut wie leer, als ich meinem Dad geschrieben habe, dass ich mir spontan ein paar Tage lang die Gegend ansehen und die Natur genießen möchte. Das Ding ist nur, dass hier am Land überall Funklöcher sind, meine Nachricht ging also nicht raus, mein Smartphone ist gestorben und ich hab gar nicht mitgekommen, dass ich gesucht wurde und ihr euch alle Sorgen um mich macht.‘
Sebastian: ‚Heute wurde ich von der Polizei aufgehalten und mir wurde von einer freundlichen Polizistin erklärt, dass ich als vermisst gemeldet wurde. Es tut mir leid, dass ich euch allen so viele Sorgen bereitet habe. Ich war so im Stress, dass ich diesen kleinen Roadtrip und das wortwörtliche Abschalten gebraucht habe. Mein Leben wird so sehr von Social Media und der perfekten Fassade bestimmt, dass ich vergessen habe, mich um die Realität zu kümmern. Und die Realität sieht so aus: Ich bin überfordert damit, mich alleine um meine Kinder zu kümmern. Ich hatte vorhin ein langes Gespräch mit meinem Dad und er hat mir seine Unterstützung zugesichert, solange Max auf Tour ist. Ich bin also in guten Händen und es ist alles okay!‘
Sebastian: ‚Noch einmal: Es tut mir unendlich leid, ich wollte niemandem von euch Sorgen bereiten. Ich möchte euch noch bitten, mich nicht gleich mit Nachrichten und Anrufen zu überhäufen. Ich werde heute Mittag noch nett essen gehen und dann heute Nachmittag in Pelican Town eintrudeln, um wieder bei meiner Familie zu sein.‘
Sebastian: ‚Danke übrigens für eure verständnisvollen und netten Worte in den Nachrichten. Ich hab noch nicht alle durch, aber ich werde versuchen, sie bei einem leckeren Eisbecher aufzuholen. Ich hab euch lieb, fühlt euch ganz fest gedrückt!‘
- Sebastian hat die Gruppe verlassen. -
Schlauer Zug, gleich zu gehen. Auch ich verlasse die Gruppe sofort wieder, da ich schon sehe, dass die ersten Idioten etwas scheiben, obwohl Sebastian ausdrücklich darum gebeten hat, es nicht zu tun.
Erleichtert, da Sebastian endlich ein Lebenszeichen von sich gegeben hat, atme ich durch. Ich lege das Smartphone wieder weg und lasse mich in die gut gepolsterte Rückenlehne sinken.
Ich lasse mir das alles durch den Kopf gehen. Die vielen Umstände, die hier zusammengetroffen sind, sind doch wirklich zum Schießen.
Wie kann es sein, dass Sebastian der Polizei so lange fast schon entkommen konnte, obwohl er tagelang gesucht wurde? Er hatte nicht einmal die Absicht, zu verschwinden.
Sebastian muss ein Meister der Verkleidung sein. Wer weiß? Vielleicht hat er sich ja auch eine Rolle ausgedacht und ein wenig geschauspielert, um abzuschalten, immerhin hat er in dem Hotel ja auch nicht unter seinem Namen eingecheckt.
Der Tag, der so deprimierend angefangen hat, nimmt eine gute Wendung. Sebastian kommt wieder nach Hause. Er kommt zu seinen Babys zurück und auch seine Eltern und Max können endlich wieder durchatmen und besser schlafen.
Ich lindere das Brennen unter meinen durch heißen Wachs gequälten Achseln mit zwei Coolpacks, die ich in dünne Tücher wickle. Gut, dass ich allein bin, ich sehe bestimmt aus wie ein Idiot. Schon wenige Sekunden später kann ich mir das ‚Alleinsein‘ abschminken. Aus der Ferne erblicke ich Emilys blauen Haarschopf. Sie kommt gerade aus dem Wald zu mir auf die Farm. Interessiert sieht sie sich ‚die Fortschritte‘ des Kaninchenstalls an. Das abgesperrte Loch, das dafür sorgen wird, dass die Kaninchen auch Strom und Wasser haben werden, interessiert sie ebenfalls. Fröhlich winkt sie mir, als sie mich erblickt. Ich kann meinen Arm durch die Coolpacks kaum heben, winke also ein wenig umständlich.
Emily tritt zu mir auf die Veranda. „Hey Trevor. Hast du ein paar Minuten Zeit für mich?“
„Sicher. Setz dich.“
„Danke.“
Emily stellt einen Korb auf den Boden. Ich erkenne den Korb sofort, genau wie letztes Mal beherbergt er auch heute ein paar Kräuter und einige Blumen.
„Kann ich dir etwas bringen?“, erkundige ich mich.
„Ein Glas Wasser wäre nett, danke Trevor.“
Ich stehe auf und hole meiner Freundin etwas zu trinken. Die Coolpacks lasse ich gleich in der Küche liegen. Wenn Calum mich das nächste Mal enthaaren möchte, reiche ich einfach die Scheidung ein. Das ist weniger schmerzhaft!
„Was hast du denn mit deinen Achseln angestellt?“, fragt Emily neugierig, als ich mich wieder zu ihr setze.
„Du bist doch die Hellseherin, sag du es mir“, ziehe ich sie auf.
„So funktioniert das nicht“, antwortet sie mir schmunzelnd.
„Calum hat mich enthaart. Vielleicht dachte er, dass ich mich dann auf diese Schmerzen konzentriere und der Entzug dann kaum noch auffällt. Was weiß ich… Ich hasse es auf jeden Fall, dass er mir das immer wieder aufzwingt.“
„Sag ihm doch, dass dir das nicht gefällt.“
„Bringt nichts“, meine ich. „Calum ist sehr hartnäckig, was Körperpflege betrifft. Er sagt, dass er das Beste aus mir rausholen möchte, als wäre ich ein dressierter Hund, den er bei einer Hundeshow vorführt.“
„Er meint das nicht böse, da bin ich mir sicher. Calum findet dich attraktiv und er liebt dich. Er ist ein gepflegter Mann und er möchte wohl, dass auch du dich mehr um dein Aussehen kümmerst.“
„Das verstehe ich ja auch“, antworte ich ein wenig defensiv. „Aber muss es auf diese Weise sein? Und vor allem jetzt, wo es mir so schlecht geht? Kein Mensch sieht mich…“
„Na das zeigt doch, dass er dich nicht vorführt, sondern dass er das für sich und für dich macht.“
„Es nervt trotzdem… Calum sollte mich auch lieben, wenn ich behaart bin wie ein Affe.“
Emily lacht ein wenig. „Sieh es von dieser Seite: Je attraktiver Calum dich findet, desto mehr Zeit will er mit dir im Schlafzimmer verbringen.“ Sie zwinkert mir zu. Das ist eine Sprache, die ich verstehe.
„Stimmt auch wieder… Ich bin aber sicher, dass du nicht mit mir über Körperbehaarung reden möchtest. Gibt’s irgendwas Neues?“
„Wahrscheinlich weißt du es schon, aber Sebastian kommt heute wieder zurück. Ich dachte, ich komme dich besuchen und sehe mal nach dir. Danach wollte ich zu Dan und ihm die Kräutermischung für Aiden bringen. Sebastian braucht das Erfolgserlebnis, dass es Aiden bald besser gehen wird.“
Ich nicke. „Wieso hast du ihm die Kräuter noch nicht eher gebracht?“
„Sebastian muss Aiden den Tee geben“, antwortet sie.
„Und… aus welchem Grund? Hat das was mit seiner Aura oder anderem esoterischen Dingen zu tun?“, hake ich interessiert nach. So albern es klingt, es interessiert mich wirklich.
„Es ist wichtig für die zwischenmenschliche Beziehung der beiden. Durch dieses ständige Spucken ist die Stimmung zwischen Sebastian und Aiden angespannt. Es steht natürlich außer Frage, dass Sebastian seinen Sohn mit all seinen Makeln liebt, dennoch belastet es ihn sehr, dass er Aiden nicht helfen kann. Wenn er derjenige ist, der es schafft, dass es der kleinen Sonne besser geht, dann ist das gut für sein Selbstbewusstsein und auch die Bindung zwischen Aiden und ihm wird sich bessern und stärken.“ Ich höre aufmerksam zu, nicke ein wenig. Meine ausgegangene Zigarette nehme ich aus dem Aschenbecher und zünde sie wieder an. „Aidens Potenzial ist aktuell durch das starke Unwohlsein getrübt. Sobald er sich wohler fühlt, wird er einen kleinen Entwicklungsschub machen. Vielleicht fängt er schon bald an zu laufen.“
„Naja, sollte Zeit werden. Sie werden bald ein Jahr und weder Damian, noch Aiden haben ein paar Schritte gemacht.“
„Es wird besser“, versichert Emily mir. Sie sieht sich ein wenig um. „Wie sieht’s bei dir aus? Wie geht es deinen Mädchen?“
„Es geht“, antworte ich wage. „Cassie denkt, dass Lucía ‚komisch‘ ist. Lucía hat sich jetzt… ähm… imaginäre Freunde ausgedacht. Das soll ja normal sein, aber wenn sie mit ihren imaginären Freunden redet, dann hört Cassie das in ihrem Zimmer und findet das unheimlich.“ Ich ziehe an meiner Zigarette. „Ich hab schon mit beiden Mädchen geredet, ich weiß aber noch nicht, ob das Thema schon vom Tisch ist. Das sieht man immer erst langfristig.“
„Imaginäre Freunde… Hm…“, antwortet Emily.
„Sie hat für mich ein Bild von ihnen gezeichnet. Willst du es sehen?“, frage ich mit einem leichten Lächeln.
„Liebend gerne.“
Auch Emily lächelt, sie nimmt im Anschluss einen Schluck Wasser. Nach einem weiteren Zug drücke ich meine Zigarette aus. Ich puste den Rauch aus, als ich aufstehe.
„Ich bin gleich wieder zurück.“
Ich hole die Zeichnung aus dem Schlafzimmer. Wie so oft hat Lucía sie mir geschenkt. Demnächst werde ich sie zu ihren anderen Meisterwerken in meine Mappe ordnen, doch darauf hatte ich noch keine große Lust.
Als ich mich wieder setze, reiche ich Emily die Zeichnung. Interessiert nimmt sie den A4 Zettel entgegen. Ihre Augen weiten sich, doch dann wird ihre Überraschung zu einem strahlenden Lächeln.
„Lucía ist talentiert.“
„Mhm… Zeichnen kann sie am besten. Dafür muss sie mit niemandem sprechen. Als ich sie das erste Mal im Waisenhaus gesehen habe, hat sie auch gezeichnet. Ich hab mich sofort verliebt. … also auf eine brave, väterliche Weise, nicht dieses Sugardaddy-Ding…“
Emily kichert. „Ich weiß schon, was du meinst, keine Sorge.“ Ihre Augen begutachten immer noch die Zeichnung.
„Die Dinger sehen irgendwie aus wie fröhliche, bunte, kleine Äpfel mit Gesichtern. Ich schätze, wenn ihre imaginären Freunde eher dämonenartiger oder blutverschmiert wären, hätte ich Bedenken gehabt, aber das scheint harmlos zu sein, oder?“
Meine Freundin nickt. „Ich würde ihr deswegen keinesfalls ein schlechtes Gewissen machen. Du meintest, dass sie noch ein paar Probleme damit hat, den Mut zu finden, sich auszudrücken… Wenn sie mit ihren Freunden das Sprechen übt, dann wird das bestimmt schnell besser. Sobald sie den Mut zum Sprechen hat, versteht sie sich auch besser mit ihrer Schwester. Das Thema wird sich bestimmt bald von alleine lösen.“
Ich nicke. „Das hoffe ich. Wie war das bei Haley und dir?“
Emily legt die Zeichnung zur Seite. „Als Kinder haben wir uns immer gut verstanden, als wir dann älter wurden, gab es einige Streits, aber auch das hat sich irgendwann wieder gebessert. Ich schätze, dass es geholfen hat, dass wir uns dann kein Zimmer mehr teilen mussten. Egal wie lieb man seine Familie hat, ein wenig Freiraum ist wichtig für die geistige Gesundheit.“
„Das sehe ich auch so. Die Mädchen haben jetzt auch ihre eigenen Zimmer. Sie sind zwar noch nicht ganz fertig, aber wir haben ja keinen Stress. Den Großteil wird ohnehin Calum übernehmen, damit ich Zeit habe, mit meinen Problemen klar zu kommen.“
Emily lächelt mich an. „Dir wird es bald besser gehen, Trevor und wenn du die Finger vom Alkohol lässt, wird es sogar noch besser. Ich weiß, dass dir dein Tequila fehlt, immerhin hat er einen großen Teil deines Alltags bestimmt, aber du bist stur und stark, du kommst darüber hinweg.“
Ich lehne mich zurück und sehe an die Decke der überdachten Veranda. Na ich weiß nicht, ob ich das durchhalten kann oder überhaupt möchte… Wahrscheinlich wird es dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe, nicht mehr zu trinken. Die Frage ist nur, was ich mit meiner Freizeit sonst anfangen soll. Ich hab es mir immer schon gerne gemütlich gemacht, geraucht und getrunken, mich einfach entspannt…
Wieso mir das alle um mich herum wegnehmen wollen, verstehe ich nicht. Meine Gesundheit… klar, nette Ausrede…
Mein abuelo ist fast 100 geworden und er hatte einen ähnlichen Lebenswandel… Ich habe seine Gene, es könnte sein, dass ich es sogar schaffe, die 100 Jahre zu erreichen.
Nur wenn sich das so anfühlt wie heute Morgen, habe ich da echt keine Lust drauf.
…
Emily macht sich nach einer Weile wieder auf den Weg und ich kümmere mich um das etwas verspätete Mittagessen. Ich bin nicht unbedingt in der Stimmung mich mit Calum oder den Kindern zu unterhalten, mir geht es nicht besonders gut im Moment.
Mein marido schmiegt sich an mich, was mich genervt aufseufzen lässt. „Was ist los?“, fragt er nach.
„Geh mir jetzt nicht auf die Eier, siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?“
„Ja, okay, schon gut… Tschuldige…“ Calum nimmt etwas Abstand. Im Augenwinkel sehe ich, dass er mich ausgiebig mustert.
Ich werfe ihm einen genervten Blick zu. „Hör auf damit.“
„Womit denn? Ich sehe dich doch nur an.“
„Lass es einfach, okay? Ich hab nicht getrunken und mir auch keine spaßigen Medikamente oder Drogen reingezogen, ich bin einfach angepisst, also hör auf mich mit deinen Blicken zu analysieren, als wäre ich ein Fall für die Psychiatrie.“
„Ich hab doch nur…“
„Halt einfach die Klappe und verschwinde…“
Ich widme mich wieder der Pfanne vor mir.
„Lass deinen Frust ruhig an mir aus… Ist ja nicht so, als hätte ich auch Gefühle oder so…“
„Spiel jetzt nicht das Opfer, okay? Ich bin nur deinetwegen so mies gelaunt“, schnauze ich Calum an.
„Meinetwegen?“
„Wer zwingt mich dazu, durch einen verdammten Entzug zu gehen? Ich mache es garantiert nicht freiwillig, sondern um es dir mal wieder recht zu machen. So wie ich es dir immer recht mache. Du änderst nicht nur mein Aussehen zu deinem Belieben, nein, jetzt änderst du auch noch meine Persönlichkeit. Was kommt als nächstes? Operationen, damit ich endlich deinem Bild entspreche?“
„Ich… wow…“ Mein marido schüttelt den Kopf. „Weil ich mich um deine Gesundheit sorge bin ich das Arschloch? Okay, verstehe. Außerdem reagierst du über. Ich habe dir Brust und Rücken gewachst, nicht dein Gesicht per Operation geändert, übertreib nicht.“
„Für dich sind das vielleicht alles Kleinigkeiten, aber wenn sich das alles häuft sagt es doch nur eines und zwar, dass du mich nicht so liebst wie ich bin, sondern mich so liebst, wie du dir mich vorstellst.“
Calum blinzelt mich an. „Ich schieb das jetzt mal auf deinen Entzug…“
„Schieb es dir dahin, wo du möchtest.“ Wütend schiebe ich die Pfanne von der heißen Herdplatte. „Und koch selbst, du kannst mich mal.“
„Oh-kay…? Trevor… Lass uns bitte reden.“
Ich greife nach einigen Sachen, darunter auch mein Smartphone und meine Metallbox, außerdem schnappe ich mir noch meine Jacke. Im Schlafzimmer ziehe ich mir noch Socken über.
„Was machst du? Gehst du weg?“, fragt Calum, als er zu mir ins Schlafzimmer sieht.
„Kann dir doch egal sein.“
„Ist es aber nicht. Trevor, was machst du?“
„Ich bin ein erwachsener Mann, ich bin dir keine Rechenschaft schuldig. Ich muss mich nicht wie ein kleines Kind bei dir abmelden“, schnauze ich ihn weiter an.
„Ich will nur wissen, wo ich deinen bewusstlosen, besoffenen Arsch aufgabeln soll“, antwortet Calum schnippisch.
„Du kannst mich mal und zwar nicht auf die befriedigende Weise.“
Nachdem ich in meine Schuhe geschlüpft bin, verschwinde ich auch schon. Mein erster Plan war es, den Wagen zu nehmen, doch ich ändere meine Meinung und mache einen Spaziergang. Schnellen Schrittes mache ich mich auf in den Cindersap Forest, um etwas Dampf abzulassen und eben diesen Dampf durch frische Luft zu ersetzen.
Ich gehe den Waldweg entlang. Es ist so verdammt ruhig. Ab und zu zwitschert allerdings ein Vogel, um die Stille zu füllen. Wenige Meter vor mir läuft ein Eichhörnchen über den Weg. Mit meinen Augen verfolge ich seine Bewegungen. Das Eichhörnchen steht auf seinen Hinterbeinen und hebt seinen Kopf, sieht aus als würde es sich umsehen. Eilig springt es wieder auf und macht sich weiter auf den Weg. Ich sehe ihm solange nach, bis es auf einen Baum klettert und zwischen den Blättern verschwindet.
Frustriert gehe ich weiter. Ich spaziere bis zu dem Fluss, wo ich stehen bleibe.
Calum meint es nur gut, aber ich kann nicht mehr…
Ich will mich nicht mehr ändern. Ich hab schon so viel geändert.
Für ihn verzichte ich auf das, was mir immer am meisten Spaß gemacht hat. Ich verzichte auf harte Drogen, ich verzichte auf Gelegenheitssex… und jetzt auch noch auf Alkohol?
Meine Karriere? Ich erinnere mich nicht einmal mehr, ob ich wegen ihm ausgestiegen bin oder ob ich mich selbst in den Wahnsinn getrieben habe. Ich weiß nicht mehr wer ich bin.
Kaum etwas von meiner Persönlichkeit ist mir geblieben.
„Trevor? Was machst du denn hier?“, höre ich eine Stimme, die ich nicht gleich zuordnen kann. Erst als ich mich umdrehe und die Blondine erblicke, erinnere ich mich richtig.
„Haley…“ Ich mustere sie genau. Sie trägt einen kurzen Rock und ein luftiges Top, durch das ihre weiße Unterwäsche blitzt. „Die Frage ist eher, was du hier machst.“
Sie lächelt, als sie auf mich zukommt. In ihrer Hand hält sie eine Kamera. „Ach, ich hab aktuell keine Aufträge, also dachte ich, dass ich meine Schwester besuche.“
„Hm… Verstehe.“
„Was treibt dich hier her?“, fragt sie neugierig.
„Ich wohne wieder auf der Farm. Mit den Mädchen und Calum…“
„Oh, wie kommt’s?“, hakt sie weiter nach.
Haley setzt sich ins Gras, ich tue es ihr gleich. Wir blicken Richtung Fluss.
„Zu viele Paparazzi haben nach Skandalen gesucht und ich bin es leid mich zu verstecken und wegzulaufen.“
„Ja, davon hab ich ab und zu mal was gehört. Wie geht es dir? So mit Ehe und Kindern? Ich hab dich nie wirklich als Daddy gesehen.“
„Ich mich ehrlich gesagt auch nicht. Wahrscheinlich bin ich nicht für eine Familie geeignet. Ich vermassle alles immer. Calum und ich hatten gerade einen Streit.“
„Willst du darüber reden?“
„No, eigentlich will ich trinken…“
Haley rutscht etwas näher zu mir. Sie lehnt sich an mich. „Juno und Cait brennen guten Schnaps. Wir könnten uns eine Flasche holen und ein wenig unser Wiedersehen feiern.“
„Ich bin auf Entzug.“
„Oh, entschuldige, das wusste ich nicht.“
Es ist ewig her, dass ich eine Frau so nah an meiner Seite hatte und es fehlt mir sehr. Seit ich aus der Band ausgestiegen bin, hatte ich nur noch Sex mit Calum. Mir fehlen Brüste…
„Was machst du eigentlich hier im Wald?“, lenke ich das Thema eher in Haleys Richtung.
Sie setzt sich auf. „Ich hab ein paar Fotos geschossen. Ich hab ein Eichhörnchen erwischt, Blumen, Blüten, Blätter und sogar einen Vogel, der aus einem Astloch herausgeschaut hat. Willst du ein paar Bilder sehen? Vielleicht lenkt dich das ein wenig von deinem Frust ab.“
„Gerne.“
Haley schaltet ihre Kamera ein und rutscht wieder näher zu mir. Sie legt ihre Hand an meinem Oberschenkel ab, um die Kamera gut abstützen zu können.
Die blonde Schönheit zeigt mir die Landschaft, an der man im Normalfall vorbei fährt, ohne ihr viel Aufmerksamkeit zu schenken. Felder, Bäume, ein strahlender Himmel und einige Wolken. Sie zeigt mir Fotos von Vögeln, Eichhörnchen und bunten Blumen.
Haley kann sich nicht nur vor der Kamera sehen lassen, auch hinter der Kamera ist sie ein großes Talent. Fotografie ist wie auf sie zugeschnitten.
„Deine Fotos sind sehr gelungen“, spreche ich ein Kompliment aus. „Es sind die Art von Bildern, die man sich gerne in seine Wohnung hängt.“
„Danke, das ist nett.“
Haley macht die Kamera wieder aus, sie sieht mich mit ihren tiefblauen Augen an. Vor vielen Jahren hat es zwischen uns geknistert. Wir haben rumgemacht und ich hatte auch viel Spaß dabei, doch als wir Sex hatten, hat es nicht ganz funktioniert. Nachdem sie ihren Höhepunkt erreicht hatte, hat sie mich rausgeworfen…
Damals war ich wahnsinnig wütend auf sie, doch mittlerweile sehe ich das als Lektion. Ich habe meine Partner ab und zu auch nicht besser behandelt und es hat mir auf einer masochistischen Weise gut getan, diese Erfahrung selbst zu machen. Menschen lernen aus Schmerz am besten.
„Du hast dich in den letzten Jahren kaum verändert, Haley.“
„Ich würde das Kompliment zwar zurückgeben, aber du bist ziemlich gealtert“, antwortet sie schmunzelnd.
„Und trotzdem sehen deine hübschen Augen mich an, als wäre ich ein knackiger Bioapfel und du ein hungriger Veganer.“
Haley wendet ihren Blick von mir, sie sieht wieder auf den Fluss. „Und du siehst mich an, als könntest du es kaum erwarten, mich auszuziehen.“
„Ich muss dich nicht ausziehen“, gehe ich schelmisch darauf ein. „Deine Kleidung versteckt gerade so viel, dass ich genug deiner Reize sehe, aber noch Platz für ein wenig Kopfkino habe.“
Haley streicht sich die Haare auf ihre linke Schulter, sodass sie mir ihren bloßen Hals zeigt. Sie wirft mir einen verführerischen Blick zu, sieht dann allerdings wieder geradeaus.
Verstehe. Haley spielt mal wieder mit mir. Mein Kopf weiß, dass ich nicht darauf eingehen soll, aber meine Wut auf Calum und auch mein Verlangen nach einer Frau sind stärker und lauter als meine Vernunft.
„Versuchst du etwa mich zu verführen?“, frage ich grinsend nach.
Haley antwortet nicht, sie öffnet allerdings ein paar Knöpfe, sodass ich noch ein wenig mehr zu sehen habe.
„Wärst du denn für eine Verführung empfänglich?“
„Wer weiß? Du kannst es ja versuchen“, antworte ich wage. „Vielleicht sind deine Reize ja gar nicht so spannend, wie du denkst.“
„Tz… Ich muss dir nichts beweisen, ich weiß, dass ich gut aussehe.“
„Ich hab nie das Gegenteil behauptet.“
Haley legt ihre Hand an meinen Oberschenkel, ich lasse sie gewähren, als ihre Hand in meinen Schritt gleitet. „Hätte ich dir auch nicht abgekauft.“
Fuck.
Es tut zu gut, von ihr berührt zu werden.
Haley ist ein wenig neugierig, sie streicht über meinen Bauch und meinen Brustkorb.
„Du hast ein wenig Speck verloren.“
„Dieser Spruch turnt mich nicht so sehr an, wie du vielleicht denkst, Haley.“
„Das sollte er auch nicht.“ Forsch klettert sie auf meinen Schoß. Meine Augen fixieren ihre Lippen. „Sag, dass du mich willst.“
Haleys fordernde Art ist heiß, trotzdem werde ich nicht nach ihrer Pfeife tanzen. Wenn ich nach jemandes Pfeife tanzen möchte, hätte ich zuhause bleiben können. „Da hat es wohl jemand sehr nötig, ein wenig Action zu bekommen“, ziehe ich Haley ein wenig auf.
Haley schmunzelt. „Sagt derjenige, dessen bestes Stück bereits einsatzfähig ist.“
Ich lege meine Hände an Haleys Hüfte. Zu gerne würde ich mich gehen lassen und am liebsten sofort mit ihr schlafen, doch ich kann nicht. Genau genommen ist alles, was jetzt im Moment passiert schon zu viel.
Die Blondine reibt sich ein wenig an mir. Ihre Art mich zu verführen ist nicht besonders subtil, doch das ist mir egal. Haley ist eine Frau, die weiß, was sie will, also sollte sie es auch bekommen.
…nur nicht von mir.
Mit einer Hand drücke ich sie am Hintern gegen mein bestes Stück, die andere lege ich an ihren Hals, um sie zu meinen Lippen zu führen. Mit geschlossenen Augen küssen uns. Erst berühren sich unsere Lippen nur vorsichtig, doch dann setzt Haley ein wenig Zunge ein. Der Kuss wird leidenschaftlicher, doch ich löse ihn, bevor ich mich zu sehr darauf einlasse. Sie lehnt ihre Stirn gegen meine.
„Ich kann das nicht tun, Haley.“
„Ich weiß. Ich hätte dich gar nicht anfassen dürfen, aber es ist schon eine Weile her…“ Sie seufzt. „Ich dachte, dass du ein leichtes Ziel bist.“ Haley nimmt Abstand, doch sie bleibt trotzdem auf mir sitzen, so wie meine Hand an ihrem Hintern bleibt.
„Oh das bin ich“, antworte ich belustigt. „In meinem Kopf werfe ich dich bereits auf ein Bett.“
„Und in meinem Kopf darfst du alles mit mir anstellen, was du möchtest“, spricht Haley sanft.
„Es könnte sein, dass ich darauf zurückkomme…“
Ohne weitere Worte verabschiedet Haley sich mit einem kurzen Kuss. Sie steht auf und macht sich auf den Weg Richtung Stadt.
Ich bleibe noch ein paar Minuten sitzen, außerdem drehe ich mir eine Zigarette. So gut es sich auch angefühlt hat, so falsch war es auch. Ich bin verheiratet und unsere Abmachung, dass wir mit anderen schlafen dürfen, liegt mittlerweile Jahre zurück. Ich hätte Haley nicht küssen dürfen, doch ich bin so verdammt wütend auf Calum. Ich hasse den Gedanken, dass er mich so zurechtbiegt, wie er mich haben möchte.
Wieso hat Calum sich damals nicht scheiden lassen, nachdem ich von den Fern Islands zurückgekommen bin?
Ist es der Sex? … An meiner bezaubernden Persönlichkeit wird es ja wohl kaum liegen.
Nach meiner Zigarette mache ich noch einen langen Spaziergang. Aus meinem Gefühlschaos wird irgendwann nur noch ein leerer Kopf, indem ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann.
Ich wünschte, ich könnte mir ein paar Tabletten einwerfen und wieder um die 15 Stunden durchschlafen…
Als es dunkel und kalt wird, ziehe ich meine Jacke an und mache mich auf den Weg zurück nach Hause. Die Lichter im Haus sind bereits erloschen. Ich bin so leise wie möglich, als ich noch eine Dusche nehme und es mir im Anschluss auf der Couch im Wohnzimmer gemütlich mache. Ich schalte den Fernseher ein.
Natürlich sollte ich zu Calum ins Bett klettern, mich entschuldigen und ihm sagen, dass ich ihn liebe, doch das kann ich im Moment nicht. Ich bin zu wütend auf ihn und auf mich selbst und auf die gesamte Situation.
Wenn es nicht bald besser wird, muss ich meinem marido sagen, dass es zwischen uns nicht mehr funktioniert…
Fuck…
Dieser verdammte Entzug ruiniert mein gesamtes Leben!