capítulo 15
divorcio
Max und Sebastian haben mich dazu überredet, doch zu Harvey in die Klinik zu fahren, so wie Calum es für mich geplant hatte. Dass ich in der Klinik bin, ist aus aktueller Sicht betrachtet, eine gute Idee, denn mich überkommen Magenkrämpfe und große Übelkeit. Die Übelkeit wird so unerträglich, dass ich mich mehrmals übergeben muss. Netter Weise bindet Max mir die Haare zusammen, sodass ich mich nicht vollkotze. Dieser verdammte Entzug bringt mich mittlerweile immer näher an mein Limit.
Als ich die Augen öffne, erinnert nur noch ein Brennen in Magen und Hals daran, dass ich mich übergeben habe. In Harveys altem Apartment über der Klinik habe ich die Möglichkeit mich frisch zu machen und mir die Zähne zu putzen. Glücklicherweise habe ich ja alles, was ich brauche in meine Reisetasche geworfen.
Mittlerweile liege ich wieder einmal auf einem der Krankenbetten. Nach einer kurzen Routineuntersuchung durch Harvey bekomme ich eine weitere NaCl-Infusion, um die verlorene Flüssigkeit durch Schwitzen und Kotzen auszugleichen. Ich nehme mir fest vor, dass das hier mein letzter Entzug sein wird. Ich werde nie wieder trinken oder zu harten Drogen greifen, ich habe die Nase voll. Sally ist so freundlich und kümmert sich darum, mir eine warme Mahlzeit zuzubereiten, damit ich etwas im Magen habe und wieder ein wenig zu Kräften komme.
Der Appetit vergeht mir jedoch ein wenig, wenn ich Sebastian und Max dabei beobachte, wie sie genüsslich ihren Speichel austauschen. Ich sehe ihnen dabei zu, wie sie nur einen Meter von mir entfernt auf einem Stuhl knutschen. Sebastian sitzt auf dem Schoß seines Mannes. Die beiden küssen sich, als hätten sie vergessen, wo sie sich gerade befinden. Um diese unhöfliche Geste zu unterbrechen, räuspere ich mich laut. Auf diese Art ‚Beistand‘ kann ich gut verzichten.
„Hey Jungs. Entweder ihr verlagert eure Leidenschaft zu mir ins Bett und ich darf mitmachen oder ihr packt eure Hormone weg und verpisst euch. Moralische Unterstützung ist ja ganz nett, aber das was ihr da tut ist alles andere als unterstützend… oder moralisch.“
„Entschuldige“, erklingt Max etwas abgelenkt, als er seine gepiercten Lippen gerade von seinem Mann löst. Sebastian kuschelt sich an ihn, aber wenigstens hören die beiden auf sich gegenseitig die Zunge in den Hals zu stecken.
„Gracias, zu freundlich von euch.“
Max sieht mich einige Sekunden an, doch dann fängt er an zu sprechen: „Weißt du, Trevor. Jetzt wo ich mir deine ganzen Probleme durch den Kopf gehen lasse, würde ich sagen, dass ihr euch wieder versteht, sobald dein Kopf wieder klarer ist. Dann entschuldigt ihr euch bei einander und alles ist wieder gut. Ihr habt euch bis jetzt immer wieder vertragen.“
Ich schüttle den Kopf. „Ich denke nicht, dass es wieder gut wird. Ich hab mit jemandem rumgemacht und es Calum eiskalt ins Gesicht gesagt… Das hätte ich nicht tun dürfen. Ich war wütend und hab mich deswegen zu etwas hinreißen lassen, was ich nicht tun sollte…“
Das Zuckerstück gibt ein empörtes Schnauben von sich. „Du hattest auch vor deinem Entzug nicht gerade das Wort ‚TREU‘ auf deiner Stirn stehen“, gibt Sebastian seinen Senf dazu.
Genervt verdrehe ich die Augen. Als ob dieses perfekte Pärchen eine Ahnung davon hätte, wie eine realistische Beziehung abläuft. „Jungs… Ich meine es ernst. Ich denke, dass Calum und ich uns am besten scheiden lassen, nur bin ich nicht derjenige, der die Scheidung einreichen wird. Ich habe keine Lust als das Arschloch dazustehen, obwohl es Calums Schuld ist. Sobald Calum mit den Mädchen abhaut, bekommt irgendjemand davon Wind und ich stehe wieder in der Klatschpresse. Egal wie ich es drehe und wende. Wenn er mich verlässt, verlässt er seinen unzumutbaren Ehemann und wenn ich ihn verlasse, dann tue ich das, weil ich ein unbelehrbarer Hurenbock bin.“
„Äh… Ja, da hast du wohl die Arschkarte, aber inwiefern ist das alles überhaupt Calums Schuld?“ Sebastian klettert von Max und setzt sich zu mir auf das Bett. „Calum ist für dich der perfekte Ehemann. Der Typ hat mehr Geduld als du es verdient hast. Calum hätte dich meiner Meinung nach schon lange abschieben sollen. Er hätte sich schon längst einen Mann suchen können, der nicht jeden noch so banalen Scheiß als Machtkampf sieht. Du hast einfach einen Schaden und er ist der einzige der damit tatsächlich umgehen kann. Kein Mensch wird dich je wieder so gut ertragen, wie er es tut.“
„Sebastian, wirf nicht mit Steinen, denn du sitzt aktuell in einem Beziehungsglashaus. Was du Max antust ist auch nicht besser, im Gegensatz zu mir siehst du es aber nicht mal ein.“
„Ich tue Max nichts an“, schmollt Sebastian mit verschränkten Armen. „Ich bin nur…“ Seine kurzen Beine bewegen sich auf und ab, er tritt leicht gegen das Bett.
„Sebby, Schatz, lass es, okay?“, meint Max mit einem Lächeln. „Du bist unsicher, das ist mir vollkommen klar. Ich hab mir mit Bandkollegen das Hotelzimmer und das Bett geteilt und du hast einen halbnackten Kerl in meinem Zimmer gesehen, während wir per Webcam geplaudert haben. Es macht schon Sinn, dass du Angst hast, aber wir haben das doch geklärt. Ich hab dir gesagt, was passiert ist. Du musst mir einfach vertrauen. All die Männer die mir so unterkommen sind nicht so spannend, schön oder niedlich wie du. Ich habe kein Interesse an anderen Männern. Was will ich mit denen, wenn ich dich habe? Du bist schon das Beste, was mir jemals passiert ist, das kann niemand mehr toppen. Ich will nur dich und sonst niemanden.“
Wenn ich noch Mageninhalt hätte, würde er mir jetzt hochkommen. An Sebastians Körpersprache erkenne ich allerdings sofort, dass Max’ Worte gefruchtet haben. Die Anspannung mit der das Zuckerstück gerade noch gesprochen hat, ist verschwunden. Er hört auch auf gegen das Bett zu treten.
„Danke, das ist so süß… Ich hab nur trotzdem ein schlechtes Gewissen, weil ich so verrückt bin“, entschuldigt Sebastian sich.
„So geht es Trevor bestimmt auch, nur hat der nicht die Eier, das zuzugeben. Hast du gehört, Trevor? Sebby hat mehr Eier als du.“
„Ay, cállate. Es geht bei meinem Problem nicht um Eier haben oder darum, wer dominanter ist. Noch nicht einmal mein ‚Seitensprung‘ ist das Problem. Es geht darum, dass Calum mich nicht so liebt wie ich bin, sondern dass er mich ständig ändern möchte.“
Sebastian gibt einen sarkastischen Lacher von sich. „Dich muss man ja auch ändern, sonst erträgt man dich nicht, du Idiot.“
„Also… wenn die Änderung darin besteht, dass er nicht will, dass du dich zu Tode säufst, dann bin ich auf Calums Seite, entschuldige“, meint Max bestimmt. „Du trinkst zu viel und das seit Jahren. Du kotzt und entgiftest, wenn das nicht zeigt, dass Calum im Recht ist, weiß ich auch nicht.“
„Es ist nicht nur das…“, antworte ich leise.
„Was ist es noch? Der Sex? Ihr hattet doch schon einmal eine offene Beziehung und wenn du Calum dieselben Optionen gibst, die du haben möchtest, könnt ihr darüber ja noch einmal reden. Solange du dir nicht wieder eine Geschlechtskrankheit holst, wird Calum das vielleicht gar nicht so eng sehen. Immerhin hätte er auch etwas davon. Abwechslung fände er bestimmt auch gut“, schlägt Max vor.
„Trevor hatte… naja, irgendwie wundert es mich nicht. Hoffentlich hast du Calum kein Herpes oder HIV angehängt, du Perverser.“
„Cállate, Zuckerstück, dich fragt kein Mensch nach deiner Meinung zu Sex. Aber zu deiner Information: Ich hatte nen Tripper, den kann man mit Antibiotika in den Griff bekommen und ich hab ihn auch nicht bekommen, weil ich ungeschützten Sex hatte, sondern weil ich einen Blowjob von einem verseuchten Groupie bekommen habe.“ Max verkneift sich eindeutig einen Kommentar. Ich zeige ermahnend in seine Richtung. „Cállate.“
„Ich hab nichts gesagt“, streitet Max seine Gedanken grinsend ab.
„Oh, willst du damit sagen, dass das noch nicht alles war, Max?“, fragt Sebastian neugierig nach. „Bin ich in Gefahr, weil ich auf dem Bett sitze in dem er liegt? Bist du ansteckend, Trevor?“
„Na hoffentlich nicht“, meint Max weiterhin grinsend.
„Ihr zwei seid keine besonders guten Freunde. Ich hatte bei ein paar sexuellen Begegnungen Pech, aber ich habe kein HIV und auch kein Herpes und Calum habe ich auch nicht angesteckt. Ich habe mich immer checken lassen. Ich bin gesund.“
„Ja, noch… Sobald es eine offene Beziehung gibt, geht’s wieder los“, zieht Sebastian mich auf. „Armer Calum. Aber vielleicht bekommst du deine Scheidung ja doch noch, sobald du deinem Mann eine Krankheit anhängst.“
Ich hebe mein Bein und trete etwas gegen Sebastians knochigen Hintern. „Provozier mich nicht, sonst trete ich dich aus meinem Bett.“
Sebastian legt seine Hand an mein Bein und streichelt mich. „Tut mir leid, dass es dir so schlecht geht. So ein Entzug muss nerven und dann kommen auch noch Max und ich mit unseren dummen Sprüchen an. Entschuldige. Das war nicht okay von mir.“
„Du solltest dir eine kleine Auszeit genehmigen und dann noch einmal mit Calum über alles sprechen“, bittet Max mich. „Wenn es nicht funktioniert, könnt ihr euch immer noch scheiden lassen, aber ihr solltet euch unterhalten und abwarten, wie es dir nach dem Entzug geht. Eine schwere Entscheidung wie die muss mit einem klaren Kopf entschieden werden. Du hast viel zu verlieren. Ihr habt doch auch Cassie und Lucía… Willst du, dass sie bei Calum aufwachsen, während du dich wieder durch alle Betten vögelst, die du finden kannst? Du hast dich für eine Familie und gegen eine Karriere entschieden und jetzt willst du das aufgeben?“
Ich atme tief durch und sehe an die Zimmerdecke. „Das möchte ich natürlich nicht. Ich liebe meine Mädchen. Ich hab sie nicht aus reiner Laune heraus adoptiert, sondern weil ich ihnen eine Familie und eine gesicherte Zukunft schenken wollte.“
„Na siehst du.“ Max lächelt mich an. „Wenn du es schon nicht für dich oder für Calum tust, dann tu es für deine Töchter. Eine Chance, eine einzige Chance. Sprich mit Calum, ihr müsst es zumindest versuchen.“
„Sollte ich wohl… aber es ist so schwer…“
„Du schaffst das“, sichert Max mir gut zu.
Sebastian lässt sich von meinem Bett gleiten, er fummelt sein Smartphone aus der Hosentasche. „Oh… Die Zwillinge sind wach.“ Er blickt auf seine Armbanduhr. „Es wird Zeit fürs Essen. Kommst du mit oder willst du noch bei Trevor bleiben?“
Max steht auf. „Brauchst du mich noch, Trevor?“
Ich schüttle den Kopf. „No, geht einfach. Ich bin sicher, dass eure Kleinen euch brauchen. Aiden freut sich bestimmt schon auf seinen Tee.“
Sebastian lächelt mich an. „Ich bin dir übrigens was schuldig. Dank dir geht es Aiden schon ein bisschen besser. Ich hab das Gefühl, dass wir uns auch besser verstehen. Ich meine ja, er ist ein Baby, aber ich glaube, dass es uns hilft, so zwischenmenschlich eben. Danke Trevor.“
Ich winke ab. „Blödsinn. Emily hat den Tee zusammengestellt. Ich hab ihr nur durch Smalltalk unbewusst irgendeine Eingebung verschafft. Mit der ganzen Sache hab ich also gar nichts zu tun. Und jetzt haut schon ab, sonst verpasst ihr wegen mir und meinem Frust noch die ersten Schritte eurer Kinder.“
„Na gut, wir sehen uns. Ruf uns an, falls du etwas brauchst.“
„Bis dann, Trevor“, verabschiedet sich auch das Zuckerstück von mir. „Und ruh dich aus.“
Ich sehe den beiden nach, wie sie das Zimmer verlassen. Max öffnet Sebastian die Tür. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die beiden jetzt Hand in Hand durch Pelican Town spazieren und dann viele hundert Fotos ihrer glücklichen Familie schießen. Ein wenig neidisch bin ich auf diese zwei Arschlöcher ja schon. Es wäre schön, geistig so gesund zu sein, eine normale Beziehung führen zu können.
Ich ruiniere alles…
Es könnte sein, dass Calum vielleicht doch Recht hatte…
Im Prinzip wollen Calum und ich dasselbe: Eine funktionierende, glückliche Beziehung und ein schönes, einfaches Leben mit unserer Familie.
Ich bin so ein Idiot…
Wieso muss ich immer alles Gute in meinem Leben zerstören?
…
Harvey kümmert sich mit ein paar Pillen um meine wieder aufkommende Übelkeit und seine reizende Frau Sally versorgt mich mit einer Portion köstlicher Gemüsepfanne, die sie extra für mich gekocht hat. Ein paar Gewürze mehr hätten dem Gericht nicht geschadet, doch ich muss laut Harvey meinen Magen schonen.
Da ich kein Gefangener bin, darf ich mit meiner Infusion ein wenig in die Sonne, wo ich allerdings nur solange bleibe, bis ich eine Zigarette geraucht habe. Ich bin ziemlich erschöpft von den Streits mit Calum, von den kurzen Nächten und meinem verdammten Entzug. Mein Weg führt mich schnell wieder zurück ins Bett, auf dem ich es mir mehr oder weniger gemütlich mache. Das Gras hilft nur bedingt, meine Übelkeit zu unterdrücken, die Tabletten werden wahrscheinlich noch ein wenig brauchen, bis sie ihre Wirkung entfalten. Mein gesamter Körper signalisiert mir, dass es mir nicht gut geht und dass ich viel Ruhe brauche.
„Wie fühlst du dich?“, fragt Harvey mich. Er setzt sich zu mir und sieht mich an.
„Mir ist übel… Mein Gras hilft auch nicht besonders.“ Ich schließe die Augen und atme durch.
„Die Wirkung der Tabletten sollte bald einsetzen. Man könnte aber auch sagen, dass es sich bei deiner Übelkeit um ein psychosomatisches Symptom handelt.“
„Wieso klingt das so, als würdest du mir damit etwas sagen wollen?“, frage ich nach.
„Bis jetzt lief dein Entzug relativ gut. Deine Symptome waren nicht besonders stark ausgeprägt, auch deine Übelkeit hast du in den Griff bekommen. Jetzt hattest du Streit mit deinem Mann und manchmal schlägt einem eine ungemütliche Situation auf den Magen. Du erinnerst dich doch noch, wie es bei Lucía war, oder?“
„Mhm… Ich bin mental so stabil wie eine Sechsjährige, toll“, gebe ich sarkastisch von mir.
„Du schaffst das schon.“ Harvey klopft mir aufmunternd auf die Schulter. „Sturköpfe wie du ärgern sich meistens mehr als sie sollten. Ich weiß zwar nicht, wieso ihr beide Streit hattet, aber ich kann mir die Richtung schon ein wenig ausmalen. Sprecht euch aus, auch wenn du denkst, dass du Calums Hilfe nicht brauchst, brauchst du sie sehr wohl. Er kümmert sich um dich und auch wenn du es nicht wahrhaben willst, ist das gut für dich.“ Harvey wendet sich von mir ab, er setzt sich an seine Tastatur und tippt irgendetwas. Wahrscheinlich bekommt meine Akte einige Notizen. Ich schließe müde meine Augen. „Ein Entzug ist nicht einfach und eine körperliche und psychische Belastung, die auch eine Beziehung belasten kann. Manchmal kommen einem Worte aus, die man sonst für sich behalten würde. Calum wird das verstehen, wenn du es ihm erklärst. Er ist sehr besorgt um dich und deine Gesundheit und er bietet dir seine Hilfe an. Du solltest das schätzen und die Hilfe annehmen, Trevor. Du wirst im Nachhinein sehr dankbar sein, dass du dich dafür entschieden hast, Calum in deine Gedankenwelt eingeweiht zu haben. Es wird euch näher zusammen bringen.“
Ich öffne meine Augen und sehe Harvey an. „Gracias… Ich…“ Ich seufze. „Ich werde das Gefühl nicht los, als würde ich alles falsch machen. Ich habe Calum schreckliche Dinge angetan und ich… Ihr alle denkt, dass es das ‚Richtige‘ für Calum und mich ist, zusammen zu bleiben, aber vielleicht sollte ich mich Calum zuliebe doch scheiden lassen. Er ist noch jung, er hätte eine Chance jemanden zu finden, der ihn besser behandelt als ich es in den letzten Jahren getan habe. Ich bin nicht für eine feste Beziehung oder gar eine Ehe geschaffen. Ich ruiniere alles Gute in meinem Leben.“
Harvey wirkt überrascht. Er fasst an sein Kinn und überlegt für einige Sekunden. „Wenn du möchtest, dass Calum jemanden an seiner Seite hat, der besser ist, dann sei du doch derjenige. Bessere dich. Du siehst ein, dass du etwas falsch gemacht hast, das ist gut, das ist der erste Schritt.“
„Aber-“
Ich unterbreche meinen angefangenen Satz als Sally die Tür öffnet. „Entschuldige Trevor, du hast Besuch“, spricht die rothaarige Frau sanft.
„Besuch?“, frage ich nach.
„Deine Familie.“
„Ich will sie nicht sehen“, antworte ich genervt. „Nicht jetzt, es geht nicht. Ich bin nicht gut drauf. Sag ihnen, dass ich schlafe.“
„Ich will aber zu meinem papá!“, höre ich Cassies Stimme. Sie klingt aufgebracht. Wenige Sekunden später wuselt sie sich durch die Tür und an Sally vorbei, sie läuft sofort auf mich zu, als sie mich erblickt. Cassie sieht traurig aus. „Papá!“
Ich rutsche etwas zur Seite. Meine Tochter klettert aufgelöst zu mir auf das Bett. Ich kann ihr wegen meiner Infusion nur bedingt dabei helfen. Schluchzend und weinend umklammert meine Tochter mich. Durch meine Abwesenheit habe ich wohl mehr Schaden angerichtet, als ich dachte. Vorsichtig streiche ich durch Cassidys blonde Haare. Natürlich wundern sich die Mädchen, wo ich bleibe. Ich war noch nie so lange weg, ohne mich zu verabschieden und schon gar nicht, ohne ihnen zu sagen, was ich eigentlich mache.
„Wieso weinst du denn, Prinzessin?“
„Du bist wie Mama, die war auch im Krankenhaus und da-da waren auch die Beutel“, erklärt sie aufgebracht. Liebevoll drücke ich Cassie an meinen Brustkorb.
„Das ist keine Chemo, mein Schatz. Ärzte geben den Menschen oft Medikamente in solchen Beuteln, so gelangen die Wirkstoffe gleich ins Blut und man wird schneller gesund“, versuche ich dieses Missverständnis so einfach wie möglich zu lösen.
„Aber meine Mama ist gestorben, sie ist nicht gesund geworden und jetzt musst du auch sterben“, schluchzt sie weiter.
„No, Schätzchen, nein, das stimmt doch gar nicht. Ich bin nicht so krank wie deine Mama, versprochen“, erkläre ich traurig. Ich drücke meine Tochter an mich und küsse ihren Kopf. Tröstend streichle ich sie und als ich aufsehe, stehen Calum und Lucía ebenfalls im Zimmer.
Lucía lehnt sich an ihren Daddy, sie wirkt mindestens so traurig wie Cassie.
Ich dummer Idiot habe alles falsch gemacht. Ich habe meine Töchter mit meiner Abwesenheit verunsichert. Dass ich mich in den letzten Tagen aus dem Familiengeschehen zurückgezogen habe, macht meinen Kindern Angst. Ich bin ein Idiot, ein verdammter Idiot. Ich wollte sie vor meiner miesen Laune schützen und habe genau das Gegenteil erreicht. Ich habe ihnen wehgetan, obwohl ich versucht habe, sie genau davor zu schützen.
„Kannst du Lucía zu mir auf das Bett heben, Calum? Ich muss sie drücken.“
Ohne mir eine Antwort zu geben, hebt er unsere Tochter an. Nach wie vor streichle ich durch Cassies Haare. Harvey ist so taktvoll, dass er mir und meiner Familie Zeit lässt, um uns auszutauschen. Er verlässt den Raum. Mein marido setzt Lucía zu mir auf das Bett, auch sie kuschelt sich sofort an mich.
„Sei vorsichtig mit meiner Infusion, Lucía. Du tust mir nicht weh, aber pass auf, dass du nicht daran ziehst.“
„¿Estás muy enfermo?“, fragt sie leise nach. „Tengo miedo…“
„No, princesa. Estoy bien. Es ist alles okay, mein Schatz. Ich komme bald wieder nach Hause.“
Calum setzt sich in den Stuhl, den Harvey eben frei gemacht hat. Er faltet seine Hände ineinander und lehnt sich zurück. Ich bin mir sicher, dass diese Situation nicht spurlos an ihm vorbei geht. Er wird mich hassen und das zu Recht.
Eine Weile tröste ich einfach nur stumm meine Mädchen, doch dann ringe ich mich zu einigen Worten durch: „Es tut mir leid. Ich bin krank und fühle mich deswegen nicht so gut, aber ich hätte euch nicht alleine lassen dürfen. Das war dumm von mir. Ich hab euch beide lieb.“
Cassie hat glücklicherweise aufgehört zu weinen. Sie sieht auf. „Wirst du wieder gesund?“
„Aber klar, meine Süße. Ich hab euch doch noch nie angelogen. Das mit meinem Rücken ist auch schon besser, das heißt, dass ich euch bald wieder tragen und drücken kann. Das hat mir sehr gefehlt.“
„Wann kommst du wieder nach Hause?“, fragt Cassie weiter nach. Sie setzt sich auf und greift nach meiner Hand. Sie streichelt mich, ihre sanften Berührungen bringen mich zum Lächeln. Ein kurzer Blick zu Lucía verrät, dass sie sich mit geschlossenen Augen an mich kuschelt. Wenn sie weiterhin hier liegen bleibt, wird sie garantiert einschlafen.
„Ich weiß es noch nicht, aber es kann nicht mehr lange dauern“, verspreche ich. „Vielleicht ein paar Tage.“
Calum spricht das erste Mal, seit er hier ist: „Hey Mädchen. Domingo wartet noch draußen mit Sally. Wollt ihr Harvey nach etwas Wasser fragen, damit Domingo etwas trinken kann? Ihm ist sicher ganz schön heiß in der Sonne.“
„Und was ist mit papá?“, fragt Cassie nach. „Ich will nicht, dass er hier bleiben muss. Und wenn er hier bleiben muss, dann will ich bei ihm bleiben.“
„Cassie, ich bespreche das alles gleich mit dem Arzt und wir werden papá so bald wie möglich wieder mit nach Hause nehmen, versprochen.“
Calum steht auf. Er hebt erst Cassie und dann Lucía aus dem Bett. Bei meiner zweiten Tochter ist es gar nicht so leicht, denn Lucía will mich nicht loslassen. Sie hält sich an meinem Bauch fest. „Es ist okay, meine Süße. Wir können gleich weiterkuscheln“, beruhige ich sie. „Daddy und ich müssen nur ein paar Minuten reden.“
Cassie nimmt Lucía an der Hand, die beiden verlassen das Zimmer, somit bleiben Calum und ich alleine zurück.
„Eine Scheidung fällt flach“, meint mein marido, seine Arme sind dabei verschränkt. „Ich kann das nicht. Du siehst doch, wie die Mädchen leiden. Wir müssen uns zusammenraufen, hast du mich verstanden?“
Ich nicke. „Lo siento.“
„Hör auf mit diesen inhaltslosen Entschuldigungen. Lief wirklich etwas mit Haley oder wolltest du mich nur verletzen und wütend machen?“
„Ich… Sí, ich hab sie geküsst. Es war aber nicht mehr, weil ich wusste, dass es falsch war. Es hat meinem Ego für einige Sekunden gut getan, aber nicht meiner Seele. Ich fühle mich schuldig.“ Ich kann meinen marido kaum ansehen. Deprimiert lasse ich mich zurück sinken und sehe an die Decke. „Es tut mir wirklich leid. Der Entzug macht mich fertig, Calum. Ich war noch nie so verwirrt, so wütend und so paranoid… Der Alkohol hat einiges kaputt gemacht, du hast Recht. Du hattest die ganze Zeit Recht…“
Calum setzt sich zu mir aufs Bett. Er nimmt meine Hand in seine. „Dein… Trevor dein Ring ist weg…“
„Was?“ Ich sehe auf meine Hand, mein Ehering ist tatsächlich nicht an meinem Finger. Ich kann mich nicht erinnern, ihn abgenommen und irgendwo hingelegt zu haben.
„Hast du ihn abgenommen?“, fragt Calum nach.
„No… Ich muss ihn wohl verloren haben.“
Calums Blick verrät mir, dass er mir nicht glaubt. „Bist du dir sicher?“
„Calum, glaub mir bitte. Ich war in den letzten Tagen ziemlich daneben, aber ich habe ihn nicht abgenommen. Wenn ich ihn abgenommen hätte, dann hätte ich ihn dir entgegen geschleudert.“
„Okay, ich nehme das mal so hin.“ Calum küsst meinen Handrücken. „Ich weiß, dass der Entzug scheiße ist, das ist er für uns alle, aber es ist wichtig, dass du das durchstehst. Ich liebe dich nach wie vor und das werde ich immer und vielleicht bin ich auch ein riesen Idiot, weil mich die Männer, die ich am meisten geliebt habe, immer verletzt haben und ich das alles mit mir machen lasse… aber keine Beziehung ist perfekt und wenn du wieder klar im Kopf bist, bin ich sicher, dass es besser wird. Du bist kein schlechter Mensch und ich weiß ganz genau, dass du mir genau das geben kannst, was ich brauche.“ Calum zögert ein wenig, bevor er weiter spricht: „Vorausgesetzt… du liebst mich immer noch. Ich will dich zu dieser Ehe nicht zwingen, wenn du nicht bei mir bleiben möchtest.“ Ich richte mich etwas auf und sehe Calum an. „Aber du solltest wissen, dass du mir fehlst, dein richtiges Ich fehlt mir. Ich liebe dich.“
„Ich weiß, Baby.“ Calum beugt sich zu mir und nimmt mich in den Arm. „Du fehlst mir auch und mir fehlen auch die Mädchen, ich bin mir nur nicht sicher, ob ich das alles schaffe. Was ist, wenn du irgendwann erkennst, dass ich ohne Alkohol ein ganz anderer Mensch bin und dass du mich so überhaupt nicht willst?“
Calum lässt von mir ab. „Dann ändere ich dich eben wieder, so wie ich dich brauche.“ Mein marido streicht mir die Haare aus dem Gesicht.
„Witzig…“
Wir sehen uns einige Sekunden an. Calum küsst meine Stirn, ehe er weiter spricht: „Gibt es aus deiner Sicht noch eine Chance für uns oder willst du aufgeben?“ Ich atme tief durch. „Liebst du mich noch? Du bist meiner Frage ausgewichen. Das ist die wichtigste Frage. Liebst du mich noch, Trevor?“
Ich nicke. „Ich liebe dich, aber ich habe dumme Dinge getan und du solltest mir das nicht wieder verzeihen. Du hast etwas Besseres verdient. Ich bekomme es nicht hin, eine Beziehung zu führen. Ich werde dir immer wieder wehtun…“
„Dann ist das eben so“, antwortet mein marido.
„Das ist so dumm, Calum…“ Ich lasse mich wieder in die Matratze zurücksinken. „Ich ruiniere dein gesamtes Leben, das kann doch nicht alles sein, was du dir wünschst.“
„Das ist es nicht. Ich wünsche mir, dass du trocken und clean bist und dich gut um mich und unsere Mädchen kümmerst. Ich will, dass du dich wieder so verhältst wie vor unserer Ankunft hier in Pelican Town. Das Dad-sein steht dir gut, außerdem warst du immer ein guter Ehemann, als du klar im Kopf warst. Wir haben immer nur gestritten, wenn du high oder betrunken warst. Ich weiß, dass du anders sein kannst, du musst nur von dem scheiß Alkohol wegbleiben. Ich unterstütze dich, egal, was auf uns zukommt. Wir werden ein Ersatzritual für deine Trinkerei finden. Du hättest wieder Zeit für deine Musik, das ist doch was, oder nicht?“
„Und du denkst, dass ich das schaffe?“, frage ich nach. Ich versuche meine Unsicherheit zu verstecken, doch die dumme Frage meinerseits stellt meine Gefühle ohnehin offen zur Schau.
Mein marido streicht über meinen Unterarm. „Du bist ein sturer, zielstrebiger Mann. Es gibt nichts, das du nicht erreicht hast. In deinem Leben hast du bis jetzt alles gemacht, was du machen wolltest, egal wie stark der Gegenwind war und egal wie hart du dafür arbeiten musstest. Du hast bis jetzt immer alles getan, um dafür zu sorgen, dass unsere Ehe funktioniert, wenn wir ein großes, fast schon unüberwindbares Problem hatten. Du hast dein Gefühlsleben vor einem Psychologen ausgebreitet und du hast für mich auf Sex und Drogen verzichtet. Also dass Alkohol dir einen Strich durch die Rechnung macht, kann ich mir nicht vorstellen. Das ist doch das geringste Übel.“ Calum lächelt mich an. „Das wird schon wieder. Wir haben uns und das ist das wichtigste.“
Es ist schon wieder still zwischen uns. Mein marido streicht durch meine Haare. „Und was ist mit dir? Was änderst du?“, frage ich nach. Mein Blick ist auf die helle Stelle an meinem Ringfinger gerichtet. Ich hab ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht einmal bemerkt habe, dass ich ihn verloren habe.
„Was soll ich ändern? Dass ich mich um dich kümmere ist unverhandelbar. Ich werde dich nach wie vor kontrollieren, vor allem wenn du Medikamente bekommst. Irgendwas in deinem Kopf steht total aufs high sein und das werde ich unterbinden.“
Ich nicke etwas. „High sein ist super.“
„Ich weiß, Sweetie, aber das richtige Leben kann auch super sein, wenn du es zulässt. Also? Was an mir nervt dich am meisten? Was kann ich tun, um dich glücklicher zu machen?“
Überlegend sehe ich mich im Raum um, ehe mein Blick wieder auf Calum gerichtet ist. „Eigentlich bist du ja perfekt, aber…“
„…aber?“
„Vergiss es. Es ist albern“, winke ich geschlagen ab.
„Sag es mir bitte.“ Calum überlegt für einige Sekunden. „Geht es darum, dass ich dich enthaart habe? Du sprichst das Thema immer wieder an, es muss dich also stören.“
„Ich sagte doch, dass es albern ist“, wiederhole ich mich.
„Ja, irgendwie schon. Küss mich einfach, du Blödmann.“
„Das sollte ich hinbekommen, ohne dich zu enttäuschen“, antworte ich schmunzelnd.
Mein marido beugt sich zu mir, ich bekomme einen liebevollen Kuss von ihm. Ehe ich mich versehe sitzt Calum auf meiner Hüfte. Seine Knie sind links und rechts von mir in die Matratze gedrückt.
Calums Hände liegen nun an meinem Gesicht. Als er seine Zunge einsetzt, erwidere ich diese Geste.
„Küsst ihr euch wieder mit Zunge?“, erklingt Cassies Stimme neugierig wie immer. „Das heißt, dass ihr euch wieder vertragen habt, oder? Ihr streitet viel zu viel.“
Calum und ich lösen uns voneinander, nicht jedoch, ohne uns noch einmal zart zu küssen. „Ich liebe dich, auch wenn du mich wahnsinnig machst“, flüstert Calum leise. Ich bekomme noch einen zarten Kuss. „Bitte komm mit nach Hause.“
„Ich würde gerne heute Nacht hierbleiben“, lehne ich Calums Bitte ebenso leise ab. „Meine Übelkeit ist stärker als die letzten Tage, ich hab mich sogar übergeben…“
„Okay, aber du kommst wieder und haust nicht ab, versprochen?“
„Versprochen.“
„Und du, neugierige kleine Maus. Komm her, damit ich dich noch knuddeln kann“, spreche ich Cassie an. Meine Tochter springt auf mich zu und greift gleich nach meiner Hand.
Ich verabschiede mich noch bei den Mädchen und gehe sogar mit nach draußen, sodass ich mich auch von Domingo verabschieden kann. Cassie ist der Meinung, dass er mich sehr vermisst, ich hingegen bin der Meinung, dass die kleine Ratte nur wieder einen langen Spaziergang machen möchte.
Lucía möchte mich kaum loslassen, doch ich verspreche ihr, dass ich ihr bald wieder die Haare flechten und ihr die Nägel lackieren kann. Sie bekommt einen dicken Kuss auf die Wange, der sie zum Lächeln bringt.
Auch Calum kommt nicht zu kurz, ich gebe ihm viele, sanfte Küsse. Er verspricht, nach meinem Ehering Ausschau zu halten. Um mir die Möglichkeit zu einer eventuellen Flucht zu nehmen, nimmt Calum mir noch den Schlüssel zu unserem Sportwagen ab. Wenn ich es genau nehme, kann ich ihn in der Klinik ohnehin nicht brauchen. Heute werde ich mich nur noch ausruhen und hoffen, dass meine Beschwerden sich endlich in Luft auflösen. Ich leide schon zu lange unter meinem Entzug und den Stress, den er mit sich bringt.
…
Die Nacht ist recht windig, immer wieder höre ich irgendetwas vor dem Fenster rascheln. Immer wieder reißt mich ein Geräusch von draußen wieder aus meinem Halbschlaf. Da ich große Probleme habe, zur Ruhe zu kommen, bekomme ich von Harvey Medikamente, um einschlafen zu können. An sich bin ich kein Fan von Schlaftabletten, weil man sich morgens fühlt, als würde man aus seinem Grab auferstehen, anstatt zu erwachen, doch ich brauche einige Stunden Schlaf. Wenn ich nicht mit Medikamenten ruhig gestellt werde, würde ich mir bestimmt einige Stunden um die Ohren schlagen. Dieses verdammte Wetter.
Das Krankenbett ist recht angenehm, trotzdem drehe ich mich ein wenig hin und her, bis ich endlich in den Schlaf finde.
Geweckt werde ich durch ein Klopfen. Mein Kopf braucht ewig, um aus der vernebelnden Wirkung der Tabletten zu finden, doch als ich mich aufsetze, entkomme ich den einschläfernden Wirkstoffen. Mein Körper fühlt sich müde an. Es ist noch dunkel, immer noch Nacht, soweit ich das beurteilen kann. Der Wind hat nicht nachgelassen, ich bin mir gar nicht sicher, ob das Klopfen nicht doch bloß ein Ast war.
Müde steige ich aus dem Bett, meine Beine geben ein wenig nach, doch ich stütze mich an meiner Schlafgelegenheit ab, um nicht zu fallen. Ich könnte schwören, dass ich eine Stimme höre, doch ich verstehe nicht, was sie sagt. Vielleicht ist es der Wind, ich weiß es einfach nicht. Vom Fenster kommt ein Geräusch. Es klingt als würde etwas gegen das Fenster knallen. Vielleicht ein Stein?
Kaum lasse ich von dem Bett ab, geben meine müden Beine ein weiteres Mal nach, ich falle zu Boden, doch ich denke nicht daran, nachzugeben oder aufzugeben. Da draußen ist irgendetwas und ich will wissen, was es ist. Ich kämpfe mich angestrengt zurück in den Stand, doch als ich versuche, mich an einem weiteren Bett festzuhalten, falle ich wieder. Ich greife ins Leere. Müde schließe ich meine Augen. Ich habe nicht genug Kraft, mich auch nur aufzusetzen. Ich habe gar keine Kraft mehr.
Als ich meine Augen öffne, liege ich im Krankenbett. Ich nehme ein Klopfen wahr. Verwirrt fasse ich an meinen Kopf. Bin ich nicht gerade aus dem Bett gestiegen? Wie viel Zeit ist vergangen, seit ich hingefallen bin?
Ich bewege meine Beine ein wenig, um sicher zu gehen, dass ich Gefühl in meinen unteren Extremitäten habe. Vorsichtig steige ich anschließend aus dem Bett. Meine Schritte sind sicher, als ich mich Richtung Fenster begebe. Der Wind heult, es klingt als würde da draußen jemand rufen, doch das Wetter zerstreut die Worte im Wind. Das Fenster lässt sich nicht auf Anhieb öffnen. Ich bin noch etwas müde und kraftlos, doch ich schaffe es beim dritten oder vierten Versuch.
Mein Blick fällt nach draußen in die Dunkelheit. Die Laterne vor Harveys Klinik erhellt gerade so viel, dass ich erkenne, dass jemand vor dem Fenster steht.
„Was… Was machst du hier? Es ist mitten in der Nacht“, frage ich erschrocken, doch ich bekomme nur ein Schluchzen als Antwort.