capítulo 29
tiempo para pensar I
Calum wird mit den Mädchen einige Tage in Zuzu City verbringen. Das Timing ist perfekt, denn nach unserem letzten Streit und obwohl wir uns wieder vertragen haben, brauchen wir den Abstand zueinander.
Ich schätze, dass ich mir nun sicher bin, was mein Problem ist. Die Langeweile ist mein Problem, wiederholender, alltäglicher, langweiliger Trott ist mein Problem, das war es schon immer!
Früher habe ich mich durch Partys, wahllosen Sex, Drogen und Alkohol gegen die Langeweile zur Wehr gesetzt und durch die viele Abwechslung in meinen Leben war ich ausgeglichener. Ich war zwar high, aber ausgeglichen.
Ich brauche eine neue Waffe. Meine Kreativität ist aktuell sehr gedämpft, ich habe eine nicht zu durchdringende Blockade, die mich daran hindert, gewohnte Qualität abzuliefern. Für den Anfang muss ich mir eine andere Beschäftigung suchen. Alkohol und Drogen habe ich zu meinem Bedauern abgeschworen und Sex…
Ich sehe zu Richie, der gerade an einem Keks knabbert, während er ein Magazin liest.
…den kann ich im Moment vergessen, weil Calum mich sonst umlegt. Wenn wir wenigstens heute Morgen noch guten, ausdauernden Sex gehabt hätten, wäre mein Bedürfnis danach jetzt nicht so stark. Ich wäre nicht so aufgekratzt und unkonzentriert.
Richie hebt seinen Kopf und sieht mich an. „Ist irgendwas? Du siehst so nachdenklich aus“, fragt er mich.
„No se…“
„Oh, du vermisst Calum bestimmt schon…“
„Ein bisschen, aber ich habe eigentlich auch andere Dinge im Kopf, die mich ziemlich beschäftigen. Es ist nicht ganz so einfach.“
„Und welche Dinge beschäftigen dich?“ Richie legt das Magazin auf den Tisch. Ich erkenne, dass er einen Artikel über den Grampleton Carnival liest. Interessiert lehnt Richie sich nach vorne. „Erzähl mir was los ist, vielleicht kann ich dir helfen.“
Ich schmunzle bei dieser naiven Aussage. Wenn er wüsste, dass ich an Sex denke, würde er seine Hilfe wohl kaum anbieten oder vielleicht würde er sie mir erst recht anbieten. Wer weiß, ob er seine Biegsamkeit nicht auch im Bett für ausgefallene Spielchen nutzt. Das tut er bestimmt, er ist nicht so unschuldig und naiv, wie er aussieht. Er kann durchaus forsch und aufdringlich sein, wenn er möchte, damit habe ich ja bereits Erfahrungen gemacht, die ich aktuell gerne wiederholen würde. Ich könnte Richie in verschiedene, interessante Positionen bringen und…
Oh Yoba, Trevor, hör einfach auf zu denken.
Ich räuspere mich, bevor ich Richie antworte: „Das geht leider nicht, mein Kleiner.“
„Und wieso nicht?“
„Weil ich Lust auf Sex habe und deine Hilfestellung zwar sehr hilfreich, allerdings auch sehr unangemessen wäre.“
„Oh“, gibt Richie überrascht von sich. Er lehnt sich wieder zurück. „Das ist echt blöd für dich, weil Calum ja jetzt weg ist.“
„Mhm…“
Er greift wieder nach dem Magazin, nun hält er es so hoch, dass ich den Titel lesen kann. Es handelt sich um ein Reisemagazin. „Aber sonst geht’s dir gut?“, erkundigt er sich, als sein Blick sich wieder senkt.
„Schon.“
Ich stehe auf und strecke mich genüsslich. Mit dem Hormonüberschuss funktioniert mein Kopf nicht, so kann ich keinen klaren Gedanken fassen. Sobald ich etwas Druck abgebaut habe, fällt es mir leichter, wieder abzuschalten. Dann kann ich mir immer noch Gedanken darüber machen, wie ich mein Leben füllen möchte. Außerdem könnte ich Richie dann wieder ansehen, ohne mir seinen Hintern in einer Leggins vorzustellen.
„Brauchst du noch irgendetwas? Kekse? Kakao? Wasser?“, erkundige ich mich nach den Bedürfnissen von Richie, doch er winkt ab.
„Alles gut, danke. Lass dir Zeit und mach dir keine Sorgen, ich bin beschäftigt.“
Ich begebe mich ins Schlafzimmer und lasse mich auf das Bett sinken. Kurz überlege ich, die Fenster zu verdunkeln, aber im Prinzip ist es mir egal, falls mich jemand beobachten sollte. Wieso sollte ich alleine Spaß daran haben, mir einen runter zu holen?
Das bringt mich auf eine Idee…
Ich platziere mein Smartphone so, dass es auf das Bett gerichtet ist. Hoffentlich hält Calum sich an seine eigene Regel und drückt den Mädchen nicht sein Smartphone in die Hand, um sie damit zu beschäftigen, denn das Video, das ich ihm später schicken werde, sollte nicht von Kinderaugen betrachtet werden.
Ich ziehe mich aus und lege mich ins Bett. Ich beginne damit, mich anzufassen, dabei schließe ich meine Augen. Es fühlt sich gut an, doch nicht so gut, als würde Calum live dabei sein. Zu dumm, dass auch Richie mir nicht weiterhelfen darf. Er wäre mir ein großes Vergnügen, den Kleinen ins Bett zu werfen und…
„Hey Baby. Falls du noch Bedenken haben solltest, dass ich meine Finger nicht von Richie lassen kann, muss ich wohl dokumentieren, was meine Hände in deiner Abwesenheit so machen…“
Schon nach einigen Bewegungen ist mein Penis hart genug, dass ich das Tempo erhöhen kann. Erregt streiche ich schnell über mein bestes Stück. Meine Gedanken kreisen von meinem marido und seinem Sixpack zu Richies geilem Arsch, zu Brüsten, die ich zwar nicht anfassen, mir aber durchaus vorstellen darf. Ich grinse ein wenig, denn in meiner Fantasie kann ich machen, was ich möchte, ohne mir dafür Ärger aufzuhalsen oder schlimmstenfalls eine Ohrfeige einzufangen. In echt ist es natürlich aufregender, doch ich nehme, was ich kriegen kann.
Ich erhöhe das Tempo ein weiteres Mal, mir entkommt ein recht ruhiges Stöhnen kurz bevor ich komme. Um Calum intensiver teilhaben zu lassen, nutze ich kein Tuch, um eine Sauerei zu verhindern. Er soll alles sehen, was es zu sehen gibt. Ich spritze auf meinen Bauch, bis zu meinem Brustkorb hinauf. Zufrieden liege ich einen Moment da. Meine Hand ruht an meinem besten Stück. Ich spüre, dass ich etwas schlaffer werde.
Leider ist das erleichterte Gefühl nur von kurzer Dauer. Ich will und brauche mehr, doch ich weiß aus jahrelanger Erfahrung, dass es mir nicht helfen wird, das Verlangen loszuwerden. Kaum werden die Glücksgefühle freigesetzt, werden sie von Verlangen mach mehr abgelöst. Ich liebe und hasse Sex gleichermaßen…
Mit meiner sauberen Hand beende ich die Videoaufnahme für meinen marido. Deprimiert bleibe ich alleine im Bett liegen. Ich brauche eine Zigarette, außerdem habe ich große Lust auf einen Drink. Ich will Sex, richtigen Sex, am besten mit mehreren, abwechselnden Partnern. Außerdem brauche ich einen richtigen, echten Drink mit Alkohol, anstatt Fruchtsäften. Meinem Gehirn fehlen Endorphine.
Um mich dem Frust nicht vollkommen hinzugeben, richte ich mich ein wenig auf, um eine Packung feuchte Tücher aus meiner Nachttischschublade zu fischen. Ich wische das Sperma von meinem Bauch und meinem Brustkorb, auch mein Penis und meine Hand werden wieder gereinigt.
Kurz überlege ich, ob ich mich anziehen und wieder hinausgehen soll, doch dann entscheide ich mich doch für eine Dusche. So kann ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich werde wieder ordentlich sauber und kann dazu noch mein heißes Gemüt abkühlen.
Gerade als ich die Tür zum Badezimmer öffnen möchte,
klopft es an der Schlafzimmertür. Wieso kann ich nicht einmal einen Gedankengang in die Tat umsetzen, ohne unterbrochen zu werden. Das ist wahrscheinlich einer der Gründe, wieso es mir so schwer fällt, Versprechungen einzulösen.
„Trevor, entschuldige die Störung, aber der Postbote ist da. Er hat ein Paket für dich, aber das ist persönlich und ich darf das nicht für dich annehmen.“
„Ich komme gleich“, antworte ich etwas lauter, um sicher zu gehen, dass Richie mich auch hört. Da ich schnell merke, wie zweideutig diese Aussage ist, lege ich noch eine eindeutige Erklärung nach: „Raus. Ich komme gleich raus.“
„Okay. Ich warte draußen.“
Dass ich mir noch die Hände wasche bevor ich hinausgehe, um das Paket anzunehmen, lasse ich mir allerdings nicht nehmen. Danach schlüpfe ich in meine Boxershorts und ziehe mein eben getragenes Shirt über. Duschen kann ich in ein paar Minuten immer noch, es hat eigentlich keine Eile.
Ich verlasse das Schlafzimmer. Auf der Veranda lacht Richie gerade über etwas, das der Postbote gesagt hat.
„Du bist echt voll witzig“, macht Richie ihm ein Kompliment, dabei ist an seiner Körpersprache deutlich zu sehen, dass er dem Mann nicht abgeneigt ist. Auch sein Blick zeigt, wie angetan er ist.
„Ich gebe mein bestes“, antwortet der Postbote draufgängerisch. Die Art wie er Richie ansieht gefällt mir nicht. Mein Kleiner ist kein Freiwild und das hier ist auch keine Doku, in der das Raubtier etwas zu fressen bekommt.
„Brauchst du Scherzkeks auch einen Ausweis?“, frage ich aus der Küche.
Der Postbote sieht mich an, ehe er antwortet: „Ja. Entschuldigen Sie die Umstände, Mister Sanchez.“
„Schon gut, ich hab mich beim Versand selbst dafür entschieden, der Inhalt ist nicht gerade billig gewesen.“
Ich präsentiere dem Mann meinen Führerschein und setze eine Unterschrift auf dem Gerät, das er mit sich führt, im Gegenzug wird mir mein Paket ausgehändigt.
„Was hast du denn bestellt?“, fragt Richie neugierig.
„Eheringe“, antworte ich ihm. Um dem Postboten glauben zu machen, dass Richie vergeben ist, drücke ich ihm das Paket in die Hand und streichle über seine Wange. „Bring sie schon einmal rein, dann kann ich sie dir gleich zeigen, mein Kleiner.“
„Okay“, antwortet Richie fröhlich. Er verabschiedet sich von dem Postboten. „Hat mich gefreut.“
„Mich auch.“ Der Postbote sieht dem Blonden kurz nach, dann verabschiedet er sich allerdings auch von mir und verlässt die Veranda. Mit strengem Blick beobachte ich den Kerl solange, bis er wieder in seinen Lieferwagen einsteigt. Mein Blick verfehlt seine Wirkung nicht, der Mann wirkt etwas verunsichert und sieht zu, dass er schnell Land gewinnt.
Schmieriger Idiot…
Was fällt ihm ein, Richie so anzusehen…
Wenn er Richie auch nur einmal ansieht, kastriere ich ihn mit bloßen Händen…
„Wieso hast du neue Ringe bestellt?“, beginnt Richie, mich zu löchern.
Ich hebe meine Hand, um ihm zu zeigen, dass ich aktuell keinen Ring trage. „Dummerweise ist mein Ring verloren gegangen und ohne einem Ehering fühle ich mich vollkommen nackt.“
Richie schmunzelt ein wenig. „Und dabei liegt nackt sein dir doch sonst ziemlich gut.“
Mein Kleiner bringt mich zum Lachen. „Sehr witzig. Im Prinzip ist es ja nur ein Stück Metall, aber Calum hat ihn mir angesteckt…“
„Es ist süß, dass dir das so viel bedeutet“, spricht Richie sanft. „Ich verstehe ganz genau, wie du dich fühlst.“ Er blickt auf seine Hände, meine Augen folgen seinem Blick. Er betrachtet seine Finger. Mir fällt auf, dass seine Nägel in einem sanften Rosaton lackiert sind. Das trägt die Handschrift meiner Mädchen. „Ich könnte meinen Verlobungsring und meinen Ehering auch nicht abnehmen. Wenn ich sie verlieren würde, würde ich wahrscheinlich vollkommen ausrasten. Wir waren zwar nicht verheiratet, aber wir waren so kurz davor.“ Nun fasst er an seine Kette. „Wills Ringe sind auch immer bei mir, ich kann mich nicht davon trennen… Ich hab noch sehr viele Dinge von ihm, die ich nicht loslassen kann. Wahrscheinlich werde ich sie niemals weggeben können… William ist mir zu wichtig, ich kann und will ihn nicht vergessen. Ich will nicht so tun, als wäre er nie dagewesen. Ich liebe ihn.“
Bevor Richie in zu tiefe, trübe Gedanken rutscht, strecke ich meine Hand nach seiner aus. Ich hebe seine Hand und küsse seinen Handrücken.
„Weißt du, was wir jetzt tun? Du gehst hinauf, machst dich frisch und dann packen wir unsere Sachen und gehen an den Strand. Ein Tapetenwechsel würde uns beiden gut tun.“
„Das klingt nach einer guten Idee“, freut Richie sich mit einem sanften Lächeln. „Danke, dass du für mich da bist, Trevor.“
„Ich werde immer für dich da sein, das habe ich dir doch versprochen“, antworte ich ebenfalls lächelnd.
„Ich hab gelernt, dass man viel öfter dankbar sein sollte, also bin ich das auch. Vielen Dank, Trevor.“ Ich werde kurz von Richie gedrückt, dann macht er sich aber schon auf dem Weg nach oben, um seine Sachen für den Strand zu packen.
Er ist so niedlich, wenn er sich über etwas freut.
Apropos niedlich und freuen…
Wo ist eigentlich der Hund schon wieder?
…
Dass ich frisch geduscht losgegangen bin, hätte ich mir schenken können, denn als wir am Strand ankommen, bin ich bereits wieder nassgeschwitzt. Ich stelle den Schirm auf und hänge Domingo an die Leine. Er bekommt noch eine Schüssel mit Wasser und etwas, womit er spielen und woran er knabbern kann. Wenn jemand ein Auge auf ihn hätte, würde ich ihn frei herumlaufen lassen, doch ich bin nicht gewillt, den kleinen Flohzirkus wieder im Gebüsch zu suchen. Ihn einmal aus dem Gestrüpp zu holen war mehr aus ausreichend.
„Kommst du mit ins Wasser?“, fragt Richie mich, zeitgleich schlüpft er aus seinem Shirt. Er legt seine blasse Haut frei. Mich von dem Anblick nicht ablenken zu lassen, ist nicht ganz so einfach.
„Liebend gerne. Ich kann es kaum erwarten, endlich wieder zu schwimmen, ohne, dass ein Kind an mir hängt. Im Prinzip ist es mir recht, dass die Mädchen nicht im Meer verloren gehen, aber dass sie sich an fast schon an mir festhaken, ist doch manchmal ziemlich anstrengend.“
„Damit hast du Recht. Mich haben sie auch ziemlich in Beschlag genommen, als wir bei Dan schwimmen waren“, stimmt Richie mir zu. „Spaß hat es trotzdem gemacht. Sie sind so süß und erzählen immer spannende Geschichten. Die Welt aus der Sicht eines Kindes zu sehen ist mehr als interessant. Manchmal, wenn ich mit Cassie und Lucía spiele, will ich sie gar nicht mehr hergeben.“
„Den Mädchen geht es nicht anders, sie würden dich am liebsten den ganzen Tag für sich haben. Du bist der perfekte Babysitter. Du schaffst es viel länger, ihnen aufmerksam zuzuhören, als ich es je könnte.“ Ich lasse mein Hemd von meinen Schultern gleiten und streichle Domingo noch einmal. „Und du, Domingo, bleibst schön brav hier und bewachst unser Lager, verstanden?“
Domingo sieht mich an. Er dreht seinen Kopf von links nach rechts, dabei fixiert er mich. Er hat es nicht verstanden… Natürlich hat er es nicht verstanden, er ist eben nicht die hellste Kerze auf der Torte.
Richie und ich begeben uns Schritt für Schritt ins Wasser. Ich drehe mich noch einmal um, um zu sehen, wie Domingo damit umgeht, dass wir ihn alleine lassen. Er sieht mir zwar nach, doch es scheint ihn nicht besonders zu stören, dass ich weg bin, denn er sucht sich schnell einen Platz, an dem er sich hinlegen und seinem ekligen Kauspielzeug widmen kann.
„Puh, das Wasser ist kälter als ich erwartet habe“, bemerkt Richie. Er geht etwas in die Knie und beginnt damit, sich vorsichtig abzukühlen.
Ich tätschle seinen Kopf, als ich bei ihm vorbei gehe. Sobald das Wasser tief genug ist, lasse ich mich bis zum Hals hinein sinken. Die Abkühlung bekommt mir gut, ich fühle mich augenblicklich erfrischt, als ich mich von den sanften Wellen schaukeln lasse.
Richie schwimmt auf mich zu. Seine Stimme klingt, als würde er irgendetwas von mir wollen: „Du? Trevor?“
„Was willst du?“ Eigentlich habe ich mir ein wenig Freizeit erhofft.
„Hättest du vielleicht Lust, später mit mir essen zu gehen?“
„Wieso hast du nicht gesagt, dass du Hunger hast?“
„Weil ich jetzt keinen Hunger habe“, antwortet Richie mir. „Aber ich dachte mir, dass es vielleicht nett wäre, wenn wir nachher essen gehen. So musst du nicht extra kochen, wir sind ja nur zu zweit. Du solltest dir keinen Aufwand machen, sondern dich ausruhen, bevor der Familienalltag wieder losgeht.“
„Hm… Sí, kann man machen.“
„Das wird total super. Es ist schön, Zeit mit dir zu verbringen, Trevor.“
„Ich freue mich auch, mein Kleiner, aber wärst du sehr beleidigt, wenn ich mich eine halbe Stunde oder so von dir verabschiede und ein bisschen alleine schwimme?“
„Nein, gar nicht, ich wollte noch ein paar Muscheln sammeln“, antwortet Richie fröhlich. „Vielleicht finde ich ja eine schöne Muschel und kann einen Anhänger daraus basteln.“
„Viel Glück.“
„Danke.“
Richie taucht unter Wasser, wenige Meter weiter taucht er wieder auf und begibt sich dann Schritt für Schritt wieder zum Ufer. Ich schwimme weiterhin auf der Stelle und beobachte Richie eine Weile. Als er sich bückt, um etwas aufzuheben, grinse ich zufrieden. Ich liebe seinen kleinen, perfekten Hintern. Durch das Wasser kleben die weiten Boxershorts an seinem Körper und zeigen seine Silhouette. Zu schade, dass ich mir diesen knackigen Hintern nur ansehen darf.
…
Natürlich liege ich auch heute in der Sonne. Domingo ist mittlerweile von seiner Leine gelöst. Der freche Flohzirkus nutzt seine wiedergewonnene Freiheit, um den Strand zu erkunden. Während ich die heiße Sonne genieße, beschäftige ich mich mit einem Kreuzworträtsel.
„Was machst du da?“, fragt Richie neugierig. Sieht so aus, als hätte er die frei gewordene Stelle von Cassie eingenommen.
„Ein Kreuzworträtsel.“
„…in einem Buch?“
„Mhm…“, antworte ich Richie abgelenkt. Ich fülle ein weiteres Wort aus.
„Du weißt schon, dass man dafür auch eine App runterladen kann? Das ist sehr praktisch, da kann man unendlich viele Kreuzworträtsel lösen“, erzählt Richie mir.
„Ja, mein Schatz, ich weiß, aber ich bin hundert Jahre alt und alte Menschen haben es gern, wenn sie Papier und Stift in der Hand halten können“, erkläre ich meinen Standpunkt zum gefühlten hundertsten Mal.
„Hm“, ertönt Richie überlegend. „Ist aber wahrscheinlich besser so analog und ganz ohne App. Bei der hellen Sonne könntest du den Bildschirm vielleicht gar nicht lesen, außerdem würde dein Tablet auch ziemlich schnell überhitzen. Du bist ziemlich clever.“
„Nenn es clever, nenn es altmodisch, nenn es wie du willst. Calum meinte vor einiger Zeit, dass er das Gefühl hat, dass ich uralt bin, wenn ich Solitär spiele oder Kreuzworträtsel löse.“
Interessiert fragt Richie weiter: „Aber Solitär spielst du schon auf deinem Tablet, oder?“
„Meistens. Meine Spielkarten sind seit dem Umzug verschollen. Könnte sein, dass Calum sie weggeschafft hat, damit ich nicht mehr den Wohnzimmertisch nutze, um mit mir selbst Karten zu spielen. Es stört ihn irgendwie, ich verstehe aber nicht ganz, wieso.“
„Hm… Dann brauchst du wohl neue. Ich schenke dir welche.“
„Wenn du mir Karten schenken würdest, dann hätte ich die perfekte Ausrede, dass ich damit spielen kann“, antworte ich dem Blondschopf. Ich sehe zu ihm hinüber, Richie liegt im Schatten, sein Blick ist auf mich gerichtet.
„Du brauchst eine Ausrede dazu?“
„No, nicht direkt, aber wenn ich sage, dass die Karten ein Geschenk von dir waren und ich damit spiele, um dich nicht zu beleidigen, dann sieht er mich nicht so an, als wäre er mit einem Hundertjährigen verheiratet. Abgesehen davon hätte er dann ein schlechtes Gewissen, wenn er sie verstecken will“, erläutere ich Richie meine Theorie.
„Also wenn Calum dich nicht mehr haben will, weil du alt bist, dann klaue ich dich“, meint Richie, wobei er breit grinst.
„Cállate, du hattest bereits genug Erfahrungen mit alten Männern.“
„Gar nicht wahr… Bei David hab ich eben einen Fehler gemacht, ich wusste ja nicht, dass er pervers ist… Ich dachte wirklich, dass er mich liebt, immerhin war er sehr aufmerksam und zuvorkommend.“
„Naja, ich will nicht sagen, dass es deine Schuld ist, weil du naiv und viel zu unerfahren warst, um zu verstehen, was genau um dich herum passiert, aber… die Anzeichen waren da, mein Kleiner, du konntest sie nur leider noch nicht sehen.“
„Mit Männern hatte ich echt viel Pech“, meint Richie deprimiert. „Der Einzige, der mich bedingungslos geliebt hat, war Will…“
„Ich wollte dich nicht auf trübe Gedanken bringen…“
„Schon okay. Die Gedanken sind immer irgendwie da…“ Richie legt sich auf den Rücken. „Ich darf mich nur nicht wieder hängen lassen, sonst muss ich wieder zurück in die Klinik... Der geregelte Alltag dort ist zwar ziemlich toll und man gewöhnt sich daran, aber hier am Strand zu sein ist schöner, vor allem wenn du da bist.“ Richie dreht seinen Kopf zu mir. „Ich verdanke dir mein Leben, Trevor.“
Gut, dass ich meine Augen im Moment hinter einer Sonnenbrille verstecke, sonst würde Richie noch erkennen, wie sehr mir diese Worte wehtun. Natürlich bin ich froh, dass ich Richie in seinem schwersten Moment aufgefangen und gerettet habe, doch ich wünschte, ich hätte es gar nicht erst tun müssen.
„Wenn du nicht mehr da wärst, wäre…“ Ich seufze. „Richie, ich hab dich lieb und ich will dich nicht emotional erpressen, aber bitte sorg dafür, dass ich so etwas nie wieder durchmachen muss…“
„Es tut mir leid, Trevor.“
„No, mir tut es leid. Wenn ich besser auf dich aufgepasst hätte, wärst du niemals in so eine missliche Lage gekommen. Bleib bitte so lange bei uns wie du willst, von mir aus für immer.“
„Für immer?“, fragt Richie ungläubig nach. „Du würdest mich einladen, für immer bei euch zu wohnen?“
Ich nicke, wende meinen Blick dann aber wieder auf mein Kreuzworträtsel. „Du hast einen großen Verlust erlitten und ich weiß, wie weh es tut, jemanden zu verlieren, der einem viel bedeutet. Ich möchte nicht, dass du niemanden um dich hast, wenn dich die Trauer und das Gefühl des Alleinseins überkommen. Es ist so schon schwer genug, da wäre es fatal, wenn du niemanden hast, der dich in den Arm nimmt.“
„Oh Mann… Trevor…“
Ich sehe auf, Richie wischt sich über die Augen. „Wag es bloß nicht zu-“
Mein Kreuzworträtsel bleibt auf meiner Decke liegen, ich lasse meinen Bleistift auf die Seiten des Buches fallen. Eilig begebe ich mich in den Schatten und lasse mich neben Richie sinken. Fürsorglich ziehe ich Richie in den Arm. Er schluchzt, als ich ihn an mich drücke.
„Sch… Ich bin hier, okay? Ich lasse dich nicht alleine… Calum und ich und auch die Mädchen sind deine Familie und wir haben dich alle unendlich lieb.“
„Ich hab euch auch lieb“, antwortet Richie schluchzend.
Ich löse unsere Umarmung und streiche über Richies Wangen, um seine Tränen wegzuwischen. „Sieh mich an, mein Kleiner.“
„Mhm…“
„Kann ich irgendetwas tun, um dich wieder aufzuheitern? Es klingt so verdammt kitschig, aber ich hasse es, wenn du weinst. Das macht mich vollkommen fertig.“
„Ich-Ich bin ja nicht wirklich traurig. Also schon, aber auch…“ Richie nimmt etwas Abstand, er zieht seine Tasche zu sich. „Ich bin so dankbar, dass ich Calum und vor allem dich habe. Du hast mich so oft gerettet. Schon damals bei den Prüfungen und auch heute noch…“ Richie trocknet seine Tränen und putzt seine Nase. „Du bist immer irgendwie da, um mich zu retten und ich weiß es klingt egoistisch, aber ich bin auch ein bisschen sauer, dass es zwischen uns so als Beziehung nie klappen wird. Calum und du seid ein schönes Paar, aber… ich hätte auch gerne eine Chance gehabt…“
„Ach, Richie…“
„Keine Angst, ich bin nicht verliebt und verrückt nach dir, das hab ich lange hinter mir… Ich bin deprimiert. Ich hätte gerne das, was ihr habt.“ Richie seufzt, er wischt sich noch einmal über die Augen. „William fehlt mir so sehr.“ Sein Blick fixiert das Taschentuch in seinen Händen. „Er war alles, was ich mir je von einem Mann gewünscht habe. William war perfekt. Er hat mir jeden Morgen nach dem Aufwachen gesagt, wie sehr er mich liebt und wie glücklich er ist, mich gefunden zu haben… Er wollte, dass ich jeden Tag mit dem Wissen starte, dass ich alles für ihn bin. Und jetzt… Jetzt ist er weg und… Weißt du, Trevor… Seit William nicht mehr bei mir ist, habe ich das Gefühl, als wäre ich nicht mehr vollständig. Mir fehlt nicht nur mein Seelenverwandter, mir fehlt auch ein großer Teil von mir selbst und ich denke, dass ich den nicht zurückbekomme, egal wie viele Therapiestunden ich absitze. Ich denke nicht, dass Zeit alle Wunden heilt. Schon gar nicht so eine große Wunde, die in meinem Herzen…“
Ich schweige, da ich nicht weiß, was ich antworten soll. Egal was ich sage oder tue, es ändert nichts an der Sache, dass William tot ist und nie wieder zurückkommen wird. Richie hat den wichtigsten Menschen in seinem Leben verloren und es gibt nichts, das es auch nur ansatzweise besser machen würde. Ich wünschte, ich könnte es ändern, doch ich kann es nicht. Niemand kann das.
„Es tut mir leid“, spreche ich leise. „Du hast das alles nicht verdient… Es ist scheiße, das alles ist scheiße.“ Ich nehme Richies Hände in meine. Dass er ein Taschentuch festhält, mit dem er eben noch seine Nase geputzt hat, ist meiner Bakterien-hassenden Seite im Moment egal. „Richie, du sollst wissen, dass ich für dich da bin und dich immer festhalten werde, auch wenn ich dir den Schmerz nicht nehmen kann. …oh Mann, ich wünschte, ich könnte dir das alles erleichtern.“
„Das tust du bereits. Schon alleine, dass ich bei euch bleiben kann, meinen Freiraum bekomme und nicht ständig beobachtet werde wie bei Mum und Dad.“ Richie lächelt wieder ein wenig. „Weißt du, es ist schon fast ein bisschen witzig, wie viele Emotionen du zeigen kannst, wenn es darauf ankommt.“
„Du solltest mich ohne Sonnenbrille sehen, du kleiner Arsch bringst mich fast zum Weinen.“
„Ach wirklich?“, fragt Richie etwas neckisch nach. Er greift in mein Gesicht und nimmt mir die Sonnenbrille ab. Ich versuche mich an einem neutralen Blick, damit ich ihm meine Emotionen nicht auf dem Silbertablett serviere.
„Du überstrapazierst meine Nettigkeit, mein Kleiner.“
„Entschuldige, Trevor“, spricht Richie kleinlaut.
„Schon gut, du bist einer der wenigen, der das darf.“
„Das weiß ich zu schätzen.“
…
Da Richies Magen knurrt und ich selbst auch hungrig bin, brechen wir unseren Strandbesuch früher ab, als ich gedacht hätte. Wir finden uns im Saloon ein, wo Richie eifrig die Speisekarte studiert. Während Richie sich etwas zu essen aussucht, nutze ich die Gelegenheit, mich bei meinem marido zu melden. An meinen Beinen spüre ich den Hund. Er hält mit mir Körperkontakt, während er deutlich hörbar aus der Schüssel trinkt, die Emily für ihn bereitgestellt hat.
Calum: ‚Na das Video musste unbedingt sein, was?‘
Calum: ‚Was mach ich nur mit dir? Kastration wäre wahrscheinlich immer angebrachter. Wenn du mir geschrieben hättest, dass du mich vermisst und mich liebst wäre mir das 1000x lieber gewesen als so ein interessantes Video.‘
Calum: ‚Naja, ich schätze ich weiß, was du damit ausdrücken wolltest…‘
Calum: ‚Es wird Zeit, dass die Teleportation erfunden wird. Immer wieder vergesse ich, wie anstrengend es ist, eine längere Fahrt mit den Mädchen zu machen. Ständig muss eine der beiden Pipi, aber das ist klar, immerhin wollen sie ja alle 20 Sekunden etwas zu trinken oder etwas zu knabbern.‘
Calum: ‚Wäre es schon Vernachlässigung, wenn ich ihnen den Mund zu klebe, damit sie mich nicht mehr nerven?‘
Calum: ‚Nevermind. Sie sind eingeschlafen. Ich vertrete mir noch ein bisschen die Beine und dann bin ich schon im Endspurt.‘
Calum: ‚Wir sind relativ gut bei Carly angekommen.‘
Ich schmunzle, da ich mir genau vorstellen kann, wie Calum sich bei jeder Nachricht gefühlt haben muss. Dass er nicht begeistert von meinem Video ist, beleidigt mich trotzdem ein bisschen. Wenn ich ein Video von ihm machen darf, während er mich verwöhnt, sieht er das nämlich ganz anders. Da spielt er mit, flirtet mit der Kamera und gibt sich extra viel Mühe, sodass ich doppelt etwas davon habe. Ich werde nie verstehen, was in Calums Kopf tatsächlich vor sich geht. Er ist manchmal ziemlich widersprüchlich.
Trevor: ‚Entschuldige, dass ich dir erst jetzt schreibe, ich war mit Richie am Strand. Wir sind jetzt im Saloon und essen etwas. Es geht ihm soweit ganz okay. Er hat ein bisschen geweint, aber ich war so einfühlsam es ging. Du wärst stolz auf mich.‘
Trevor: ‚Gib es zu, du hast Richie bei mir gelassen, damit ich mit das Feingefühl antrainiere. Falls das dein Plan war: Es könnte funktionieren, auch wenn es keine sehr leichte Lektion für mich ist.‘
Trevor: ‚Wie geht es den Mädchen? Ist alles okay?‘
Trevor: ‚Und wenn dir mein Video nicht gefallen hat, dann zeig mir doch, wie es richtig geht ;)‘
Trevor: ‚Oh, falls es dich interessiert, unsere neuen Ringe sind da. Ich trage meinen allerdings noch nicht. Mir wäre es am liebsten, wenn du ihn mir ansteckst :)‘
Trevor: ‚Und verdammt nochmal: Natürlich vermisse ich dich! Te amo, mi corazón <3‘
„Vermisst Calum dich?“
„Wahrscheinlich nicht“, antworte ich ehrlich, wobei ich mein Smartphone zur Seite lege. „Gestern hatten wir einen ziemlich fiesen Streit, weil ich schon wieder ein Idiot war. Und in meinen Nachrichten habe ich mich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Wie er drauf ist, werde ich erst sehen, wenn er mir zurück schreibt. Jetzt hat er sich hauptsächlich über die anstrengende Fahrt beschwert.“
Richie lässt die Speisekarte sinken. „Darf ich dich zu dem Streit etwas fragen?“, tastet er sich leise vor. Ich beantworte seine Frage mit einem Nicken, was ihn dazu veranlasst, sich nach vorne zu beugen. Er flüstert: „Hat Calum dich geschlagen?“
„Mhm und ich habe es verdient, weil ich dumm war.“
„Du weißt schon, dass das Opfer immer sagen. Du hast das nicht verdient, egal wie du dich benommen oder was du gesagt hast. Jeder hat das Recht darauf, seine Meinung zu vertreten, ohne dafür mit Gewalt bestraft zu werden.“ In seiner Stimme und auch seinem Gesicht erkenne ich deutlich, wie viel Mitleid er mit mir hat, doch er weiß nicht, dass dieses Mitleid vollkommen verschwendet ist.
„Richie, Süßer, Liebling, mein kleiner, liebster Schatz. Du solltest dir auf keinen Fall deinen hübschen Kopf darüber zerbrechen.“
„So viele Komplimente“, erklingt Richie verwirrt.
„Hör zu: Ich bin kein Opfer, ich lebe nicht in Angst und Schrecken vor meinem Mann. Mir ist durchaus bewusst, dass Calum mir das Genick brechen könnte, aber das heißt nicht, dass ich Angst vor ihm habe. Ich habe eine dicke Lippe riskiert und die Strafe dafür bekommen, das passiert. Calum hat lange Geduld bewiesen und mich nie verletzt, aber es war Zeit, dass er sich gegen meinen Bullshit wehrt. Die Sache ist für mich längst wieder erledigt. Manchmal kann man Probleme mit ein wenig Gewalt lösen. Einen Nagel bekommt man auch nicht in die Wand, wenn man ihn lieb darum bittet. Man verwendet einen Hammer und schon ist das Problem gelöst.“
„Ja, aber das hat doch bestimmt wehgetan. Also nicht die Nagel-Hammer-Sache… Bist du dir sicher, dass das Thema damit einfach erledigt ist? Was ist, wenn-“
„Sí. Glaub mir, Richie. Mir geht es gut. Ich habe den Bogen überspannt und das ist mir jetzt klar geworden.“
„Okay, wenn du das sagst, dann…“ Mein Gegenüber blickt wieder auf die Karte. „Dann wechsle ich jetzt das Thema: Bei Tagesgerichten habe ich immer so meine Bedenken. Denkst du, dass der Lachs gut ist?“
„Soll das ein Witz sein?“, frage ich grinsend.
„Wies-oh… Hoppla, entschuldige.“ Nun lacht Richie über seine eigene Frage. „Ich bin ein Idiot. Wie konnte ich das vergessen?“
„Du bist so niedlich, wenn du lachst. Das steht dir besser als Tränen, du solltest das beibehalten. Um deine Frage trotzdem zu beantworten: Mir würde der Lachs nicht schmecken, aber ich bin mir sicher, dass er frisch ist und nicht aus dem Tiefkühlregal kommt“, erkläre ich. „Du magst ihn bestimmt.“
„Ich liebe Fisch, ich weiß nicht, wie du ohne Fisch leben kannst.“
„Ach, ganz gut, soweit ich das beurteilen kann.“
„Weißt du schon, was du haben möchtest?“, erkundigt Richie sich, als er mir die Karte zuschiebt. „Die vegetarischen Gerichte klingen ganz lecker.“
„Solange kein Tofu drinnen ist, ist mir so gut wie alles Recht, Hauptsache es ist gut gewürzt und ich habe die Option auf ein wenig mehr Chili“, beantworte ich seine Frage.
„Wieso magst du Tofu eigentlich nicht? Preisen Vegetarier Tofu nicht immer?“
„Viele Vegetarier sind Idioten, die sich auf eine höhere Stufe stellen wollen als Leute, die Fleisch essen, deswegen preisen sie dieses geschmacklose Zeug. Die Konsistenz ist nicht mein Fall, außerdem hat Tofu keinen Eigengeschmack, es ist meiner Meinung nach nur ein Schwamm, den man in sein Gericht wirft, um sich satter zu fühlen. Bevor ich so einen Klumpen esse, koche ich mir lieber eine größere Portion und esse ein Stück Brot zu meinem Gemüse. Was ich noch nicht ausstehen kann sind vegetarische und vegane Alternativen zu Fleisch. Sozusagen zusammen gepresster Tofu- und Gemüsematsch in der Form von Burgerpattys, Wurst oder anderen Dingen. Wer auf Fleisch verzichtet, um sich besser, wichtiger und toller zu fühlen, kann meiner Meinung nach auch auf Wurst verzichten.“
Interessiert sieht Richie mich an. „Aha. Macht Sinn, du magst ja den Geschmack von Fleisch nicht. Wozu dann Fleisch-Alternativen essen?“
„Richtig. Ich will nichts essen, das mich auch nur an Fleisch erinnert. Ich halte mich lieber an frisches, knackiges Gemüse, Früchte, Reis, Nudeln, Nüsse, Pilze… Es gibt so viele Zutaten, mit denen man kochen kann, man braucht nicht in jedem Gericht einen Platzhalter für Fleisch oder diesen schwammartigen Tofu.“
Richie überlegt. „Okay, mal angenommen du machst für deine Familie Burger. Was isst du dann?“
„Ich esse auch einen Burger. Ich fülle das Burgerbrötchen mit Gemüse, Käse, selbstgemachter Sauce und einem Spiegelei oder einem kleinen Omelette anstatt einem Burgerpatty“, antworte ich. „Wieso fragst du?“
„Ich habe vorhin gelesen, dass es auch Burger gibt und da hab ich mich gefragt, ob du überhaupt Burger isst. Und jetzt wo du mir das so bildlich beschrieben hast, bekomme ich irgendwie Lust darauf.“
„Wenn Calum und die Mädchen wieder da sind, kann ich gerne welche machen“, schlage ich lächelnd vor. „Die Kinder lieben Burger. Und wenn sie welche essen, möchte ich lieber, dass sie selbstgemacht sind, als dieser lieblose, geschmacklose Scheiß der Systemgastronomie.“
„Das wäre so toll“, freut Richie sich. „Mist, jetzt habe ich wirklich große Lust auf Burger.“ Er stützt sein Kinn an seiner Hand ab und überlegt. „Aber wenn ich Lachs und Burger bestelle, dann platze ich. … Vielleicht sollte ich trotzdem beides bestellen und nur jeweils die Hälfte essen? … Obwohl besser nicht.“ Richie sieht mich an. „Aufgewärmt schmeckt ja beides nicht mehr so prickelnd. Was meinst du?“
„Bestell den Fisch, den Burger kannst du morgen bestellen“, antworte ich ohne groß darüber nachzudenken. Der Burger steht immer auf der Karte, Lachs gibt es nicht jeden Tag.
„Hm… Gib mir noch einmal die Karte, vielleicht finde ich doch noch etwas Besseres.“ Er greift noch einmal nach der Speisekarte, um ein weiteres Mal darin zu schmökern und seine Alternativen abzuwägen.
Zu sehen, dass Richies Appetit wieder da ist, bringt mich zum Lächeln. Süß wie schwer es ihm fällt, sich etwas auszusuchen. Eifrig studieren seine blauen Augen die Speisekarte. Ich kann sehen, wie er von einem Gericht zum nächsten springt. Die Auswahl ist wohl sehr überwältigend.
„Entschuldige, dass ich so umständlich bin. Das ist keine Absicht.“
„Schon gut, meine Kinder überstrapazieren meine Nerven so häufig, dass ich noch gar nicht genervt bin. Du hast noch Spielraum, mein Kleiner.“
„Na dann… Also… Ich glaube…“, erklingt Richie etwas abgehakt, da er überlegt.
„Hm?“
„Ich… nehme den Lachs, ja, ich will den Lachs“, verkündet er stolz seine endgültige Entscheidung.