Stichwort „Glückwünsche“
„Alles Gute zum Geburtstag!“ Javi blieb stocksteif stehen, als er durch die Tür in sein Büro trat und mit Konfetti überschüttet wurde.
Seine drei Kollegen standen in einem Halbkreis um ihn herum und grinsten ihn breit an. Albert, der älteste des Teams, hielt eine rosa Torte mit weißen Tupfen aus Buttercreme und noch mehr Konfetti in den Händen.
„Danke“, erwiderte Javi verblüfft und beäugte neugierig die Torte. Er mochte nicht viele Süßigkeiten, was seine Kollegen wussten – aber Torte war eine der großen Ausnahmen. Und dieses Exemplar sah äußerst lecker aus, soweit er das von außen beurteilen konnte.
„Wir wussten nicht, ob du diese Torte kennst. Deshalb haben wir beschlossen, dir diese kulinarische Köstlichkeit nicht weiter vorzuenthalten. Die Benjamin-Blümchen-Torte!“ Johannes deutete theatralisch auf den Kuchen in Alberts Händen und unwillkürlich zuckte ein Grinsen an Javis Mundwinkeln.
Er war noch kein halbes Jahr hier beschäftigt, aber seine Kollegen hatten seine spanischen Wurzeln herausgefunden. Was bei seinem Namen auch nicht schwer war. Und obwohl er in Deutschland geboren und aufgewachsen war, hatte er gewisse deutsche Eigenheiten bezüglich des Essens nicht kennengelernt. Erst mit seiner ersten Freundin, die aus einem typisch deutschen Haushalt gekommen war, war er tiefer in die deutsche Küche eingetaucht. Die Universitätsmensa hatte ihr Übriges dazu beigetragen.
„Im Prinzip ist es eine Schoko-Erdbeer-Torte“, erklärte Hakan. „Und ich weiß, wie begeistert ich damals war, als mir meine Mutter aus Verzweiflung diese Torte zu meinem Geburtstag gekauft hat. Sie hatte keine Zeit, mir eine aufwendige Torte zu backen und ich war überglücklich. Seitdem wollte ich keine andere Torte als Geburtstagsgeschenk.“
„Bevor die Torte warm wird, sollte Javi sie anschneiden. Dann kann er selbst beurteilen, wie köstlich dieses Wunderwerk ist.“ Albert trug die Torte zu ihrem runden Besprechungstisch, den sie seit einigen Wochen ebenfalls im Büro stehen hatten. Eigentlich war es auch nicht der ihre, denn es wurde gerade umgebaut und sie hatten in ihrem Vier-Mann-Büro noch genug Platz für dieses Möbelstück gehabt. Sie hatten sich nicht dagegen gesträubt, denn an diesem Tisch ließ es sich viel besser diskutieren und überlegen, als wenn jeder an seinem Schreibtisch saß.
Mit einem geschafften Seufzen schloss Javi die Wohnungstür hinter sich. Die kleine, spontane Geburtstagsfeier seiner Kollegen war schön gewesen, doch danach hatte der Alltagsstress der Arbeit wieder begonnen. Nun, nach acht Stunden, war er froh, wieder zu Hause zu sein. Denn diese kleine Wohnung, die er mit Elena zusammen bewohnte, war das mittlerweile. Sein Zuhause.
Aus der Küche hörte er ein gläsernes Klirren und einen unterdrückten Fluch. Unwillkürlich grinste er.
„Hi Elena“, rief er in Richtung der Küche. Weiteres Klirren, dann streckte Elena ihren Kopf aus der Tür und lächelte gehetzt.
„Hallo Javi. Gib mir noch ein paar Minuten, ja? Geh am besten auf den Balkon, ich komme gleich nach.“
Javi kannte die Eigenarten von Elena, weshalb er nicht nachfragte und sich nach einem kurzen Abstecher in sein Zimmer auf den Stammplatz auf dem Balkon setzte. Jetzt in einem gemütlichen Outfit, atmete er tief durch und schloss für einen Moment die Augen.
Ein paar Augenblicke später hörte er, wie die Balkontür erneut aufging, und er öffnete seine Augen. Als er Elena mit einem großen Tablett, auf dem sie zwei Teller, Besteck und eine Pfanne balancierte, sprang er auf.
„Setz dich wieder, ich krieg das schon hin.“ Elena lächelte ihn an. „Immerhin hast du heute Geburtstag. Alles Gute. Ich hoffe, ich habe das Essen halbwegs hinbekommen.“ Sie stellte das Tablett auf den Holztisch neben Javis Stuhl und Javi blickte überrascht in die Pfanne.
Gelb gefärbter Reis, helles Fleisch, klein geschnittenes Gemüse, Muscheln und Garnelen.
„Du hast eine Paella gemacht?“ Er wusste, wie aufwendig eine Paella war, denn seine Mutter hatte diese früher oft gekocht.
„Sagen wir, ich habe es versucht. Das trifft eher zu.“ Elena war sichtbar frustriert und schob sich eine verschwitzte Haarsträhne hinter das Ohr. „Zunächst hatte ich keine Ahnung, woher ich Safran bekommen sollte und dann stand in diesem Rezept auch keine Mengenangabe dabei. Außerdem war mir das zu viel Knoblauch, aber ich habe trotzdem alle vorgegebenen Zehen hineingetan. Jetzt hoffe ich, dass ich die Paella nicht zu lange gegart habe. Wasser habe ich keines hinzugeschüttet, wie es angegeben war, aber ich bin nicht sicher, ob es genug war oder … Und was bedeutet eigentlich ‚Die Paella singt‘?“ Elena holte tief Luft.
Javi konnte nicht anders, er fing an zu lachen. „Es ist vollkommen egal, wie sie schmeckt. Du hast dein Bestes gegeben und ehrlich gesagt, hatte ich nichts erwartet. Und bei einer Paella kann man nicht allzu viel falsch machen, wenn man die Garzeiten berücksichtigt, glaub mir.“
Elena blickte erleichtert drein und Javi spürte ein Kribbeln in seiner Magengegend, das er hastig beiseiteschob. Das war das erste Mal, dass sich eine Frau – abgesehen von seinen weiblichen Verwandten – für ihn aus ihren üblichen Gepflogenheiten bewegte, um ihm eine Freude zu machen.
Er fing an, sich eine Portion auf den Teller zu laden und bereits beim ersten Bissen begrüßte ihn eine Geschmacksexplosion. Es schmeckte nicht so wie bei seiner Mutter, aber das hatte er erwartet. Elenas Paella war etwas weniger salzig und tatsächlich schmeckte man den Knoblauch mehr, aber er mochte das.
Als er Elena ein entsprechendes Kompliment aussprach, strahlte sie glücklich und machte sich über ihre Portion her.
„Ich habe Valentin angerufen“, murmelte sie, nachdem sie fertig gegessen hatten.
Javi hielt einen Moment inne, dann zuckte er mit den Schultern. „Du kennst ihn, im Gegensatz zu mir. Wenn du das für das Richtige gehalten hast, wird es das wohl gewesen sein.“
Elena seufzte. „Ich muss mir das alles durch den Kopf gehen lassen. – Ach ja, wie sah es denn mit Glückwünschen deiner Kollegen aus?“
Javi grinste, als er an die Benjamin-Blümchen-Torte dachte und fing an, Elena davon zu erzählen. Vielleicht sollte er ihr zu ihrem Geburtstag eine solche Torte kaufen. Denn er war bezüglich Backen überhaupt nicht talentiert, hatte er zu seinem Bedauern festgestellt.