Author's Note
Alternatives Ende 1/3
Die alternativen Enden zu dieser Geschichte spielen x Monate nach dem Epilog und sind voneinander unabhängig.
unos meses después…
«Más vale tarde que nunca.»
Deutsches Sprichwort:
Besser spät, als nie.
Manchmal benötigt man Jahre, um zu realisieren, welchen Menschen man an seiner Seite braucht, um sich selbst am besten entwickeln zu können. Manchmal braucht man einen weichen Gegenpart zu seiner harten Schale. Diese Erfahrung mache ich nun, nachdem ich eingesehen habe, dass meine Ehe mit Calum nach einem letzten vergeblichen Neustart gescheitert ist.
Ich habe mich ewig dagegen gewehrt, meine Ehe zu beenden, weil ich zu stur war zuzugeben, dass es nicht funktioniert. Die Anzeichen waren da, jahrelang, und ich habe sie ignoriert, weil ich an etwas festhalten wollte, das uns beiden allerdings nicht gut getan hat.
Calum war immer schon zu hart für mich. Wenn zwei Sturköpfe immer wieder aufeinander prallen, kann man nicht seinen Frieden finden.
Die endgültige Entscheidung fiel mir schwer, doch in Momenten wie diesem fühlt sie sich richtig an. Aus Calums Sicht war es im Nachhinein betrachtet ein großer Fehler, Richie bei uns aufzunehmen. Aus meiner Sicht hingegen habe ich endlich das getan, was mehr als überfällig war. Ich habe mich für den Mann entschieden, der mir seit Jahren durch den Kopf geht.
In unserer Auszeit hatte nicht nur Calum eine kurze Affäre, ich selbst konnte ja auch kaum die Finger von Richie lassen und selbst nach unserer gemeinsamen, eigentlich einmaligen Nacht, haben wir beide immer wieder die körperliche Nähe zueinander gesucht. Richie nicht anzufassen war unmöglich. All diese verstohlenen Blicke, die vorsichtigen Umarmungen, das dezente Berühren seines Hinterns…
Die Heimlichtuerei ist mittlerweile hinfällig und trotzdem habe ich nicht das Interesse an Richie verloren. Ganz im Gegenteil, ich kann nicht genug von diesem Menschen bekommen. Auch jetzt nicht…
Ich sitze auf dem Bett und sehe meinem Freund dabei zu, wie er sich gerade anzieht. Wir sind fast schon auf dem Weg… aber eben nur fast…
Heute Abend besuchen Richie und ich eine Charity Gala. Es geht wieder um eines der vielen Projekte, an denen Dan arbeitet.
„Und du bist dir wirklich sicher, dass du heute mitkommen möchtest?“, erkundige ich mich bei meinem Freund, der gerade sein Aussehen im Spiegel betrachtet.
„Ja.“
„Ganz sicher?“, frage ich noch einmal nach. „Die Reporter werden ausflippen. Das ist mein erster Auftritt in der Öffentlichkeit, seit Calum und ich uns scheiden lassen haben. Außerdem könnte Calum auch da sein. Dan hat ihn auf die Gästeliste gesetzt.“
„Ja und? Denkst du ernsthaft, dass Paparazzi mich stören?“, fragt Richie mich, wobei er sich in meine Richtung dreht. „Dass die uns fotografieren und uns auflauern, ist mir recht egal und nichts Neues für mich.“ Er tritt näher an das Bett heran. „Und außerdem bin ich sicher, dass Calum weiß, dass du eingeladen bist. Dan würde euch beide niemals einladen, ohne dem anderen davon zu erzählen. Er hat ja selbst keine Lust auf Drama. Und vielleicht kommt Calum ja gar nicht und wenn doch, dann ist es auch egal, weil er dann offensichtlich damit klar kommt, dass wir anwesend sind. Ich lasse mir von ihm nicht den Spaß verderben. Alles, was für mich zählt sind die Momente, die wir beide teilen können“, erzählt Richie selbstsicher. „Niemand wird mir jemals wieder mein Glück wegnehmen.“
Ich sehe zu ihm hoch. Richie beugt sich zu mir, um mir einen sanften Kuss zu geben. Im Normalfall nehme ich Richie nicht besonders ernst, wenn er versucht Selbstsicherheit auszustrahlen, doch heute ist das anders. Seine sonst oft kindliche Ausstrahlung ist in diesem Moment wie weggeblasen. An seinem Blick erkenne ich eindeutig, dass es ihm wichtig ist und dass er zu seiner Aussage stehen wird. Komme, was wolle. Er ist schon lange nicht mehr das kleine, aufdringliche Kind, dem ich vor vielen Jahren Nachhilfe gegeben habe. Richie ist erwachsen geworden. Auch er hat viel durchgemacht, um an diesen Punkt zu kommen.
Sanft ziehe ich an seiner Hand, was ihn dazu veranlasst, zu mir ins Bett zu klettern. Ich lächle Richie an und küsse seine süße Nasenspitze.
„Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“
…
Stunden später sitzen wir in einer Limousine, die uns zu dem Charity Event bringt. Von Profis gestylt und von Designern eingekleidet, warten wir auf unseren Auftritt. Nicht nur Highway 89 hat eine Menge Geld für den Ausbau der Obdachlosenheime gespendet, auch Richie und ich haben tief in die eigenen Taschen gegriffen, um Dans Herzensprojekt zu unterstützen.
„Du musst mit niemandem sprechen, wenn du das nicht möchtest. Wenn dir jemand von der Presse unangenehme Fragen stellt, musst du sie nicht beantworten. Auch wenn man im Rampenlicht steht, hat man das Recht auf seine Privatsphäre, auch wenn die Medien das anders sehen“, erinnere ich meinen Freund.
„Ich weiß, Trevor“, antwortet Richie mir. „Ich war mit meinen Eltern schon oft auf solchen Events.“
„Ay, dieses Mal wird es ein klein wenig anders sein…“
„Ich bin darauf vorbereitet. Ich habe mein schönstes Lächeln dabei.“
Ich sehe meinen Freund an, der mich breit anlächelt. Er überzeugt mich schnell davon, dass er dem Trubel gewachsen ist. Richie bekommt einen Kuss von mir. Der Wagen hält, wir sind da.
Als unsere Wagentür geöffnet wird, steige ich zuerst aus. Das Blitzlichtgewitter beginnt schnell. Ich reiche meinem Freund die Hand, um ihm aus dem Auto zu helfen. Selbst als wir über den roten Teppich gehen, lasse ich seine Hand keinen Moment los. Richie gehört zu mir und das sollen ruhig alle Menschen mitbekommen.
Unzählige Fotografen lichten uns ab. Ich kann die vielen reißerischen Schlagzeilen schon in meinem Kopf sehen. Sie werden von jedem Makel berichten, den sie an uns entdecken. Sie werden meine Beziehung in den Schmutz ziehen, sie werden über meine Scheidung schreiben und Richie und Calum miteinander vergleichen. Sie werden sich daran ergötzen, wie eiskalt ich meinen Mann gegen seinen jüngeren Cousin eingetauscht habe.
Ein Statement gebe ich heute nicht ab. Im Inneren des Saals warten ohnehin ausgewähnte Reporter, die sämtliche Anwesenden interviewen werden. Egal wie oft sie mich nach meinem Beziehungsdrama fragen werden, ich werde die Fragen geschickt abwehren und mich voll und ganz auf das Charity Event konzentrieren.
Im Inneren des Gebäudes ist das Blitzlichtgewitter schon wieder fast vergessen. Mein Freund schmiegt sich an meinen Arm.
„Egal was die Reporter heute von sich geben, wir werden uns den Abend auf keinen Fall verderben lassen“, spricht Richie zuversichtlich.
„Wie Recht du hast, mein Kleiner.“
Mit Richie am Arm mische ich mich unter die Menge. Auch die Promis tuscheln. Jeder hat seine Meinung, seine Sicht der Dinge und es fühlt sich auch glatt so an, als würde jeder für sich entscheiden, zu welcher ‚Partei‘ er halten wird. Richies Lächeln und seine gute Laune sind trotz der vielen Blicke unerschütterlich. Entweder, weil mein Kleiner so naiv ist und nicht mitbekommt, dass wir das Gesprächsthema des Abends sind, oder weil es ihm und seiner starken Persönlichkeit tatsächlich am Arsch vorbei geht, was die Menschen von uns halten. In diesem Fall bin ich mit beiden Varianten zufrieden.
Was auch immer der tatsächliche Grund für Richies positive Einstellung ist, ist eigentlich nebensächlich. Es zählt, dass auch ich mich davon anstecken lasse. All die Fragen über die Scheidung und über meine neue Liebe werden heute an mir abprallen. Sollen sie doch schreiben, was sie wollen. Die wenigsten in diesem Raum haben eine Ahnung davon, wer ich abseits des Ruhms und des Blitzlichtgewitters bin.
Richie hingegen weiß es und er liebt mich dafür, selbst mit meinen Fehlern.
…
Heute ist einer der ruhigeren Tage meines Lebens. Mein Kalender ist leer und ich verbringe den Nachmittag im Garten. Richie und ich haben uns eine Villa am Stadtrand von Zuzu City gekauft. Sie liegt in der Nähe von Richies Elternhaus. Die Gegend ist sehr beliebt, auch Jayson und seine Ex-Frau Jenny haben hier ihre Villen. Die Siedlung ist eingezäunt, die Paparazzi müssen zu ihrem Bedauern draußen bleiben.
Der Frühling nähert sich in großen Schritten. In unserem Garten blühen schon die einen oder anderen Blumen. Die Kräuter in den Töpfen unserer Terrasse strecken sich ebenfalls der Sonne entgegen. Auch außerhalb von Pelican Town gibt es Möglichkeiten, seine Ruhe zu finden und ich habe sie gefunden und zwar an der Seite meines neuen Freundes.
Die reißerischen Schlagzeilen habe ich beinahe schon wieder vergessen, die Bilder jedoch nicht. Wir sehen als Paar gut aus. Mit Richie an meiner Seite wirke ich auch größer und etwas männlicher, neben Calum kam ich mir auf Fotos immer zierlicher vor, als ich eigentlich bin. In meiner aktuellen Beziehung fehlt das Gefühl mich beweisen zu müssen vollkommen. Ich bin mehr als zufrieden mit meinem Leben.
„Hey, Trevor“, begrüßt Richie mich, als er von drinnen auf die Terrasse kommt. Als ich mich zu ihm drehe, erblicke ich sein zufriedenes Lächeln. Jeder Tag meines Lebens wird von diesem Lächeln erhellt. Er sieht mich immer so an, als wäre ich das wertvollste auf der Welt für ihn. Mir geht es nicht anders. In seiner Gegenwart werde ich beinahe kitschig. Auch ich lächle das neue Licht meines Lebens an.
„Hey, mein Kleiner. Wie war dein Training?“
Freudig setzt Richie sich auf meinen Schoß, er lässt seine schlanken Beine auf dem unbesetzten Platz der gepolsterten Bank ruhen. Wir küssen uns zur Begrüßung. Seine Berührungen sind zart und liebevoll.
„Das Training war so toll. Meine Tennislehrerin sagt, dass ich fit genug wäre, um am Turnier teilnehmen zu können“, erzählt Richie freudig von seinem Nachmittag. Er küsst meine Wange und schmiegt sich liebesbedürftig an mich. „Du kommst doch zu meinen Spielen, oder?“
Zufrieden lege ich meine Arme um meinen Kleinen. „Es gibt nichts, das mich aufhalten kann, cariño. Ich muss dich doch anfeuern und deine Gegner auf Spanisch beschimpfen.“
Richie schmunzelt. „Klingt wunderbar. Also das Turnier wäre in zwei Wochen. Samstag und Sonntag. Wir wären sozusagen das ganze Wochenende im Country Club“, erzählt er. „Kannst du mit Calum reden und ihn fragen, ob die Kinder bei ihm bleiben können? Sie würden sich nur langweilen, wenn sie sich das Turnier ansehen müssten. Die Woche darauf machen wir dafür etwas ganz Tolles mit ihnen. Vielleicht gehen wir in einen Freizeitpark, das gefällt ihnen bestimmt. Da können sie Süßigkeiten essen und sich austoben.“
„Naja“, gebe ich etwas missmutiger von mir. „Die Kommunikation folgt immer noch über Anwälte. Es könnte sein, dass ihm das zu kurzfristig ist und er mir daraus einen Strick drehen will. Calum will nach wie vor weder mit mir, noch mit dir etwas zu tun haben. Ich bin ziemlich sicher, dass er mir nicht entgegenkommen wird.“
Richie seufzt. „Ich weiß… Ich wollte nicht, dass das passiert. Sein Blick hat ja alles gesagt…“
Liebevoll streichle ich über Richies Wange. „Mach dir keinen Kopf darüber, okay? Man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt.“
Mein Kleiner zuckt mit den Schultern. „Ich fühle mich trotzdem mies. Ich habe eure Ehe ruiniert und er ist deswegen verdammt sauer auf mich. Ich wollte mich nicht dazwischendrängen…“
„Hast du nicht, glaub mir, Richie. Es hat seit Jahren nicht richtig funktioniert. Meine Ehe war schon mehr als kaputt, bevor ich mit dir geschlafen habe.“
Vorsichtig führe ich Richies Lippen an meine. Wir küssen uns zärtlich. Ohne den Kuss zu lösen, spreizt Richie etwas die Beine und erhebt sich, um es sich bequemer zu machen. Mein Freund lässt sich wieder auf meinem Schoß sinken. Er wechselt die Position, um mir noch näher zu sein. Bedürftig nach Liebe drückt er seinen Brustkorb etwas gegen meinen. Seine schlanken Arme schlingt Richie um meinen Hals. Eine meiner Hände hält Richie fest, die andere findet ihren Weg in seine hintere Hosentasche. Dieser kleine, knackige Hintern gehört nur mir alleine und ich darf ihn endlich ungeniert betatschen.
Ich löse den Kuss, gebe Richie jedoch noch weitere, kurze Küsse auf seine Lippen, bevor ich von ihm ablasse.
„Hat sich das mies angefühlt?“, frage ich nach, ehe ich seine Stirn küsse.
„Nein, ganz und gar nicht“, antwortet Richie zögerlich. „Denkst du, dass Calum jemals darüber hinweg kommen wird?“
„No se…“ Wir sehen uns an. Wieder streiche ich über Richies Wange, dann durch seine Haare. „Aber ich werde mir mein Glück nicht von meinem Ex-Mann kaputt machen lassen. Calum und ich waren jahrelang verheiratet und wir hatten eine schöne Zeit, aber das ist Vergangenheit. Du bist jetzt das wichtigste für mich.“
„…und die Mädchen. Die sind auch sehr wichtig“, erinnert Richie mich eilig.
„Natürlich“, stimme ich ihm zu. „Solange ich dich habe und regelmäßig meine Kinder sehen darf, habe ich alles, was ich brauche, um glücklich zu sein.“
Richie lächelt wieder ein wenig. „Hoffentlich kann Calum bald damit abschließen. Bei der Gala hab ich richtig bemerkt, dass er uns noch sehr grollt.“
„Vielleicht tröstet es ihn, dass ich ihm das Haus und den Sportwagen überlassen habe.“
Richie schüttelt etwas den Kopf. „Das denke ich nicht. Wenn du mich fragst, würde es ihm aber besser gehen, wenn er uns mit dem Sportwagen überfahren würde.“
Ich schmunzle, zucke jedoch etwas mit den Schultern. „Kann sein, dass er mir niemals verzeihen wird. Ein besonders feiner Zug war es ja nicht, ihn wegen einem anderen zu verlassen.“ In Richies Augen erkenne ich, dass er sich mehr als schuldig fühlt. Ich küsse seine Nase, was ihn zum Kichern bringt. „Egal, wie sehr mir Calum ans Bein pisst, ich bin zufrieden mit meiner Entscheidung. Ob er mir das Glück nun gönnt oder sich darüber ärgern möchte ist seine Sache. Für mich zählt nur, was du von mir hältst.“
„Mhm. …trotzdem tut es mir leid. Ich hänge immer noch sehr an Calum. Dass ich jetzt sozusagen sein Feind bin, weil ich ihm den Mann ausgespannt habe, ist scheiße…“
Richie kuschelt sich an mich. Ich streichle über seinen Rücken und blicke auf die Karten, die ich auf dem Tisch aufgelegt habe. Mein Kleiner hat sein Versprechen eingelöst und mir tatsächlich Karten geschenkt, damit ich wieder Oldschool-Solitär spielen kann. Auch wenn es nur eine winzige Geste ist, weiß ich sie sehr zu schätzen. Anstatt sich über mich lustig zu machen wie Calum es oft getan hat, liebt Richie es, dass ich in einigen Dingen sehr altmodisch geblieben bin.
Ich halte meinen Freund fest, rutsche jedoch etwas nach vorne, um nach meinem Glas greifen zu können. Ich drehe meinen Kopf etwas zur Seite, um einen Schluck meines Tequilas nehmen zu können.
„Hast du Lust, später einen Spaziergang zu machen?“, frage ich meinen Freund. An meinem Hals nehme ich sein Nicken wahr.
„Wenn Spaziergang heißt, dass du mich ins Bett trägst, dann ja.“
„So, so. Mein Kleiner will also, dass ich ihn ins Bett bringe.“
„Ich hab mich beim Training ziemlich verausgabt“, erklärt Richie. „Ich merke grade richtig, wie die Müdigkeit sich in meinem Körper breit macht. Ein Nickerchen wäre echt toll.“
„Ay, na dann wird es Zeit, dass du dich ein wenig entspannst.“
Ich beuge mich wieder etwas nach vorne, um meine Karten zusammenzusammeln. Wie ein kleines Faultier klammert sich Richie die gesamte Zeit über an mir fest. Ich trinke noch mein Glas aus, ehe ich aufstehe. Wie versprochen trage ich meinen Freund bis ins Haus und schaffe es sogar bis ins Bett. Als ich ihn fast schon auf die Matratze fallen lasse, lacht er.
„Awww, du hättest sagen können, dass ich dir zu schwer bin“, zieht Richie mich auf. „Du bist trotzdem mein Held.“
„Du bist nicht zu schwer, nur zu unhandlich“, erkläre ich, wobei ich zu ihm ins Bett klettere. „Wenn du zu schwer wärst, hätte ich mir gleich wieder einen Hexenschuss geholt. Der Jüngste bin ich ja nicht mehr, aber das weißt du ja, immerhin musst du jeden Tag mein faltiges Gesicht sehen.“
Mein Freund lacht. „Ach komm, so alt bist du nun auch wieder nicht. Du übertreibst. Anstatt Unsinn zu reden könntest du mich küssen, das gefällt mir besser.“
Unsere Lippen berühren sich immer und immer wieder. Wir werden jedoch nicht schnell intim miteinander. Ganz im Gegenteil. Ich sehe Richie nur an, seine blauen Augen erinnern mich an den Ozean. Man könnte meinen, dass man am Strand steht und Richtung Horizont sieht. Wenn ich in Richies Augen blicke, driften meine Gedanken immer ein wenig ab. Das Zusammenspiel von hell und dunkel in seiner Iris lässt einen kaum an etwas anderes als das Rauschen des Meeres denken. Man kann den Sand unter seinen Füßen beinahe spüren und die salzige Luft fast riechen. Es fühlt sich an, als wäre ich zu Hause…
Seit ich mit Richie zusammengezogen bin, fühle ich mich generell anders. Leichter, unbeschwerter, beinahe so, als gäbe es in meinem Leben keinen Stress mehr. Mein Kopf ist frei, die Inspiration fließt wieder und das nur, weil mich eine neue Muse geküsst hat. Eine Muse, die mich perfekt ergänzt und sich von meiner etwas aufbrausenden und strengeren Art leiten lässt, anstatt dagegen zu kämpfen.
„Es ist schön, wenn du lächelst“, spricht Richie zufrieden. „Dieser fiese Blick, den du immer drauf hast, ist zwar sexy, aber nicht immer angebracht.“ Richies Finger wandern über meinen Brustkorb. Mit ein wenig Geschick öffnet er einen Knopf an meinem Hemd.
„Tja, wenn du schön brav bleibst und nichts anstellst, was mich ärgert, dann wird mein fieser Blick dich nicht mehr so schnell treffen.“
Richie grinst etwas. „Und wenn ich nicht brav bin?“
„Dann versohle ich dir deinen kleinen, süßen Hintern.“
Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen greift Richie nach meiner Hand und legt sie an seinen Hintern. „Nicht versohlen, nur lieb streicheln. Wenn du lieb zu ihm bist, ist er auch lieb zu dir.“
Ich packe Richies linke Pobacke und drücke etwas zu. Zu oft hat er mich mit diesem Knackarsch geködert. Immer wieder musste ich mir selbst geistig in den Hintern treten, um ihn nicht anzufassen. Er wusste die ganze Zeit über, dass es mir schwer fällt, ihm zu widerstehen und trotzdem hat er mich immer wieder damit konfrontiert. Schon alleine seine verdammten Yoga-Übungen in der Morgensonne, während ich auf der Veranda eine Zigarette geraucht habe, waren nur dazu da, um mir zu zeigen, was ich verpasse, solange ich mich nicht für ihn entscheide.
„Ich liebe deinen Arsch so sehr.“ Richie bekommt einen leichten Klaps. „Fast so sehr wie ich den Rest von dir liebe.“
„Was gefällt dir an mir am besten?“, fragt Richie verspielt nach.
„Deine Art“, antworte ich schnell. „Ich hätte nicht erwartet, dass es so unkompliziert sein wird, sobald ich mich entscheide. Gut, von meiner Scheidung mal abgesehen… An deiner Seite fühle ich mich anders…“
„Anders?“
„Ausgeglichener, beinahe, als hätte mein unruhiger Geist eine Heimat gefunden.“
„Awww“, erklingt mein Kleiner gerührt. „Du bist so ein Softie.“
Grinsend ermahne ich ihn: „Wenn du jemandem von meiner soften Seite erzählst, gibt’s Ärger.“
Zufrieden schmiegt Richie sich an mich. Der Kuss, in den er mich verwickelt ist zärtlich und liebevoll, allerdings auch ein klein wenig fordernd. Kaum hat der Kuss begonnen, löst Richie jedoch wieder unsere Lippen voneinander. Mit einem wohligen Seufzer kuschelt sich Richie an meinen Brustkorb. Ich schließe die Augen und genieße den Moment.
Natürlich ändert diese neue Beziehung nicht von heute auf morgen meinen aufbrausenden Charakter. Ich bin immer noch ich. Ich bin immer noch derselbe, geile Idiot, der ungeniert hübschen Menschen hinterher sieht. Der Alkoholiker, der damit kämpft, dass sein Suchtproblem nicht wieder überhandnimmt. Ich bin allerdings auch der Musiker, der durch den Kuss einer neuen Muse ungeahnte Kreativität entdeckt hat. Ich bin der Mann der alles, was er hatte, für einen weiteren Neustart seines Lebens aufgegeben hat. Und für den Moment bin ich mit meinen Entscheidungen einfach nur zufrieden.
Gut, die Entscheidung, mich von Calum zu trennen und mich scheiden zu lassen, hat mir nicht nur das Haus und den Sportwagen, sondern auch das Sorgerecht für meine Kinder gekostet. Wenigstens den Hund konnte er mir nicht wegnehmen. Solange ich außerdem jederzeit die Möglichkeit habe, mit ihnen zu telefonieren und sie durch das Besuchsrecht regelmäßig zu sehen, kann ich damit leben. Es ist hart und ich vermisse meine Mädchen sehr oft, doch die Zeit, die ich mit ihnen verbringe, ist das Highlight meiner Woche.
So gleichgültig gegenüber meiner Ehe es auch klingen mag, aber die Scheidung hat viele meiner Probleme gelöst. Sobald mein Ex-Mann die Wut hinter sich lassen kann, wird er einsehen, dass es auch für ihn besser ist. Ich habe ihm zu oft wehgetan. Hoffentlich findet er jemanden, der ihm das geben kann, wozu ich nie in der Lage war.
Unsere Chemie war immer sehr intensiv. So sehr ich Calum geliebt habe, so toxisch waren wir füreinander. Zwischen uns gab es ständig Machtkämpfe, die keiner von uns weder gewinnen konnte, noch verlieren wollte. Zu oft wollten wir einander kontrollieren oder manipulieren. Was so einfach und locker angefangen hat, hat uns durch unsere dominanten Persönlichkeiten das Leben schwerer gemacht, als wir es jemals vermutet hätten. Wir sind nicht füreinander geschaffen, auch wenn wir beide uns das gewünscht haben…
Ich öffne die Augen. Richie sieht zu mir nach oben. Ich blicke in sein glückliches Gesicht. Ich musste mein altes Leben aufgeben, um eine neue, erfüllende Liebe zu finden. Wenn ich mir vor Augen halte, was ich gewonnen habe, weiß ich, dass ich das richtige getan habe.