Author's Note:
Für dieses Kapitel habe ich mir "Sally" von der Autorin "Marmelade" (nicht auf Belletristica registriert) geliehen.
capítulo 22
amigos imaginarios
Der Morgen beginnt ruhig und friedlich. Das Frühstück verläuft ohne irgendwelche Streits oder negative Ereignisse. Es ist ein Morgen wie jeder andere, wenn man Teil einer durchschnittlichen, langweiligen Familie ist. Nicht lange nach dem Frühstück werden die Mädchen von Sally zum Spielen abgeholt. Ihre Kinder Sina und Lucas sind ungefähr im selben Alter wie unsere Mädchen, also weitaus bessere Spielkameraden als Calum und ich.
Ich lasse mich zum Abschied von meinen Mädchen drücken und knuddeln. Liebevoll streichle ich ihre Köpfe. In ein paar Minuten sind wir sie los und können tun und lassen, was wir wollen. Mir würde einiges einfallen, das ich im Moment will. Calum steht ganz oben auf dieser Liste.
Wir sind gerade dabei, ein wenig Smalltalk zu führen, während die Mädchen sich noch eine Dosis väterliche Liebe mit auf den Weg nehmen.
„Wie lange dürfen wir dir die Mädchen überlassen?“, frage ich Sally. Sie richtet ihren Blick auf mich, lächelt dabei freundlich.
„Ich kann sie nach dem Mittagessen vorbei bringen. Ich muss heute Nachmittag leider weg, sonst hätte ich sie euch den ganzen Tag abgenommen.“
„Na hoffentlich bleiben die beiden so lange brav.“ Ich sehe zu meinen Mädchen nach unten. „Macht der netten Lady keinen Ärger, verstanden?“
„Wir sind immer brav, papá“, erzählt Cassie lässig.
„Naja“, entgegnet Calum skeptisch. „Wenn wir immer gegen hin und wieder tauschen, dann kommt das schon eher hin. Und danke nochmal, Sally, ihr helft uns damit sehr. Ein halber Tag Auszeit kann Wunder bewirken.“
„Keine Ursache“, winkt die rothaarige Frau lächelnd ab. „Was das Essen betrifft, muss ich da auf etwas Acht geben?“
„No“, antworte ich. „Sie essen Fleisch, falls du darauf hinaus wolltest. Ansonsten sind sie nicht wählerisch.“
Sie nickt. „Mit Spaghetti macht man bei Kindern fast nie etwas falsch“, spricht Sally zuversichtlich. „Oder wie seht ihr das, Mädchen?“
„Wir mögen Spaghetti“, freut Cassie sich, wobei sie sich von mir löst.
„In ihren Rucksäcken haben sie etwas zu trinken und Badesachen dabei, falls du mit ihnen schwimmen gehen willst“, erklärt mein Liebster. „Wir haben sie schon eingecremt, es wäre aber lieb, wenn du den Sonnenschutz erneuerst. Cassie hat sehr helle Haut und ist ein bisschen empfindlicher. Oh und Lucías Narben sind auch ein wenig heikel, da solltest du nicht mit Sonnenschutz sparen.“
„Das ist so gut wie erledigt“, antwortet Sally ihm.
Die Mädchen wechseln nun von mir zu meinem marido, um sich auch von ihrem Daddy gebührlich zu verabschieden. Calum und ich sorgen dafür, dass der Abschied kurz und schmerzlos ist, schon alleine, weil Sallys Kinder ungeduldig werden. Sie wollen zum Spielplatz und ich muss gestehen, dass sie nicht die einzigen sind, die ein bisschen spielen wollen.
Die Mädchen drehen sich nach wenigen Metern auf dem Weg Richtung Stadt noch einmal zu uns um. Lucía winkt, was Calum und ich gleich erwidern.
Ich sehe zu meinem Liebsten. „Hättest du… jetzt Lust auf Sex? Wir könnten es gleich hier draußen tun…“, schlage ich vor. Ich kann meine Intentionen und mein Grinsen nicht länger verbergen.
„In deinen Träumen, Trevor“, antwortet Calum emotionslos.
„In meinen Träumen stellen wir noch ganz andere Dinge an“, antworte ich meinem marido grinsend. „Und du liebst jede einzelne Sekunde davon.“
„Ich glaube, dass du schon zu lange in der Sonne stehst.“ Calum nimmt meine Hand und zieht mich Richtung Haus. „Komm, ich mache dir einen Kaffee und du trinkst ein Glas kaltes Wasser, um dein heißes Gemüt zu kühlen.“ Sobald ich ihm folge, lässt er meine Hand wieder los. Calum geht vor, ich greife nach seinem Hintern und gehe neben ihm her. Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, ihm sanft in den Hintern zu kneifen. Diesem knackigen Hintern kann man nicht widerstehen. Es ist ein Naturgesetz, dass ich ihn anfassen muss, sobald er in Sichtweite ist. Ich liebe Calums Hintern. „Trevor? Könntest du das bitte lassen?“
„Wenn du aufhörst, so heiß zu sein, dann gerne.“ Auch wenn meine Antwort das Gegenteil vermuten lässt, lasse ich Calums wohlgeformten Hintern los, jedoch nicht, ohne ihm noch einen kleinen Klaps zu geben.
„Dann sollte ich ab heute nur noch fressen und nicht mehr trainieren. Ich fange gleich damit an, sobald ich in der Küche bin.“
„Finde ich gut, dann sehe ich neben dir besser aus und muss keinen Funken dafür tun, während du allerdings immer dicker und rundlicher wirst“, entgegne ich grinsend. „Aber das macht nichts, Calum. Babyspeck kann ganz niedlich sein.“
„Du kannst mich mal…“
„Was ist los mit dir?“, frage ich nach. „Beim Frühstück war noch alles okay und jetzt bist du angepisst. Du weißt doch, dass ich nur schlechte Witze mache. Außer der Sex, ich mache nie Witze über Sex.“
„Ich habe dir oft gesagt, dass ich nicht will, dass du dir meinen Arsch krallst und mir einen Klaps gibst, aber du verstehst das einfach nicht.“
„Es ist ein Kompliment, dass ich deinen Arsch toll finde… Wieso kannst du es nicht einfach als Kompliment auffassen?“
„Anstatt mir ständig auf den Arsch zu schlagen könntest du deinen Mund aufmachen. Du könntest mir mit netten Worten ein Kompliment machen, das würde mir besser gefallen. Der Klaps auf den Arsch fühlt sich abwertend an, ich kann das nicht ausstehen und du weißt das ganz genau und trotzdem machst du es immer und immer wieder.“
„Okay du Diva, reg dich wieder ab, ich lasse ja schon die Finger von dir“, antworte ich neutral. „Es sollte wirklich nur ein Kompliment sein und dich nicht in eine Lebenskrise stürzen…“
Auch wenn mein letzter Satz nicht unbedingt dazu beitragen wird, wird Calum sich schon wieder beruhigen. Ich habe zwar versprochen, dass ich ihn nicht anfasse, aber nicht, dass ich ihn nicht ansehe.
Calum geht vor mir die Verandatreppe hinauf. Ich genieße die Aussicht solange sie hält und steige dann selbst die wenigen Stufen hinauf. In Erwartung meines Kaffees setze ich mich auf meinen Stuhl und beginne damit, mir eine Zigarette zu drehen. Ich nutze weniger Tabak, dafür aber mehr der grünen Liebe, um dafür zu sorgen, dass ich etwas ruhiger werde. Es fällt mir heute schwer, mich auf etwas Anderes außer Sex zu konzentrieren. Am liebsten würde ich Calum ins Schlafzimmer zerren und so lange im Bett mit ihm spielen, bis wir beide zu müde und zu ausgelaugt sind, um uns zu bewegen und glücklich und befriedigt einschlafen.
Meine größte Befürchtung für heute ist allerdings, dass Calum längerfristig schlecht gelaunt ist und ich ihn deswegen nicht mehr anfassen darf. Ich weiß nicht, welche Laus meinem Liebsten tatsächlich über die Leber gelaufen ist und trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich nicht ganz unschuldig bin. Während ich auf meinen marido warte, zünde ich meine Zigarette an und nehme einen tiefen Zug. Aus der Küche kann ich hören, wie Calum gerade Milch für seinen Cappuccino aufschäumt. Wenn er wieder hier draußen ist, werde ich ihm eines seiner Gespräche aufdrücken, so wie er das immer mit mir macht. Egal wie sehr er sich wehren wird, ich werde nicht klein beigeben und so lange nachfragen, bis ich ihn geknackt habe. Ich werde ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen. Das Gespräch könnte konstruktiv verlaufen und falls nicht, merkt mein Liebster vielleicht, wie nervig es ist, wenn jemand ständig nachhakt und lässt es in Zukunft. Win-Win-Situation.
Calum stellt einen Krug mit Wasser auf den Tisch. In dem Krug schwimmen einige Eiswürfel und Zitronenscheiben. Das wird wohl der eiskalte Drink sein, der mein heißes Gemüt abkühlen soll. Zudem stellt er noch zwei Gläser dazu, sein Gemüt sollte also auch abgekühlt werden.
„Was hältst du von Musik?“, fragt er nach.
„Solange du gute Musik auswählst, habe ich kein Problem damit.“
„Okay. Hoffentlich machst du mich nicht wieder wegen meinem ‚banalen Geschmack‘ an“, antwortet Calum etwas schnippisch.
„Du hörst Musik anders als ich sie höre. Ich kann nichts dafür, dass es viele Musiker gibt die kein Talent haben und ihren Erfolg nur auf Songs, die sie nicht geschrieben haben, Autotune und nackter Haut aufbauen. Ich will diese talentlosen Lügner nicht unterstützen, indem ich ihnen auch nur einen Song abkaufe.“
„Ja, ja, der Experte hat gesprochen…“
Wenig später sitzen wir zusammen. Calum hat sich dafür entschieden, meine Musik aufzulegen. Ich bin eigentlich kein Fan davon, mich selbst singen zu hören. Es fühlt sich immer etwas seltsam an, seine Musik außerhalb seines Jobs zu hören. Auch als Highway 89 ständig in den Charts war, musste ich jedes Mal den Sender wechseln, wenn ich im Auto unterwegs war. Immer wieder von seinen eigenen Werken beschallt zu werden ist merkwürdig, vor allem, wenn die Blicke der Leute, mit denen man unterwegs ist, auf einem Ruhen und irgendwelche Reaktionen erwarten. Natürlich bin ich nicht undankbar und ich freue mich immer, wenn ich mitbekomme, dass sozusagen meine Songs gespielt werden, trotzdem ist es sehr kurios.
Ich sehe zu meinen marido, der mit seinen Fingern zum Takt der Musik klopft. Kurz überlege ich, ob ich überhaupt etwas sagen soll, doch dann entscheide ich mich dafür und spreche das Thema
an: „Was ist los mit dir?“
„Nichts“, antwortet er.
„Ach, nichts also? Calum. Wir müssen darüber sprechen. Wenn du mir sagst, was los ist, wird es dir schnell besser gehen“, werfe ich ihm seine eigene Logik um die Ohren.
An Calums Gesichtsausdruck kann ich deutlich erkennen, dass er seinen eigenen Rat nicht befolgen möchte. „Soll das ein Witz sein?“, fragt er genervt nach.
„Ein bisschen schon, ja“, antworte ich ihm. „Du zwingst mich immer, über meine Probleme zu reden, also rede. Du bist der Meinung, dass es mir hilft zu reden, also sollte es dir auch helfen. Sprich.“
„Ich bin mies drauf, weil ich schlecht geschlafen habe. Ich habe Bauchschmerzen und will meine Ruhe haben…“
„Oh…“ Ich nicke. Da wäre ich wohl auch mies drauf. Als Calum zu einer weiteren Erklärung ansetzt, nehme ich einen weiteren Zug meiner Zigarette.
„Übrigens fände ich es sehr rücksichtsvoll, wenn du deine Pornos in einem anderen Raum ansiehst, während ich versuche zu schlafen.“
„Du hast doch geschlafen. Ich hatte Kopfhörer auf und ich war so leise wie möglich“, verteidige ich mich. „Du wolltest keinen Sex und deswegen habe ich mich selbst um das Problem gekümmert.“
Er verschränkt die Arme. „Ach ja? Und dazu brauchst du die ganze Nacht?“ Calum wirkt nun sehr sauer. „Keine Ahnung wie viele Pornos du dir angesehen hast und wie oft du dich um dein Problem gekümmert hast, aber du hast mich mehrmals geweckt über mehrere Stunden hinweg. Kann sein, dass du leise warst, aber das Bett hat gewackelt, du Genie.“
„Gut, lo siento. Beim nächsten Mal gehe ich ins Badezimmer“, antworte ich gleichgültig.
„Du kannst mich mal…“
Ich rolle mit den Augen. „Was ist jetzt schon wieder? Ich habe mich entschuldigt und gesagt, dass ich es nicht mehr tue, was war daran jetzt wieder falsch?“, frage ich etwas verärgert nach.
„Dein Tonfall“, antwortet Calum wütend. „Du klingst so als wäre ich vollkommen verrückt, weil ich es wage, eine Nacht durchschlafen zu wollen. Wie würdest du es finden, wenn ich mir neben dir die ganze Nacht einen runterhole und dich immer wieder wecke?“
„Ich fände das super“, antworte ich. „Ich würde dir anbieten, dir zu helfen und dir einen blasen, so wie ein guter Ehemann das nun einmal macht.“
„Oh, jetzt bin ich kein guter Ehemann, weil ich nicht mitgespielt habe, verstehe. Gut zu wissen.“
Überlegend runzle ich die Stirn, dann schüttle ich den Kopf. „Ich hab die Diskussion verloren, am besten wäre es, wenn ich meine Klappe halte.“
„Endlich gibst du mal etwas Sinnvolles von dir.“
Ich ziehe an meiner Zigarette, mein Blick ruht dabei auf meinem Liebsten. Seine wütende Mine verschwindet plötzlich. Calum fasst sich an den Bauch, er verzieht etwas das Gesicht. Sieht aus als hätte er große Schmerzen.
„Ist alles okay?“, frage ich besorgt nach.
„Nein.“
Ich lege meine Zigarette in den Aschenbecher. „Zieh mal dein Shirt hoch. Wo tut’s weh?“
„Bist du jetzt auch noch Arzt oder was?“
„No, aber wenn dein Blinddarm streikt, sollten wir in ein Krankenhaus fahren. Wenn er platzt, stirbst du, du Idiot.“
„Nenn mich nicht Idiot. Ich bin kein Idiot.“
„Dann verhalte dich nicht wie einer“, ermahne ich Calum streng. Obwohl er offensichtlich nicht möchte, dass ich mir seinen Bauch ansehe, tue ich es trotzdem. Mein marido wehrt sich, doch als ich ihm gegen den Oberarm schlage, wird er ganz ruhig.
„Hast du mich gerade geschlagen?“, fragt er schockiert nach.
„Als nächstes ist dein Gesicht dran, wenn du dich weiterhin so dumm verhältst.“
„Wenn du noch einmal zuschlägst, breche ich dir dein Gesicht.“
„Tu, was du nicht lassen kannst, dann fahren wir wenigstens ins Krankenhaus und du hast auch gleich die Möglichkeit deinen Bauch checken zu lassen“, entgegne ich ernst. „Mein Blinddarm wäre fast geplatzt, ich hatte damals eine Notoperation und das soll dir nicht auch passieren, denn angenehm ist das wirklich nicht. Ich will dir unnötige Schmerzen ersparen. Wenn es der Blinddarm ist, muss das Ding schnell raus.“ Ich schiebe Calums Shirt ein wenig hoch und drücke in seine linke Seite. „Tut das weh?“
„Naja, nicht wirklich.“ Meine Hände wandern von links nach rechts. Immer wieder drücke ich in Calums Bauch. Sein Gesicht verrät mir, dass die Schmerzen nicht vom Blinddarm aus kommen können. „Ich hab doch gesagt, dass ich nur normale Bauchschmerzen habe.“
„Lo siento“, entschuldige ich mich erleichtert, wobei ich mich zurück in meinen Stuhl sinken lasse.
„Es ist nur eine kleine Magenverstimmung, deswegen will ich auch nicht, dass du mich anfasst, wenn du verstehst.“
„Verstehe.“ Ich sehe auf Calums Cappuccino. „Dann solltest du das aber nicht trinken. Ich kann dir einen Tee machen. Wir hätten eine Teemischung da, die beruhigend auf Magen und Darm wirkt. Sie schmeckt zwar nicht besonders, aber sie hilft.“
„Nein. Ich bleibe bei meinem Kaffee, der ist wenigstens genießbar.“
„Wie du meinst“, antworte ich ihm gleichgültig. „Ich denke, dass deine Verdauungsprobleme von deinem Junkfood-Konsum kommen.“
„Ach ja? Ich denke, dass dein Weißkohlauflauf viel damit zu tun hat. Ich bin wahnsinnig aufgebläht, seit ich das Zeug gegessen habe.“ Calum bringt mich zum Schmunzeln. Ich versuche es zurückzuhalten, doch mir einkommt ein kleiner Lacher. „Was ist so witzig?“
„Dein Körper ist so viel Schrott gewohnt, dass er bei Gemüse gar nicht mehr weiß, wie man das richtig verdaut“, ziehe ich ihn auf.
Calum ist nicht besonders glücklich über diese Aussage. „Deinen blöden Auflauf kannst du in Zukunft selbst fressen. Ich sterbe seit zwei Tagen an den Nachwirkungen dieser ‚gesunden‘ Mahlzeit.“
„Tja, wenn man älter wird, spielt die Verdauung nicht mehr so mit, mein Süßer.“
„Du bist so ein Arsch.“ Calum verzieht sein Gesicht. Er legt seine Hand auf seinen schmerzenden Bauch. Mit dieser Geste weckt er mein Mitleid doch ein wenig. Es macht schon Spaß, ihn aufzuziehen, aber wenn er starke Schmerzen hat, dann tut er mir leid. Ich muss Calum helfen oder es zumindest versuchen.
„Ich kann das nicht länger mitansehen. Du bekommst den Tee, damit es dir besser geht.“ Eilig stehe ich auf. Den Cappuccino schütte ich in einen Busch. „Ich mache dir einen Tee und du wirst ihn trinken. Es ist egal, wie widerlich er ist, verstanden?“
„Okay…“
„Hm? Widerrede mehr?“, frage ich irritiert, aber trotzdem sehr ruhig nach.
Calum schüttelt den Kopf. „Ich hab echt starke Schmerzen… Vielleicht sollte ich von deinen Schmerzpillen naschen…“
…
Calums Schmerzen beeinträchtigen ihn so sehr, dass er nur auf der Couch liegen und fernsehen möchte. Ich missgönne ihm das natürlich nicht, sondern versuche ein unterstützender und fürsorglicher Ehemann zu sein. Um seine Bauchschmerzen zu lindern, reiche ich ihm eine Wärmflasche. Bei den Mädchen hilft das immer, vielleicht hilft es ihm auch. Von dem Tee hat er schon den einen oder anderen Schluck getrunken, jedoch ist die Tasse nach wie vor mindestens zur Hälfte gefüllt. Calum ist kein besonders großer Fan von Kräuterteemischungen, trotzdem wird er die Tasse noch austrinken, darauf bestehe ich.
„Kuschelst du dich zu mir?“, erkundigt er sich nach meinen Plänen.
„Ay, wieso nicht?“ Ich setze mich neben meinen marido auf die Couch. Kaum sitze ich, legt er seinen Kopf auf meinen Oberschenkel. Ohne groß darüber nachzudenken streichle ich seinen Kopf. Mein Liebster schmiegt sich geben mein Bein.
„Danke.“
„Wofür bedankst du dich denn?“, frage ich nach.
„Dafür, dass du dich um mich kümmerst. Das ist nett. Mir geht es schon viel besser.“
„Das ist nur Eigennutz“, antworte ich. Ich spiele ein wenig mit Calums Haaren. „Wenn ich jetzt nett zu dir bin, dann schläfst du aus Dankbarkeit mit mir. Wir ziehen also beide unsere Vorteile daraus, deswegen hat man doch Beziehungen.“
„Wow… Ist das dein Ernst? Du bist ja so ein Arschloch.“
Calum will sich aufrichten, doch ich drücke ihn gegen meinen Oberschenkel. „Entschuldige, ich weiß nicht, wieso ich das gesagt habe.“
Calum seufzt. „Du unsensibler Arsch. Es lief doch erst so gut… Jetzt ist es zwischen uns wieder alles so seltsam. Was mache ich falsch?“
„Das ist meine Schuld, nur meine Schuld. Dir geht es schlecht und ich denke nur an Sex. Lo siento. Ich hab das nicht so gemeint. Es nervt mich, dass es dir schlecht geht.“
„Mich erst… Ich fühle mich furchtbar. Mein Bauch hasst mich. Ich fühle mich vollkommen aufgebläht.“
„Den Auflauf habe ich schon von meiner Liste gestrichen. Ich mache ihn nicht mehr und wenn doch, dann koche ich eine Alternative für dich. Vielleicht werfe ich für dich ein Steak in die Pfanne.“
Calum rollt sich zusammen. Die Wärmeflasche hält er an seinen Bauch. Er sieht zum Fernseher. Es läuft irgendeine Serie, die ich noch nie gesehen habe. Nicht einmal die Schauspieler kommen mir bekannt vor. Mein Liebster gibt leidende Geräusche von sich. Ich lasse meine Hand zu Calums Bauch gleiten.
„Was machst du?“, fragt er schmollend nach. „Ich leide und du willst mich sexuell belästigen… Lass mich…“
„Ich wollte dich gar nicht belästigen, auch wenn das tatsächlich verdächtig nach mir klingt. Eigentlich hatte ich vor, deinen Bauch zu streicheln, damit es dir bald besser geht… Immer wenn die Mädchen Bauchschmerzen haben und ich mich um sie kümmere, wollen sie, dass ich ihren Bauch streichle, weil es ihnen dadurch besser geht. Vielleicht hilft dir das auch?“
„Oh, süß von dir.“ Calum greift nach meinem Arm, er zieht meine Hand hoch zu seinem Gesicht und küsst meinen Handrücken. „Was haben deine Eltern gemacht, als du krank warst?“
„Hm… Eigentlich…“ Ich überlege. „Ich war eigentlich das ganze Jahr über im Internat. Alle Internate auf denen ich war, hatten eine Krankenstation. Dort ist man solange rumgelegen, bis man wieder gesund war. Ich glaube meine Eltern haben mich noch nie krank gesehen. Also abgesehen von damals als ich die Überdosis hatte. Da habe ich allerdings auch nicht viel Mitleid oder Feingefühl von ihnen bekommen. Du warst eigentlich der erste, der sich um mich gekümmert hat, als ich krank war.“
„Das… erklärt einiges“, antwortet Calum überlegend. „Auch wieso du so skeptisch warst, als ich dir alles ans Bett gebracht und mit dir gekuschelt habe.“
„Ich kannte das vorher nicht, aber es ist auch nicht so wichtig. Meine Eltern haben mir Selbstständigkeit und Disziplin eingetrichtert und ich weiß auch, dass sie sich um mich sorgen und mich gern haben. Dieses viele Geknuddle und Geküsse was die Mädchen von uns bekommen, hätte ich nie ertragen.“
„Na weil du es eben nicht kennst und den von Liebe unterversorgtes Gehirn das nicht verstehen kann.“
„Sehr reizend.“
„Na ist doch wahr.“ Calum räuspert sich. „Meine Eltern waren auch nie besonders einfühlsam mir gegenüber, obwohl ich mir das sehr gewünscht hätte. Meine Schwester hat mich als ihren persönlichen Sklaven eingeteilt und mein Bruder wurde in den Himmel gehoben. Gebracht hat es dem drogenabhängigen Idioten am Ende aber nichts.“
„Tja, manchmal brauchen Kinder Grenzen und eine strenge Hand. Wenn man seinen Kindern alles durchgehen lässt, denken sie, sie dürfen sich alles erlauben.“
Calum nickt etwas. „Stimmt wohl. Das hätte ihm wahrscheinlich gut getan, auch wenn er das in seinen Teenagerjahren nicht so gesehen hätte. Vielleicht wäre ja doch etwas aus ihm geworden...“
„Er hätte es immer noch in der Hand“, meine ich leise.
„Vielleicht kriegt er die Kurve ja noch…“
Calum klingt ein wenig traurig. Ich tröste ihn mit liebevollen Streicheleinheiten. „Ich war ja selbst dabei, auf die schiefe Bahn zu geraten, aber durch Filipé hatte ich jemanden, der mich aufgefangen hat. Bei ihm war das alles anders. Er hat mich geschätzt, mir zugehört, sich um mich gekümmert und mir geholfen meine Persönlichkeit zu entfalten. Dass ich von Zuhause weggelaufen bin, war das Beste, das ich je getan habe. Es hat mir geholfen, mich zu entwickeln und das möchte ich auch für meine Kinder.“ Ich stimme mit einem stummen Nicken zu, das Calum jedoch nicht sehen kann, da er immer noch Richtung Fernseher sieht. „Ich möchte den Mädchen die Möglichkeit geben sich ohne übermäßigen Druck zu entwickeln. Sie sollen nie das Gefühl haben, dass wir enttäuscht sind oder mehr von ihnen verlangen, als sie leisten können. Sie sollen glücklich sein.“ Calum legt die Wärmflasche weg. Ich lege meine Hand gleich wieder an seinen Bauch, jedoch nicht besonders lange, denn Calum richtet sich auf und klettert von der Couch.
„Wohin willst du?“
„Toilette… Ich esse nie wieder deinen dämlichen Weißkohlauflauf…“
„Ich hab doch gesagt, dass du das nie wieder machen musst“, antworte ich schmunzelnd. Calum sieht mich mit einem vernichtenden Blick an. „Ähm… Ich liebe dich?“
„Wenn das deine Liebe ist, die mir grade durch den Magen geht, dann verzichte ich gerne darauf…“ Anstatt auf das Badezimmer nebenan zu gehen, verlässt Calum das Wohnzimmer Richtung Küche. Wahrscheinlich will er nicht, dass ich höre, was das böse Gemüse mit seinem Verdauungstrakt anstellt.
Süß ist Calum ja schon, wenn er so jammert. Sobald es ihm besser geht, mache ich ihm eine große Portion Kuchen und als Beilage noch mehr Süßigkeiten, damit er dieses Gemüse-Fiasko schnell wieder vergisst. Zu viele Vitamine könnten ja gesund machen.
…
Mein Liebster legt sich etwas hin, um sich auszuruhen und wieder zu Kräften zu kommen. Ich hingegen nutze die kinderlose Zeit so intensiv wie möglich, jedoch ändert sich mein ursprünglicher Plan. Anstatt mich mit Calum im Bett zu vergnügen, putze ich ungestört und ohne lästige Unterbrechungen das Haus.
Cassies Zimmer ist eine kleine Herausforderung. Den Sinn für Ordnung hat sie sich noch nicht ganz antrainiert, doch ich kann sie ja nicht dazu zwingen. Ich sitze auf dem Boden und räume Cassies Puppen weg. Auf dem Boden liegen viele Puppenkleider und kleine Schuhe verstreut. Aus zwei Schuhkartondeckeln hat sie eine Art Laufsteig gebaut, auf dem noch eine der Puppen liegt. Sieht so aus, als hätte sie eine Modenshow veranstaltet.
Vorsichtig sammle ich alle Kleidungsstücke zusammen und lege sie in Cassies Puppenkiste. Auch die Schuhe sammle ich zusammen und lege sie paarweise in die Kiste, um sicherzugehen, dass kein einzelner Schuh übrig bleibt. Wenn ich gleich mit dem Staubsauger das Zimmer stürme, möchte ich keinen ihrer Puppenschuhe einsaugen. Das Drama was ich damit entfachen würde, will ich mir gar nicht erst vorstellen müssen!
Auch auf Cassies Schreibtisch mache ich Ordnung. Ich räume ihre Buntstifte zurück in ihre Schubladen und lege die unbenutzten Blätter zurück in ihren Bastelschrank. Mit einem Putztuch sorge ich dafür, dass sämtliche Oberflächen im Raum staubfrei sind. Ich wechsle noch Cassies Bettwäsche, ehe ich den Staubsauger anwerfe. In meinen Ohren schallt Musik, während ich dafür sorge, dass meine blonde Prinzessin wieder auf einem blitzblanken Boden spielen kann.
Nun ist Lucías Zimmer an der Reihe. Ihr Zimmer ist um keinen Deut ordentlicher als das ihrer Schwester. Anstatt auf ihrem Schreibtisch zu zeichnen, verteilt Lucía gerne all ihre Utensilien auf dem Boden. Es ist schwer sich in ihrem Zimmer zu bewegen, ohne auf eine Zeichnung oder einen Stift zu treten. Von ihrer Tür bis zu ihrem Bett kann man jedoch einen schmalen Gang entdecken, den wahrscheinlich auch Calum heute Morgen genutzt hat, als er unsere princesa geweckt hat.
Wieder knie ich auf dem Boden. Ich sammle die im Zimmer verteilten Stifte zusammen. Lucía hat auch wieder mit Fingerfarben gearbeitet. Glücklicherweise hat sie dieses Mal die Unterlage verwendet, die Calum ihr dafür gekauft hat. Solange sie nicht wieder den Boden mit ihren Farben beschmiert, so wie sie es in ihrem alten Zimmer gemacht hat, soll mir das Recht sein. Vielleicht wird sie Künstlerin, wenn sie erwachsen ist. Dann kann sie in ihrem Kunstblog darüber schreiben, wie sehr es mich auf die Palme gebracht hat, wenn sie den Boden oder den Schrank als ihre Leinwand missbraucht hat oder ihre bunten Handabdrücke an der weißen Wand unseres Vorzimmers hinterlassen hat. Im Nachhinein betrachtet ist es witzig, doch wenn man vor roten Handabdrücken steht, hat man nicht unbedingt Spaß daran.
Ich werde etwas stutzig, als ich auf ihrem Schreibtisch Ordnung machen möchte. Ihre Kuscheldecke liegt auf der Tischplatte, außerdem finde ich ein paar Cherrytomaten und einige Cracker auf dem Tisch. Ich habe ihr doch ausdrücklich verboten, Nieve mit auf ihr Zimmer zu nehmen. Und salzige Cracker sollte das Vieh schon gar nicht essen. Das kann nicht gesund für die Verdauung eines Kaninchens sein.
Die Decke ihres Kaninchens lege ich vor die Tür, wo auch Cassies Wäsche liegt, die gehamsterten Cracker entsorge ich im Müll und die Tomaten lege ich zur Seite, um sie den Kaninchen zu bringen, sobald ich mit Lucías Zimmer fertig bin. Über diese Sache muss ich definitiv mit ihr sprechen und Calum sollte das auch wissen. Es ist wichtig, dass sie unsere Anweisungen befolgt, wir denken uns diese Regeln nicht aus Spaß oder Langeweile aus. Abgesehen davon will ich die Kaninchen nicht mehr im Haus haben. Dazu hat Robin doch extra den Stall gebaut.
Es dauert eine Weile, bis ich auch in Lucías Zimmer fertig bin, doch als das erledigt ist, warten nur noch die Badezimmer auf mich. Um das Wohnzimmer kümmere ich mich erst, wenn mein marido sein Nickerchen hinter sich gebracht hat. Wenn ich ihn jetzt wecken würde, wäre mein Leben vermutlich schneller zu Ende, als ich meinen letzten Willen verfassen kann.
…
Heute bringe ich Lucía ins Bett, da ich die Möglichkeit nutzen möchte, um in Ruhe mit ihr zu sprechen. Ich setze mich neben sie und streichle über ihren Bauch. Meine princesa hat sich heute bei Sally ausgetobt und ist dann noch mit Sebastian und Max im Wald spazieren gegangen. Dementsprechend müde sieht sie mich jetzt an.
„Lucía, du weißt doch, dass du Nieve nicht in deinem Zimmer haben solltest, richtig? Das haben wir doch besprochen.“
„Sí, papá.“
„Ich habe Tomaten und Cracker auf deinem Tisch gefunden. Und die Decke. Willst du mir etwas sagen? Verheimlichst du etwas? Ich bin nicht böse, ich will nur wissen, was los ist, verstehst du das?“
Lucía dreht sich zu ihrem Schreibtisch, dann wieder zu mir. „Sí.“ Es dauert ein wenig, doch dann spricht sie weiter. „Das ist… Essen für meine Freunde.“
„Deine Freunde?“, frage ich nach. „Meinst du deine kleinen Freunde, die du gezeichnet hast?“
Lucía nickt. „Sie haben Hunger und ich gebe ihnen Essen, wenn wir reden. Sie freuen sich über Essen.“
„Ich verstehe.“ Ich beuge mich vor, um meiner Tochter einen Kuss auf die Stirn zu geben. „Soll ich deinen Freunden einen kleinen Snack bringen?“
Meine Tochter nickt. „Gracias, papá.“
„De nada.“
Auch wenn ich der Meinung bin, dass das Essen nichts in Lucías Zimmer zu suchen hat, stelle ich einen kleinen Teller mit ein paar salzigen Crackern auf den Schreibtisch. Außerdem lege ich eine Mandarine dazu. Vielleicht ist diese Sache mit ihren imaginären Freunden doch etwas komplizierter, als ich gedacht habe. Wahrscheinlich gibt es noch viel Gesprächsbedarf, was dieses Thema betrifft, aber das möchte ich schrittweise angehen und natürlich auch Calum involvieren. So wie ich ihn kenne, kann er mit dem Thema ohnehin mehr anfangen und besser damit umgehen, als ich es je könnte. Er ist viel feinfühliger als ich es je sein werde.
„Buenas noches, princesa“, spreche ich leise, als ich dabei bin, wie Tür langsam zu schließen.
„Buenas noches, papá“, antwortet Lucía in der Dunkelheit.
Ich nehme noch eine Dusche, bevor ich zu Calum ins Bett steige. Unter der Dusche nehme ich mir viel Zeit, ich rasiere mich auch ein wenig, damit Calum mir nicht wieder nachsagt, dass ich ihm zu behaart bin. Da ich mir einbilde, ein Geräusch zu hören, drehe ich mich um. Ich liege mit meiner Vermutung richtig. Mein marido steht vor der Dusche, er öffnet die Kabine einen Spalt, sodass wir uns unterhalten können.
„Du brauchst heute ewig. Normalerweise bist du in maximal fünfzehn Minuten im Badezimmer fertig.“
„Ich enthaare meinen Intimbereich.“
„Wozu?“
„Einfach so?“, antworte ich fragend. „Wieso nicht? Ich hab mich jetzt ein paar Tage nicht rasiert, es wird Zeit den Wald zu roden.“
Calum sieht mich an, nickt dabei. „Wie du meinst. Aber glaub nicht, dass ich dir einen blase, nur weil du mir deinen rasierten Intimbereich zeigst.“
„Das… wäre zwar nett von dir, aber das habe ich nicht angenommen. Mach die Tür zu, es zieht.“
„Tschuldige.“
Mein Liebster schließt die Tür der Duschkabine. Ich kann durch das leicht beschlagene Glas sehen, dass er sich gerade die Zähne putzt. Ich setze zu den letzten Strichen in meinem Intimbereich an. Ich schäume mich noch einmal gründlich ein und genieße das heiße Wasser.
Glatt rasiert und gut duftend steige ich aus der Duschkabine. Calum reicht mir mit seiner freien Hand mein Handtuch. Er putzt sich die Zähne, als er mich ansieht. Ich trockne meine Haare und meinen Körper. Calums neugieriger Blick liegt immer noch auf mir. Sieht so aus, als könnte er sich nicht an mir sattsehen, obwohl er immer noch keine Andeutungen macht, dass er Lust auf Sex haben könnte.
„Was ist?“
Er spuckt den Schaum in das Waschbecken neben sich. „Nichts.“
„Und wieso begutachtest du mich dann so aufmerksam?“, hake ich nach.
„Du siehst gut aus, aber du solltest dich nackt in die Sonne legen, damit dein vergleichsweise fast schon weißer Hintern ein bisschen Farbe aufholen kann.“
Ich nicke. Der Vorschlag macht schon Sinn und er gefällt mir, weil es darum geht, nackt zu sein. „Wie geht es deinem Bauch?“
„Es geht… Wenn es morgen nicht besser ist, dann werde ich zu Harvey gehen und mich checken lassen“, erzählt Calum müde.
„Ich glaube nicht, dass das Essen schlecht war. Die Mädchen und ich haben dasselbe gegessen.“ Ich streiche etwas Zahnpasta auf meine Zahnbürste und fange an, mir die Zähne zu putzen.
„Vielleicht ist es ein Magen-Darm-Infekt, was weiß ich… Ich geh schon mal ins Bett. Ich muss noch eine Mail schreiben.“
Es dauert nicht mehr als ein paar weitere Minuten, bis ich bereit bin, ins Bett zu gehen. Bevor ich das jedoch tue, trockne ich noch einmal meine Haare und streife eine Boxershorts über meinen zu weißen Hintern. Dass Calum mir die Erlaubnis gibt, mich nackt zu sonnen ist eine schöne Sache. Ich werde diesem Vorschlag so schnell wie möglich Taten folgen lassen.
Bereit für einen erholsamen Schlaf lasse ich mich neben Calum ins Bett sinken. Er sitzt wie erwartet an seinem Laptop. Im weißen Licht seines Bildschirmes kann ich erkennen, wie müde und fertig er aussieht. Das Licht betont seine Augenringe. Das ist definitiv nicht seine Schokoladenseite, Calum sieht krank aus.
„Du solltest das weglegen und schlafen.“
„Würde ich gerne, aber ich chatte gerade mit Richie. Er war gestern mit seinen Eltern essen und anschließend im Ballett. Die Vorführung hat ihm sehr gut gefallen. Er meint, dass er sich schon lange nicht mehr so gut amüsiert hat.“ Ich drehe mich zur Seite und lausche Calums Erzählung. „Er würde uns gerne demnächst besuchen kommen, aber er weiß noch nicht, wann er das schafft. Er ist erst seit ein paar Tagen wieder Zuhause.“
„Er sollte sich erst einmal an einen normalen Alltag außerhalb der Klinik gewöhnen.“ Ich gähne. „Wie geht es ihm sonst so? Wie kommt er damit zurecht?“
„Den Umständen entsprechend. Er ist allerdings nicht gerne alleine und vermisst Will.“
„Verständlich…“
Calum tippt, ich schließe müde meine Augen. „Er lässt dich grüßen.“
„Grüß ihn zurück“, antworte ich leise. „Sag ihm, dass ich mich auf seinen blonden Wuschelkopf freue.“
„Mach ich.“ Calum streichelt meinen Kopf. Ich kuschle mich etwas an seinen Oberschenkel, dabei öffne ich kurz meine Augen, damit ich meinen Kopf nicht gegen den Laptop schlage.
„Können wir kurz über Lucía reden oder ist das gerade unpassend, weil dein Kopf bei deinem Cousin ist?“, frage ich mit erneut geschlossenen Augen nach.
„Moment, er geht gleich schlafen.“
„Er soll uns rechtzeitig Bescheid geben, bevor er kommt, damit ich das Gästezimmer fertig machen kann. Ich habe zwar kurz durchgesaugt und Staub gewischt, aber das Bett ist nicht überzogen und der Fernseher ist nicht angeschlossen“, bitte ich müde. Wahrscheinlich muss ich das Gespräch über unsere Tochter auf morgen verschieben, ich bin wahnsinnig ausgelaugt. Hoffentlich hat Calum nicht irgendetwas, woran ich mich angesteckt habe. Ich habe wegen meinem Aufenthalt in Harveys Klinik schon zu viele Sonnenstunden verstreichen lassen…
Ich zucke zusammen, als Calum einen Arm um mich legt. Auch er schreckt etwas zurück. „Oh, Sweetie, hab ich dich erschreckt?“
„No… Ich bin wohl eingeschlafen.“
Calum macht es sich bequem. „Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken. Willst du noch reden oder schlafen?“ Er zieht mich in seinen Arm und drückt mich etwas.
„Dauert nicht lange“, antworte ich verschlafen. „Lucía hat Essen in ihrem Zimmer, weil sie ihre imaginären Freunde damit füttert.“
„Hm… Ist das… Ich weiß auch nicht… Ein Problem? Ist das schon zu seltsam, an der Grenze zum zu seltsam sein oder ganz normal?“
Ich kuschle mich an Calums warmen Körper. „Was weiß ich? Mir kommt es sehr seltsam vor, aber ich habe dafür keinen besonders guten Radar. Meine Eltern kann ich nicht fragen, die haben die Erziehung an meine Internatslehrer weitergegeben und deine Eltern waren auch nie die Eltern des Jahres, also keine Ahnung…“
„Ich werde im Internet recherchieren. Hoffentlich finde ich gute Antworten. Ich würde ihr ungerne sagen wollen, dass sie ihre imaginären Freunde vergessen soll. Sie spricht öfter seit sie die hat und ich will nicht, dass sie wieder Rückschritte macht.“
„Seh ich auch so“, stimme ich müde zu. Ich küsse Calums Brust. Leider trägt er ein Shirt, also spüre ich nur Stoff an meinen Lippen. „Könnte sein, dass ich gleich wieder einschlafe…“
„Schon okay, wir reden weiter, wenn ich Input aus dem Netz habe. Gute Nacht, Sweetie.“
„Mhm, Nacht.“
…
Unsere Mädchen hatten gestern bei Sally so viel Spaß, dass sie auch heute wieder eingeladen werden. Um die Spielerfahrung noch zu erweitern, schlafen sie heute sogar auswärts. Kaum sind unsere Kinder weg, genehmige ich mir eine gut gewürzte Zigarette. Heute darf ich übertreiben, da ich ganz sicher nichts mehr zu erledigen habe. Meine größte noch zu bewältigende Aufgabe für heute ist der Abendspaziergang mit Domingo und der liegt noch fern in der Zukunft.
Calum geht es heute schon sichtlich besser, der Arztbesuch hat sich somit erübrigt. Der gestrige Ruhetag hat ihm mehr als gut getan. Nachdenklich sieht er auf den Bildschirm seines Laptops. Er trinkt einen Schluck seines Kaffees und stellt die Tasse im Anschluss wieder neben sich ab. An seiner Oberlippe bleibt ein kleiner Milchschaumbart zurück, den er mit seiner Zunge ableckt. Er weiß gar nicht, wie heiß er aussieht, wenn er das macht. Selbst wenn er es nicht beabsichtigt, sieht er zum Anbeißen aus.
„Also. Zum Thema imaginäre Freunde bei Kindern findet man echt viel Lesestoff, allerdings steht auf jeder Seite so ziemlich dasselbe“, erzählt er. Meine Aufmerksamkeit ist sofort bei ihm.
„Schieß los“, bitte ich motiviert. Ich will das Thema angehen und mich darüber schlau machen, immerhin geht es hier vielleicht um mehr als nur ein paar unsichtbare Freunde und alte Cracker. Meinen Kopf anzustrengen könnte mich auch davon ablenken, dass ich meinem marido an die Wäsche gehen möchte.
„Es soll gesund sein, wenn Kinder imaginäre Freunde haben. Sie können dadurch Wünsche ausdrücken, die sie so nicht ausdrücken würden, aus Angst vor Ablehnung.“
Ich sehe zu meinem marido. „Wieso sollte Lucía sich abgelehnt fühlen?“
Calum blickt zu mir. Sein Blick wirkt, als hätte ich gerade eine sehr dumme Frage gestellt. „Willst du mich verarschen? Wie oft hast du den Mädchen gesagt, dass irgendetwas, das sie getan oder gesagt haben vollkommen schwachsinnig ist?“
„Sie sind genauso intelligent wie halbgare Kartoffeln, was erwartest du von mir?“, frage ich grinsend.
„Dass du sie nicht dumm nennst ist schon einmal das Erste. Dass du sie anlügst und ihr Selbstvertrauen mit viel Liebe und Zuneigung aufbaust wäre auch sehr wichtig. Ich weiß, dass dir das immer noch schwer fällt, weil du gefühlskalt aufgezogen wurdest und dadurch zu einem emotionslosen Eisklotz geworden bist, aber du solltest den Mädchen eine Chance geben. Sie sollen aufwachsen und eine gesunde, emotionale Bindung zu jemandem aufbauen können.“
„Ich bin zufrieden, zu viele Emotionen machen einen doch nur verrückt. Als ich das letzte Mal auf meine Gefühle gehört habe…“
„Was war da?“, fragt Calum eindringlich nach.
„Da hab ich dir den Antrag gemacht und dich geheiratet, war alles super.“ Ich lege meine freie Hand an Calums Unterarm. „Ich liiiiebe dich.“
„Sehr verdächtig… Dieses ‚Ich liebe dich‘ ist immer sehr verdächtig…“
„Also, was machen wir? So ‚imaginäre-Freunde-technisch‘? Was wäre dein Vorschlag?“, wechsle ich das Thema wieder zurück auf unser eigentliches Problem. Ein Streit würde mir heute den Tag ruinieren.
„Die Psychologen, die auf diesen Webseiten gelistet sind, sagen, dass man mitspielen soll. Wenn Lucía etwas über ihre imaginären Freunde ausdrückt, sollen wir darauf eingehen.“ Calum sieht wieder auf den Bildschirm. Er schüttelt meine Hand von seinem Arm ab, um etwas zu tippen. Ich nehme einen tiefen Zug meiner Zigarette. „Einige Eltern decken sogar für die imaginären Freunde ihrer Kinder den Tisch. Man soll die imaginären Freunde als Gäste behandeln. Die verschwinden von alleine, wenn die Zeit reif ist.“
„Na dann mach ich ihnen das Gästezimmer bereit“, antworte ich scherzhaft.
„Entweder du nimmst das ernst oder du ziehst deine Sportklamotten an und läufst eine Runde im Wald. Auf deine dummen Kommentare habe ich grade so echt keine Lust, verstanden?“, weist Calum mich streng zurecht. „Es geht um unsere Tochter.“
„Sí, verstanden.“
„Also?“
„Also was?“
„Bist du bereit, die Sache ernst zu nehmen und auf Lucía einzugehen, falls es mal soweit kommen sollte und sie ihre imaginären Freunde vorschiebt?“
Ich nicke. „Ay, wird schon schiefgehen.“
„Wie viel Gras hast du heute schon geraucht?“, fragt Calum schmunzelnd.
„Mehr als gestern. Ich lege mich nach meiner Zigarette übrigens splitterfasernackt in die Sonne. Wenn du willst, darfst du meinen Hintern eincremen.“
„Ähm… du, heute ist vielleicht kein so guter Tag dafür“, meint Calum etwas skeptisch. „Robin kommt später vorbei, um mit mir an dem Baumhaus der Mädchen zu arbeiten. Ich wollte sie bei der Gelegenheit auch gleich nach ihrer Meinung dazu fragen und natürlich zeitgleich fleißig arbeiten. Eigentlich dachte ich, dass du uns helfen würdest?“
„Ich?“, frage ich gespielt erschrocken. „Mit meinem geschädigten Rücken? Calum, Liebster, willst du mich zum Krüppel machen? Stell dir vor, wie viel Aufwand es wäre, unser Haus rollstuhlsicher zu machen und wie viel Hilfe ich brauchen würde, um zurechtzukommen. Ich will dir keine Bürde sein.“
Mein marido schmunzelt. „Ich schätze, dass ich dich leichter handhaben könnte, wenn ich mich um dich kümmern müsste. Ich würde dich baden, dich anziehen und… obwohl, eigentlich habe ich kein Interesse daran, dir die Windeln zu wechseln. Dafür besorge ich dir einen Pfleger, aber keinen jungen gutaussehenden Pfleger, sondern so einen fiesen Typen, der dich zurechtweist und dir kleine Elektroschocks verpasst, solltest du frech werden.“
„Tz. Elektroschocks. Du Monster…“
Calum wirkt nachdenklich. „Jetzt wo ich das so genauer bedenke, solltest du doch lieber nackt in der Sonne liegen. Das kannst du gut, da kannst du dir selbst auch nicht wehtun. Als du mir das letzte Mal helfen wolltest, lief das ja für dich nicht so gut für dich, was?“ Calums neckischer Ton verdirbt mir die Laune an meiner Ausrede. Mein marido gibt mir mit der flachen Hand einen Klaps auf den Oberschenkel, steht dann gleich auf. „Ich mache mir noch einen Kaffee, willst du auch einen?“
„Das wäre zu freundlich und danach fände ich es sehr nett von dir, wenn du meinen Rücken und Hintern mit Sonnenöl eincremst.“
„Kann man machen“, antwortet Calum, wobei er gerade in die Küche geht. „So übe ich schon mal ein bisschen, falls du doch im Rollstuhl landest.“
Grinsend antworte ich: „Ich trete dir gleich in den Arsch, damit du im Rollstuhl landest!“
Tatsächlich mache ich es mir nackt in der Sonne bequem. Dass wir Besuch bekommen, stört mich nicht im Geringsten. Robin und ich hatten vor Jahren eine nette Nacht, also gibt es nichts, das die gute Frau noch nicht gesehen hat. Mein Liebster bringt mir Wasser und Kaffee. Ich liege auf dem Bauch und genieße die ersten Sonnenstrahlen an meinem -bald nicht mehr- weißen Hintern. Calum setzt sich zu mir auf die Liege.
„Wo ist eigentlich der Hund?“
„Der schläft unter meiner Liege“, antworte ich. „Er stalkt mich schon den ganzen Morgen. Ich wäre ihm vorhin fast auf die Pfote getreten. Ich kann schon wieder keinen Schritt machen, ohne dass er mir nachläuft.“
Calum beugt sich nach vorne, um unter die Liege blicken zu können. „Awww, Domingo.“ Calum spricht mit hoher, verstellter Stimme weiter: „Passt du auf dein Herrchen auf? Ja, das tust du, du bist so ein braves Baby. So ein braves Baby.“
„Könntest du dich bitte um meinen Arsch kümmern?“
„Schon gut, mach keinen Stress. Ich hab dir übrigens deine Metallbox gebracht. Du hattest schon Recht, dir steht Ruhe zu und ich sollte dir das nicht absprechen, nur weil ich will, dass du deinen faulen Körper in Schwung hältst.“
„Mach ich, Baby. Ich mache jeden Tag zwei Spaziergänge mit Domingo, das reicht doch fürs erste und wenn deine Trainingskammer im Keller fertig ist, dann drücke ich täglich ein paar Gewichte, versprochen.“
„Ich nehme dich beim Wort, Trevor.“