Stichwort „Hoffnung“
„Du wirkst anders. Nicht unbedingt fröhlicher, aber … gelassener.“ Jens musterte Valentin, bevor er nickte. „Iza tut dir gut, das merke ich. Levin wird erfreut sein, das zu hören.“
„Du berichtest Levin, was ich tue und mit wem ich mich treffe?“ In Valentins Tonfall sammelte sich die Entgeisterung, die er bei dieser Erkenntnis verspürte.
„Natürlich. Immerhin … Levin hat dir nichts erzählt, nicht wahr?“ Jens seufzte und legte das Handtuch beiseite. Er und Valentin waren gerade dabei gewesen, die Spuren der letzten Nacht aufzuwischen. Wie jeden Mittag, bevor es daran ging, sich auf die nächste Nacht vorzubereiten. Hauptsächlich ging es dabei um das Spülen der Gläser, die sie nach dem Abschließen der Bar abgeräumt hatten. Da es draußen bereits hell wurde, wenn die letzten Gäste gingen, stellten sie die Gläser einfach nur in Seifenwasser und spülten sie ein paar Stunden später. Wenn nicht Adrian kam, der seine Freude am Spülen hatte. Es würde ihn beruhigen und dabei konnte er sich seine Audioaufzeichnungen vom Studium anhören. Valentin hatte gelernt, dass es sehr wohl die Audio-Lernweise gab – Adrian war das perfekte Beispiel dafür. Wenn er Dinge ein- oder zweimal anhörte, konnte er sie jederzeit aus dem Gedächtnis abrufen.
„Was soll mir Levin nicht erzählt haben?“
Jens seufzte. „Er hat von unserer Freundschaft erzählt, nehme ich an.“ Auf Valentins Nicken hin fuhr er fort. „Aber nicht, wo genau wir uns kennengelernt haben. Das war nämlich beim Militär. Levin und ich waren in der gleichen Einheit, als wir beim Bund angefangen haben. Beide bei der Artillerie, beide für ein anschließendes Studium. Nur habe ich mich nach zwei Jahren entschlossen, doch lieber eine Bar zu eröffnen. Nach der Beendigung meines Studiums, das habe ich durchgezogen. Levin wäre beim Bund geblieben, wäre er nicht vom BKA abgeworben worden. Das war jedoch ein Jahr später, da lief diese kleine Bar schon. Anfangs war sie ein Anlaufpunkt für Soldaten – der Stützpunkt liegt keine zehn Minuten zu Fuß von hier entfernt – und mittlerweile auch für Studenten.“
„Und das soll mir jetzt was sagen?“
Jens rollte mit den Augen und zum ersten Mal sah Valentin leichte Gereiztheit bei seinem Arbeitgeber. „Junge, du kannst doch kombinieren, oder etwa nicht? Glaubst du, Levin schickt mir jemanden einfach so? Ohne über diese Person informiert zu werden? Ich weiß, in welchem Bereich Levin arbeitet, Valentin. Deshalb versorge ich ihn gern mit Informationen, denn Levin hat dich ins Herz geschlossen. Ob du es glaubst oder nicht.“
Valentin senkte den Blick in den Schaum, der in der Spüle stand, und suchte mit der Hand nach einem neuen Glas im Seifenwasser. Er wusste sehr wohl, wie Levin an Valerie gehangen hatte, und das hatte sich auf Valentin übertragen. Auch wenn er der Job war, die eigene Cousine konnte man nicht unter reiner Arbeit verbuchen. Da waren immer persönliche Gefühle mit dabei, ganz egal, wie wenig Kontakt man vorher gehabt hatte.
„Siehst du. Levin fragt aus privatem Interesse nach und er hat sich Sorgen gemacht. Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich auch, warum. Dein Blick. Er war leblos, als ob du abgeschlossen hättest mit allem. Es wurde immer etwas besser, aber wirklich gestrahlt haben deine Augen nie, selbst bei einer guten Unterhaltung mit einer der Gäste. Nun, und dann kam Iza. Offenbar hat sie etwas in dir ausgelöst, weshalb du dich um sie gekümmert hast. Wenn auch mit etwas Unterstützung von Adrian. Er studiert übrigens Psychologie, ist das nicht passend?“
Valentin brummte eine undeutliche Erwiderung, während er das letzte Glas auf den Abtropfbereich stellte. Leider wusste er nur zu gut, was Jens ihm mitteilen wollte. Er hatte es jedes Mal gesehen, wenn er in einen Spiegel geschaut hatte.
„Iza hat diese Ausstrahlung. Irgendwie hat sie mich an Valerie erinnert, als sie an der Bar saß. Warum, kann ich mir nicht erklären, sie und Valerie sind zwei vollkommen unterschiedliche Personen. Mit unterschiedlichen Charakteren, wie ich feststelle. Sie erinnert mich nicht mehr an Valerie, sie ist einfach Iza. Iza mit einem furchtbaren Männergeschmack.“ Er verzog das Gesicht, als er an die letzten Geschichten über ehemalige Partner dachte. Iza zog die Mistkerle an wie ein Licht die Motten, das hatte sie selbst zugegeben.
„Iza kommt seit Jahren hier in die Bar. Und ich stimmte dir vorbehaltlos zu. Also sieh zu, dass du ihr gegenüber dein Interesse bekundest, bevor der nächste Idiot vor ihrer Tür steht.“
Valentins Kopf schoss hoch und er blickte Jens, der ihn mit einem breiten Grinsen beobachtete, entsetzt an. „Momentan ist sie meine Therapeutin! Oder Gesprächspartnerin.“ Denn diese Gespräche, die sie führten, bezeichneten sie zwar als Therapie, es war aber keine angemeldete. Eher Gespräche zwischen … Freunden.
„Glaub mir, ich habe Hoffnung bei euch beiden, was eine funktionierende Beziehung angeht. Sofern einer von euch irgendwann einmal den Mut hat, diesen Bereich anzusprechen.“