Während Marv mit Assyls Hilfe ungesehen durch das Wattlandreich streifen konnte, hatten Marvin und die Pseudonyme etwas größere Schwierigkeiten. In einer baumlosen Sumpflandschaft waren zwei Pferde, vier Menschen(ähnliche) und eine Horde Wölfe nur schwer zu verstecken. Zu allem Überfluss musste Marv auch noch Xenon ständig im Auge behalten. Der Otter hatte es sich in den Kopf gesetzt, mit seiner selbstgebastelten Aonyx 3 einen Erkundungsflug zu machen und ließ sich nicht mal von der Vernunft abbringen, dass ein Fluggerät mit surrendem Ventilator nicht gerade unauffällig wäre.
Marv war deswegen auch ganz dankbar, dass der Weltenreisende einen Großteil der strategischen Planung übernahm. Der jüngere Bruder des Weltenwanderers war zwar nicht einmal annähernd so lang im Geschäft, aber er wusste ungefähr, wie man Figuren ersetzte.
"Wichtig ist", verriet er der Truppe, die sich in einem Schlammpfuhl zusammenkauerte, "dass der Charakter passt. Das erleichtert die Aufgabe ungemein. So hat Nick das auch bei der Marvel-Sache gemacht. Er hat zum überwiegenden Teil nach Helden gesucht, die euren Persönlichkeiten entsprechen, und euch zugeteilt."
Darauf war es jetzt erst einmal laut. Jeder wollte betonen, dass sein Superheld aber nicht perfekt gepasst hätte und wieso jemand anderes den 'cooleren' Charakter bekommen hatte. Am lautesten war Xenon. "Wieso hatte ich bloß diesen Mini-Auftritt als Otterman? Ich bin ein Bastler! Guckt euch die Aonyx 3 nur mal an! Das hätte mich locker für Iron Man qualifiziert!"
"Leute! Leute! LEUTE!", brülle Marv. Erst nach dem dritten Mal sahen ihn alle an. "Elche!"
Mit der Schnauze deutete der Wolf auf das Gewirr aus Moosnetzen hinter ihnen. Mehrere Köpfe mit Schaufelgeweihen hatten sich über die Abtrennungen erhoben und sahen in ihre Richtung.
"Oh. Mist", murmelte Mac, der sich eben noch in 'Quicksilver wurde nach seinem Film ohnehin vergessen, das ist ja so was von unfair, und Sepia hat Wanda bekommen, wo bleibt da die Gerechtigkeit?' ergangen war.
Auf langen Beinen traten die Elche aus ihrem 'Schloss' und trotteten in die Richtung der Gruppe. Marv legte die Ohren an, während er fieberhaft überlegte. Sein Blick streifte einen Fluss, der durch das Moor floss - und dieses vermutlich auch erschaffen hatte. Dieser lag hinter der Linie der Elche, war für sie also als Fluchtweg nicht geeignet. Aber mit Fässern könnte eine andere Gruppe entkommen.
Es machte leise 'Klick' im Schädel des Grauwolfs. Dann setzte sich eine kleine Kette von Dominosteinen in Bewegung.
Der erste Gedanke war, dass der Fluss sicherlich ins Menschenreich - oder die tierische Entsprechung Seestadts in dieser Welt - führen würde. Dann, dass Marvin gerade irgendwo nach einem Ausweg für die Bären suchte und sicherlich Fässer und Fluss nutzen würde. Dann war der nächste Gedanke, dass das Chaos einer Verfolgungsjagd im Sumpf perfekt wäre, um Figuren zu tauschen. Und zuletzt, dass sie gerade zwar praktischerweise für Marvin für Ablenkung sorgten, aber selbst in Schwierigkeiten steckten. Dann erriet Marv, dass Fässer ohnehin zu klein für Pferde sein würden, und er wandte sich an Mac und Sepia.
"Wir machen die Radagast-Taktik."
"Was?" Alle Pseudonyme starrten ihn ratlos an.
"Radagast-Taktik. Sepia, Mac, ihr seid schneller als wir und könnt vermutlich eh erst einmal nicht mit. Ihr müsst die Elche ablenken."
Die hellbraunen Geschwister nickten.
"Der Rest schlägt mit mir einen Bogen. Wir suchen die Fässer und tauschen so viele Figuren wie nur möglich ein."
Der Plan wurde durch allgemeines Nicken abgesegnet. Keine zwanzig Sekunden später donnerten Sepia und Mac Seite an Seite aus der Pfütze. Die Elche setzten sich sofort auf die Fersen der beiden Pferde. Während die Geschwister mit flatternden Mähnen in den Sumpf hinausgaloppierten, führte Marv seine Kampftruppe um das Flechtenschloss herum, an den Fluss, und entdeckte mehrere größere Fässer. Groß genug für Bären, aber nicht für Pferde.
Er drehte sich zu seinen Pseudonymen. "Hat irgendjemand Präferenzen?"
"Ich nehme den lustigen Zwerg!", krähte Xenon sofort. "Der, der im Film verschläft und so."
Marv nickte. "Welcher Bär wäre das?" Er sah den Weltenreisenden an. Dieser schlug ein Notizbuch auf. "Bofur, verwandt mit Bifur und Bombur ... nee, wir haben keine drei ähnlichen Bären. Bombur ist vermutlich der Panda ... Hm, ich glaube, Bofur war allgemein nett zu Bilbo. Dann müsste es, laut meinen Beobachtungen, Zmerk sein."
"Zmerk?"
"Das ist der Brillenbär." Der Weltenreisende nickte. "Ich bin mir ziemlich sicher."
Marv musterte seine Truppe fieberhaft. "Es gibt doch diesen schweigsamen Zwerg mit der Axt im Kopf. Cyb wäre dafür eine gute Wahl."
Der Roboter-Wolf stieß eine Reihe empörter Piepslaute aus.
"Ja, aber es passt", sagte Marv.
"Was hat er gesagt?", fragte Mobu verwirrt.
"Das ist doch genau der Punkt", antwortete Marv. "Außer einigen von uns versteht niemand dieses Gepiepse! Er ist perfekt für die stumme Rolle."
"Das müsste Zmerk sein, der Kurznasenbär." Der Weltenreisende machte einen Haken. "Will jemand der Panda sein?"
Allgemeines Kopfschütteln.
"Dann gehen mir langsam die markanten Zwerge aus", gestand Reisi.
"Es gibt noch Dwalin, den großen, starken", warf Marv ein.
"Uh, den will ich!", rief Urdoggo sofort begeistert.
"Ich will auch stark sein!" Sein Bruder, der Knochenknurpsler, bleckte die Zähne. "Dann nehme ich Bombur. Wenn der in einem Fass ist, ist er unaufhaltbar!"
"Und den schüchternen Zwerg. Ori, glaube ich."
"Den nimmt dann Timo", entschied der Weltenreisende und machte Haken. "Das wäre ein ordentlicher Schwung, aber es bleiben noch Leute übrig."
Und zwar Mobu, der blinde Feuerelb mit dem dämonischen Buch Hyphurion in der Hand, sein Gehilfe, der Zwerg Todo, die wandelfähige Fuchsmaske, Mac und Sepia, die Kreaichs Lyssa und Sylas - und Marv und der Weltenreisende.
"Ich wäre gerne Gandalf", murmelte Marv.
"Der ist schon vergeben."
"Na ja, dann gucken wir einfach mal. Irgendwer muss sich ja auch um die übrigen Bären kümmern." Den bereits ausgetauschten Zjerg hatten sie erst mal nach Belletristica zurückgeschickt, wo sich zwei weitere Pseudonyme um ihn kümmerten: Pascal und Marvin Schlauwolf. Das war sicher auch eine lustige WG ...
"Also gut", entschied Marv, da die Elchhorde mal wieder am Horizont vorbeidonnerte. Ewig würden Mac und Sepia sie nicht ablenken können. "Marvin müsste jeden Moment auftauchen. Wer eine Rolle hat, ab in das jeweilige Fass. Wir kümmern uns darum, dass die Zellen der richtigen Bären zu bleiben!" Wenn Marvin nämlich vorher alle Bären befreite, brachten ihnen alle schicken Pläne nichts. Sie mussten schneller sein als die Rettungsaktion von Assyl und Marvin. Dann würden die ausgewählten Pseudonyme einfach anstelle der Figuren in die Fässer hopsen und wer mit Marv zurückblieb, würde die restlichen Bären mitnehmen.