Die Welt war öd und leer; und so beschlossen die Titanen, ein Reich zu erschaffen.
https://www.deviantart.com/ifritnox/art/946249831 (Bild von Ifrit van Nox)
Das Land, welches sie wählten, war die Andromeda-Ebene, welche damals noch ebenso öd und leer wie der Rest der Welt war. Unmittelbar nach dem Kampf errichtete Lupus' Rudel das große Cassiopeia-Gebirge, so hoch, dass der Schnee auf seinen Gipfeln zu Silber wird, und hierher setzten sie die ersten und ältesten Sonnen. In einem weiten Ring umfasste das Gebirge die Andromeda-Ebenen, und es war so stark, dass die Finsternis nicht an seinen Grundfesten nagen und die Berge nicht ins Wanken bringen konnte.
Die Andromeda-Ebene erstreckten sich nun von einem Ende des Lichts bis zum Anderen, und sie waren geschützt vor jeder Art Dunkelheit, weshalb sie auch Lichtweiten heißen. In diesem leeren, stillen Land ruhten die Titanen von ihrem Kampf und der Anstrengung, das Gebirge zu errichten, und dabei kamen einige von ihnen auf die Idee, eigene Kreaturen zu schaffen, die ihnen bei den folgenden Aufgaben helfen sollten.
Dies waren die Titanenkinder.
Der erste Titan, der erneut zu singen begann, war Canis Major. Seinem Lied entsprangen drei große, kräftige Söhne. Der älteste von ihnen war Sabik, dessen Fell wie Gold schimmerte und dessen Augen wie Sonnen glühten. Der Erstgeborene der Andromeda-Ebene war ganz vom Mut seines Vaters erfüllt. Von ihm wird noch viel zu berichten sein.
Der zweite Sohn von Canis Major war Pictor, dessen Fell wie grauer Nebel schimmerte. Er wurde ein Geschichtenerzähler, der Sagen von großer Schönheit spann, voll von Hoffnung und überwundener Dunkelheit. Jedoch war er stumm und konnte die Schönheit seiner Geschichten nicht teilen.
Darum gab es den dritten Sohn von Canis Major: Deneb, der Sänger. Er allein vermochte, Pictor zu verstehen und in Lieder zu fassen, was sein Bruder ersann. Sein Fell schimmerte silbern wie Sternenlicht.
Als die restlichen Titanen sahen, wie Canis Major ein neues Rudel schuf, waren die meisten begierig, wie er Kinder zu haben. Einzig die fünf Späher hielten sich zurück und die Boten, Lepus und Pegasus, wollten ebenfalls nichts erschaffen.
Canis Minor jedoch war bestrebt, es seinem Bruder gleichzutun. Er sang, jedoch keine Söhne, sondern eine wunderschöne, zarte Tochter, die Virgo genannt ward. Ihr Fell war weiß wie frischer Schnee und ihr Blick blau wie die Weiten der Unendlichkeit.
Als nächstes erschufen Ursa Major und Ursa Minor gemeinsam einen Sohn, Kornephoros genannt, welcher seiner Mutter und seiner Tante an Stärke ebenbürtig war. Sein Fell war weiß und braun und schwarz, und er war schon damals gewaltig. Auch von ihm wird noch viel zu berichten sein. Schon in jenen ersten Tagen wurde er ein guter Freund von Sabik, dem Erstgeborenen, war Kornephoros ihm doch in gewisser Weise ähnlich als erstgeborener Nicht-Wolf.
Nun war auch Vulpecula bestrebt, sich einen Sohn zu erschaffen. Doch etwas ging schief und es erhoben sich zwei junge Füchse. Das Fell des einen, Castor, war schwarz wie die Finsternis, das Fell des anderen, Pollux, weiß wie Schnee. Der dunkle Fuchs ängstigte die Titanen, war er doch eine direkte Mahnung, dass ihr Kampf noch lange nicht vorüber sei, und ein Streit entspann sich, als Ursa Major forderte, den schwarzen Fuchs zu verbannen, und Vulpecula sich erbost gegen sie stellte. Schließlich griff Corvus ein, dann Lupus selbst und man entschied, dass niemand verbannt werde, da keiner der beiden Füchse etwas für seine Fellfarbe konnte. Doch Castor würde Zeit seines Lebens unter strenger Beobachtung sein.
Lynx wollte nun nicht hinter Vulpecula zurückstehen und so ersang sich der Luchs zwei Kinder: Regulus, ein goldener Löwe, und Algieba, eine rote Tigerin. Beide strahlten wie gewaltige Sonnen und erhellten das Land.
Die Andromeda-Weiten waren, bevölkert von den Titanenkindern, schon weit weniger trostlos anzusehen, und so entschieden diese, sich der Aufgabe zuzuwenden, die vor ihnen lag: Und zwar, das weite Land zu besiedeln mit Wäldern, Flüssen und Seen, Tieren und Pflanzen.
Während die Titanen arbeiteten, entfernte sich Pegasus von seinen Freunden. Das Herz des mächtigen Hengstes war schwer. Er hatte sich gemeinsam mit Lepus entschlossen, nicht zu singen, doch nun fühlte er einen Schmerz angesichts der glücklichen Familien, den er nicht zu mildern vermochte. Lepus schien nichts dergleichen zu fühlen und die Späher waren ganz davon eingenommen, den Himmel über der Ebene mit Wolken zu besetzen.
Wie Pegasus so durch die Weiten streifte, hörte er plötzlich eine Stimme und erblickte eine Stute von feiner Gestalt, strahlend weiß und mit einem schimmernden Horn auf der Stirn. Woher sie kam, wird für immer ein Rätsel bleiben: Vielleicht hat ein stummes Lied aus Pegasus' Herz sie erweckt oder vielleicht fand sie ihren Weg von draußen herein, war wie Lupus in der Dunkelheit erwacht, nur weitaus schwächer, und konnte sich in dieses friedliche Land retten.
Ihr Name war Lukida und sie ward Pegasus' Gefährtin. Mit ihr hatte er später zwei Fohlen: Kentaur, einen goldenen Hengst, und Kitalpha, eine goldene Stute.
Gemeinsam bestellten die Titanen und ihre Kinder nun das Land. Quer durch die Weiten führte der verschlungene Eridanus, der rechte Weg, und eine Ranke aus Sternenlicht erhellt ihn, deren Blüten in jenen Tagen zahllos waren: Die Caelum. Aus der Lyra-Quelle entsprang ein mächtiger, silberner Strom, die Lyra. Sie ist ein wilder Fluss, beherrscht von den gefährlichen Stromschnellen, doch es gibt auch eine höhergelegene Furt, die einige Jahre später den Namen Elchfurt tragen wird.
Jeder der vier äußeren Späher nahm außerdem einen Samen und trug ihn an einen anderen Ort des Himmels; und so entstanden vier Wälder.
Grus, der Kranich, flog zum Heim des Frühlings. Dort pflanzte er den Wald der Zeit, womit die Jahreszeiten beginnen konnten. Der mächtige Baum des Wandels erhebt sich dort inmitten von Blumen, Blüten und Insektenschwärmen.
Der Adler Aquila flog zum Heim des Sommers und pflanzte dort die Akazienweite und die Hänge wilden Weins. Hierher zog es auch Regulus, den Sohn von Lynx, der ein guter Freund des Adlers wurde.
Corvus, der Rabe, flog zum Flussdelta, wo er den Alkeswald pflanzte, dessen Laub sich in allen Farben des Sonnenuntergangs färbte. Dort steht auch der Gerichtssaal des Rabens, wo Corvus seine Richtssprüche tätigt.
Der Schwan Cygnus schließlich flog zum Flussende, in den Winter, und schuf den Tannenwald Mothallah, der in dieser kalten Witterung überdauern konnte und ein Hort von Ruhe und Stille war.
Phoenix erspähte in der Zwischenzeit ein Meer, dessen Fluten rot wie Blut waren: Das Cepheus-Meer. Niemand wusste, woher es gekommen war. Es war aus dem Nichts erschienen, ein Schatten zukünftigen Leids vielleicht.
Die Titanen wollten versuchen, es zu vernichten, doch das erwies sich als schwierig. Denn sie konnten das rote Wasser nicht berühren, ohne dass es ihrem Wesen sofort großen Schaden zufügte. Kleinere Wesen würden darin auf der Stelle sterben.
Da hatte Vulpecula die Idee, dass sie Cepheus behalten könnten, um die Finsternis vernichten zu können, sollte diese ihren Weg in die Andromeda-Ebenen finden. Er vermochte, die anderen Titanen zu überzeugen, und so errichteten sie lediglich einen schützenden Wall um das rote Meer und warnten alle Wesen vor Cepheus.
Oh, wie würden sie dies bereuen!
Nun schufen die Titanen zwei weitere Seen, den Atria- und den Norma-See, welche nun als Trinkquelle und Heimat für all die Geschöpfe dienen sollten, die Lupus und die Titanen noch zu erschaffen gedachten.
Zuletzt erschufen die Titanen die abgeschirmte Lichtung Trishanku, ein von Licht durchflutetes Heim im Herzen von Andromeda. Der Zugang war nur Titanen und ihren Kindern gestattet; eine Ausnahme galt für Lukida. An diesem Ort wollten die Schöpfer ausruhen können, ungestört von ihrer Schöpfung.
Als Lupus nun sah, dass all seine Freunde glücklich waren, hub auch er zu einem letzten Lied an. Auf seinen Gesang hin entstand Mirfak, Lupus' Sohn, ein Wolf mit graubraunem Fell, wie Sternenstaub in Tiergestalt. Er war das letzte Titanenkind, denn nach dieser Tat befand Lupus, dass ihre Lieder fortan in die Gestaltung und den Schutz der neuen Welt fließen sollten, und alle Titanen stimmten ihm zu, zufrieden mit ihren Familien und Aufgaben.