Stichwort „anschmiegsam“
Die Pflanzen sahen alle vielversprechend aus. Und gesund, auch wenn sich das nach dem Ortswechsel vom Bauhaus in ihre Wohnung ändern konnte.
Elena seufzte und fuhr langsam mit dem Finger eines der länglichen Palmblätter entlang, in der Hoffnung auf einen Geistesblitz.
Sie mochte den Frühling, er bedeutete für sie den Kauf von neuen Pflanzen und Blumen. Die Blumentöpfe in ihrer Wohnung waren wie immer leer, denn normal fand sie die einjährigen Pflanzen am schönsten. Doch vielleicht sollte sie anfangen, mehrjährige Pflanzen zu kaufen, um nicht jedes Jahr vor dem gleichen Problem zu stehen.
„Hast du dich noch immer nicht entschieden?“ Javi stellte ächzend den Sack mit Blumenerde neben sich auf den Boden und presste die Hände auf sein Kreuz, während er dieses durchbog. „Wenn ich gewusst hätte, dass du mich als Packesel mitnimmst, wäre ich zu Hause geblieben.“
Elena tätschelte ihm tröstend den Oberarm. „Das ist nur Training für deine Muskeln. Du hattest dich doch letzte Woche beschwert, zugenommen zu haben.“
„So war das nicht gemeint“, antwortete Javi brummig, dann ließ er seinen Blick ebenfalls über die Flächen gleiten. „Wie willst du dich denn bei dieser Auswahl entscheiden? Selbst für mich sehen die Pflanzen unterschiedlich aus, aber ich wüsste nicht, welche mir am besten gefällt.“
„Genau das ist mein Problem. Ich bin vollkommen überfordert, wie jedes Jahr. Valentin hat sich immer erbarmt und die Pflanzen ausgesucht, ehrlich gesagt, weil ich mich nie festlegen konnte.“
„Nun, dann muss ich diesen Part wohl übernehmen. – Muss ich bei Pflanzen überhaupt auf etwas achten?“
Elena verdrehte die Augen, doch sie lachte. „Natürlich. Manche Pflanzen mögen es schattig, manche eher halbschattig. Dann gibt es Pflanzen, die generell empfindlich sind und welche, die fast unzerstörbar sind. Von Blütenfarben und -formen ganz zu schweigen, Luftfeuchtigkeit, Wasserbedarf, generelle Raumtemperatur, Lebenszeit …“ Sie verstummte, als sie Javis immer größer werdende Augen bemerkte.
„Und das alles muss man beachten, wenn man Grünzeug kaufen möchte? Dios, das ist ja noch komplizierter als gedacht!“
„Hattest du nicht gemeint, du könntest gut mit Pflanzen umgehen?“
„Ja. Aber ich musste sie nie kaufen. Am Leben erhalten kann ich, aber hier bin ich überfordert.“
„Wie hast du das mit dem Wasser gemacht die ganze Zeit? Manche Pflanzen benötigen ja bedeutend weniger Wasser als andere.“ Elena blickte Javi interessiert an, doch dieser zuckte nur mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht. Ich habe sie einfach gegossen, wenn ich daran gedacht habe, und das hat funktioniert.“
„Das glaube ich einfach nicht. Einfach gießen, wenn man daran denkt, und die Pflanzen leben alle.“ Wenn sie an ihre früheren Listen dachte, an welchem Tag welche Pflanze mit wie viel Wasser gegossen werden sollte, würde sie am liebsten weinen. Im übertragenen Sinn, denn das war ungerecht.
„Was ist denn mit dieser Pflanze hier?“ Javi beäugte interessiert eine kleinblättrige Pflanze, deren viele Zweige ihr ein unordentliches Aussehen verliehen. Sie war unschwer als Hängepflanze zu erkennen, denn die Ausläufer, die länger als ein paar Zentimeter waren, neigten sich bereits nach unten.
„Mehrjährig, pflegeleicht, anschmiegsam. – Was ist denn bitte eine anschmiegsame Pflanze?“
Elena prustete. „Anpassungsfähig. Offenbar hatte jemand keine Lust, sich bei den geläufigen Begriffen zu bedienen und wollte etwas Außergewöhnliches. Aber anpassungsfähig klingt gut, die kann man hoffentlich nicht so schnell töten wie andere.“ Sie dachte heute noch mit Grauen an ihre ersten Jahre als Pflanzenmama. Wenn eine Pflanze länger als drei Monate gelebt hatte, war das ein Erfolg für sie gewesen.
„Also mitnehmen?“
Elena nickte. „Ja. Das klingt vielversprechend und wenn die Pflanze tatsächlich anpassungsfähig ist, sollte sie den Winter in der Wohnung überleben. Vielleicht müssen wir nächstes Jahr dann eine Pflanze weniger kaufen.“
„Perfekt.“ Javi griff nach einer Pflanze aus der zweiten Reihe und hielt sie Elena hin, die den Blumentopf packte und in den Wagen stellte, den sie von draußen mitgenommen hatte. „Wie wäre es mit diesem … Philodendron? Der hat gestreifte Blätter, das sieht ganz nett aus und ist nicht so langweilig einfarbig.“
„Nimm ruhig. Meine Eltern haben davon ein paar Pflanzen, die sind super. Und wir könnten noch ein paar Blumen nehmen, damit die Wohnung etwas farbenfroher wird. Und ein paar Kräuter für die Setzkästen am Balkon … Dazu noch mehrere Päckchen Wiesenblumen oder etwas Ähnliches, bienenfreundliche Blumen halt. Damit wir noch etwas Gutes tun, außerdem sehen diese Samenmischungen immer sehr hübsch aus.“
„Willst du den ganzen Laden leerkaufen oder was?“, fragte Javi grinsend und Elena zuckte mit den Schultern.
„Man kann nie genug Blumen kaufen, finde ich. Oh, und dann benötigen wir noch ein paar Utensilien zum Ein- und Umpflanzen, dazu noch Handschuhe … Ich musste alles letztes Jahr wegwerfen, weil es kaputt gegangen ist.“
„Ich sehe, das wird ein Großeinkauf.“
„Hey, es ist nur einmal im Jahr Frühlingsanfang und damit die Zeit, sich um neue Pflanzen zu kümmern!“