Seit jeher heißt es, dass es einen Fuchs braucht, um etwas Dummes zu tun.
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In der Akazienweite, wo auch die großen Bärinnen und ihre Verbündeten lebten, Kornephorus, Bootes, Asterion und Chara, stand ein Baum, der süßen Honig gab. Die Bären liebten den goldenen Saft, doch der Honig wurde von einem großen und gefährlichen Schwarm Bienen bewacht. Diese surrenden Insekten waren überall gefürchtet, weshalb man um den Baum meist einen Bogen schlug.
Die Zwillingsfüchse Castor und Pollux aber hatten beim Anblick des Baums die Idee zu einem großartigen Streich. Sie suchten das Land ab und stießen auf ein weiteres Geschöpf Vulpeculas, den jungen Fuchs Mimas, der friedlich in den Ebenen lebte. Zu ihm gingen die Titanenzwillinge hin und erzählten ihm, dass die Bären unbedingt etwas davon haben wollten, dass sie sehr traurig seien, weil das unmöglich wäre, und sicher eine große Belohnung für den in Aussicht stand, der ihnen etwas holte.
Auf diese Weise redeten die Zwillinge auf den jungen Mimas ein, bis sich dieser entschloss, etwas Honig für die Bären zu holen. Castor und Pollux legten sich in der Nähe auf die Lauer.
Als Mimas zum Baum kam und versuchte, diesen zu erklimmen, wurden die Bienen auf ihn aufmerksam. Es dauerte nicht lange, und Mimas hörte das höhnische Gelächter der beiden Titanenkinder, ehe er vor einer Wolke der zornigen Insekten fliehen musste.
Um sich zu retten, sprang er in den Norma-See, doch er unterschätzte dessen Tiefe. Bald musste er um sein Leben paddeln, noch immer die dunkle Wolke über sich. Castor und Pollux, die Ärger fürchteten, ergriffen die Flucht und überließen Mimas sich selbst.
In der Nähe war Erakis, ein roter Wolf, der im Auftrag von Canis Minor eine Herde Bergziegen hütete. Er vernahm die fernen Hilferufe und brach sofort ins Tal auf, wo er Mimas im See erblickte. Ohne Zögern eilte er zu ihm und zog den Fuchs an Land. Nicht viel später erschienen Castor und Pollux in Begleitung von Sabik Pfeilstern, den sie um Hilfe gebeten hatten. Sabik vergewisserte sich, dass es Mimas gut ging, dann tadelte er die beiden Fuchszwillinge scharf.
"Was habt ihr euch nur bei diesem Streich gedacht? Wenn Erakis nicht eingegriffen hätte, wer weiß, womöglich wären wir zu spät gekommen! Ich werde Vulpecula davon erzählen." Pfeilstern vertrieb die Bienen und in dieser Zeit flohen Castor und Pollux, um sich dem Ärger mit ihrem Vater zu entziehen. Gereizt zog Sabik los, um sie zu suchen.
Damit blieben Mimas und Erakis allein zurück. Nachdem der Fuchs dem roten Wolf gedankt hatte, erinnerte sich Erakis an die Bergziegen. "Ich muss sofort zurück!", rief er. "Bevor da noch was passiert."
"Dann lass mich mitkommen und helfen", bot Mimas an. "Das ist das Mindeste, was ich tun kann."
Erakis stimmte zu und sie eilten gemeinsam ins Gebirge. Dort hatten sich die Ziegen inzwischen zerstreut und sie mussten beginnen, sie zusammenzutreiben. Erakis zeigte Mimas, was er tun musste, und gemeinsam kamen sie gut voran. Dann jedoch wurde Mimas übermütig. Erakis hatte ihm erklärt, dass man die Ziegen nicht erschrecken durfte, was leicht geschehen konnte, wenn man ein großer Wolf war. Mimas, bestrebt, dem Wolf seine Rettung zurückzuzahlen, glaubte jedoch, dass er als kleinerer Fuchs weniger Furcht auslösen konnte und beschloss, die Ziegen schneller zusammenzutreiben. Es kam, wie es kommen musste, und eine Gruppe Ziegen floh höher ins Gebirge. Mimas war entsetzt und wollte ihnen schon folgen, doch dann beschloss er, Erakis zu rufen und ihm seine Tat zu beichten.
Der rote Wolf war nicht begeistert. Da hatten sie so mühsam die Ziegen zusammengetrieben, und dann jagte Mimas einen großen Teil von ihnen davon!
"Aber immerhin hältst du es nicht wie die Zwillinge und stehst zu deinen Taten", brummte er. Wie die meisten Wölfe konnte Erakis Füchse nämlich nicht leiden. Sie waren zu lustig und durchtrieben, als dass Wölfe sie mögen würden. "Und es hilft alles nichts. Wir müssen die Ziegen jetzt holen."
So eilten sie los, diesmal gemeinsam. Erakis spürte die Ziegen auf und trieb sie zurück ins Tal, und Mimas folgte so brav wie nie zuvor und half ihm. Weiter unten konnten sie endlich alle Ziegen zusammentreiben, bis Erakis feststellte, dass nur noch ein Tier folgte: Der weiße Bock, vor dem auch er erschauerte.
"Was hast du?", fragte Mimas. "Du großer Wolf fürchtest dich vor einer Ziege?"
"Weißt du was? Du kannst deinen Fehler wieder gut machen und den weißen Bock holen. Ich denke, ich weiß, wo er ist."
"Einverstanden", sagte Mimas und zog los. Er fand den weißen Bock dort, wo Erakis gesagt hatte, und ging ruhig auf die Ziege zu, wie er es gelernt hatte.
Der Bock jedoch kannte keine Furcht, weder vor Fuchs noch Wolf. Als er Mimas sah, senkte er den Kopf, nahm Anlauf und erwischte den Fuchs beinahe, der im letzten Moment ausweichen konnte. Er schrie vor Furcht, als der weiße Bock ihm weiter nachsetzte, doch da war plötzlich Erakis herbei, der ihm heimlich gefolgt war, und lockte den Bock zum Rest der Herde. Mimas sah zu, wie Erakis den Angriffen auswich, gesellte sich bald an seine Seite und gemeinsam schafften sie es, die Herde vollzählig zu vereinen.
Erakis setzte sich wieder und beobachtete die grasenden Ziegen, und Mimas legte sich neben ihn.
"Weißt du", sagte der Fuchs. "Dieser Bock hat mich auf eine Idee gebracht."
"Mich auch", gestand Erakis. "Eine sehr untypische Idee für mich. Ich denke, ich bräuchte einen Fuchs, um mir dabei zu helfen."
"Und ich brauche einen starken Wolf, der mich unterstützt", fügte Mimas hinzu, und damit war die Sache klar.
Am nächsten Tag, als Castor und Pollux durch die Weiden streiften, noch immer auf der Flucht vor der Strafe durch Vulpecula, erspähte Mimas sie. Er lief sofort zu ihnen und erzählte, dass Vulpecula in der Nähe sei und er ihn holen würde. Da flohen die Zwillinge ins Gebirge. Dort jedoch wartete Erakis auf sie und lockte den weißen Bock herunter. Schon bald hallten die Schreie der Zwillinge über die Klippen, während sie vor dem Bock flohen. Sie wählten den Weg in die Akazienweite, doch dort wartete Mimas. Der Fuchs hatte die Gelegenheit genutzt und sich dem Honigbaum erneut genähert. Von Erakis hatte er gelernt, sich vorsichtig zu nähern, sodass die Bienen ihn nicht als Gefahr wahrnahmen, und so hatte er etwas Honig stehlen können. Nun folgten ihm die Bienen, doch er eilte den Zwillingen entgegen und warf den Honig auf Castor und Pollux, sodass die Bienen nun sie jagten, zusammen mit dem weißen Bock.
Erakis traf dicht hinter den Zwillingen ein, und gemeinsam mit Mimas folgte er den Streichspielern und amüsierte sich über ihre verzweifelte Flucht. Schließlich blieb den Zwillingen keine andere Wahl, als zu ihrem Vater zu fliehen.
Vulpecula vertrieb die Bienen und den weißen Bock, und dann baute er sich vor den Chaosstiftern auf und schimpfte mit ihnen wegen ihres Streiches. In ihrer Not hatten sich die Zwillinge direkt zu ihrer Strafe begeben. Vulpecula trug ihnen auf, die Mäuse im Untergrund zu zählen, also mussten die Zwillinge aufbrechen und das Erdreich der ganzen, weiten Ebenen durchwühlen. Da die Mäuse allerdings dabei von einem Ende zum anderen flitzten, würde ihre Arbeit nicht so bald getan sein.
Mimas und Erakis kehrten zur Herde zurück, einträchtig Seite an Seite, und lachten noch lange über den gelungenen Streich.
Und es würde nicht ihr letztes Abenteuer gewesen sein.
Eine kleine Durchsage: Zu diesem Buch gibt es nun auch, von der wunderbaren Ifrit van Nox, eine englische Übersetzung sowie Illustrationen zu jedem Kapitel.
Guckt mal vorbei: https://belletristica.com/de/books/51278/chapter/284949 Die neuen Illustrationen sind jetzt auch in den jeweiligen Kapiteln verlinkt.