Sol wandte sich ab wie Canis Major, aber Lunis schenkte den Wesen von Mimosa weiterhin ihre Liebe.
https://www.deviantart.com/ifritnox/art/1006177018
Die silberne Wölfin Lunis liebte Mimosa noch immer. Ihr ist es zu verdanken, dass sich nach Thireuos Verrat nicht alle abwandten.
Doch Trauer lastete schwer auf Lunis' Herz, und mit der Trauer kam neue Finsternis. Wie die Wächter über den Himmel zogen, wurde Lunis' Licht schwächer und schwächer.
Sie trauerte um Viele: Um Arae, den Beta des alten Rudels, dessen Teil sie gewesen war, um ihre gemeuchelten Kinder und nicht zuletzt um Sol, der jede Hoffnung verloren hatte. Je weiter die Zeit voranschritt, desto tiefer wurden ihre Wunden.
Nun ward ein junger Wolf geboren, der mit Namen Luan hieß. Wie er Lunis über sich erblickte, wurde er von tiefer Liebe zu ihr erfasst, noch bevor man ihm berichtete, dass jener Mond ihre Göttin sei. Im Gegensatz zu vielen anderen Wölfen glaubte Luan die alten Sagen ohne Zweifel. Selbst seine eigenen Brüder, Tunay und Jaro, waren nicht so überzeugt wie Luan.
Bald begann der junge Wolf, Lieder zu Ehren Lunis' zu singen. Zwar vermochte sie seine Liebe nicht zu erwidern, doch die Klänge gaben ihr neue Hoffnung, und Luan war es zufrieden, seine Göttin aus der Ferne zu beobachten, denn seine Liebe zu ihr war von einer tieferen, anderen Art.
Lunis, noch immer vergiftet vom Anblick der Finsternis, wurde bald schwerkrank und ihr Licht schwand von der Welt. Sie färbte sich rot, ein Blutmond, wie er vor der Mondfinsternis kommt. Die Wölfe sahen ihr Licht schwinden und selbst jene, die die alten Geschichten nicht glaubten, ahnten, dass das Ende aller Tage gekommen war. Sie gingen zu ihren Familien und sagten, was sie nie auszusprechen gewagt hatten, und sie nahmen Abschied und harrten gemeinsam auf das Ende.
Luan jedoch saß auf einem Berg und sang unablässig, obwohl ihn seine Brüder anflehten, aufzuhören. Sie wollten mit ihm zu ihrem Rudel heimkehren, um genau wie alle die letzte Zeit mit ihren Liebsten zu verbringen, doch Luan wollte nicht aufgeben. Er sang einen halben Monat lang, in dem er nur wenige Stunden schlief. Doch Lunis' Licht wurde mit jedem Tag schwächer, Luans ganze Mühen reichten nicht aus. Da hörte er auf zu fressen und zu schlafen und tat nichts mehr außer Singen. Tunay und Jaro blieben bei ihm und baten ihn, nicht auch noch unnötig zu leiden.
"Die Dunkelheit kommt, die ewige Dunkelheit. Stell dich ihr nicht geschwächt!" So redeten sie auf Luan ein. Er aber sah einfach weiter zum Mond auf, dessen Licht sich in seinen Augen spiegelte, und ignorierte ihr Flehen. Tunay und Jaro harrten aus, verzweifelt und schweigend, und Luan sang von seiner Liebe zum Mond, zur Welt Mimosa und zu allem Leben darin.
Darauf fasste Lunis neuen Mut und ihr Licht erstrahlte im gleichen Maße, wie Luan immer schwächer wurde. Ungläubig sahen es Tunay und Jaro, und stimmten mit ein. Luan sang, lauter und glücklicher, doch er konnte nicht einen Moment innehalten, oder Lunis' Licht drohte, erneut zu schwinden. Er kämpfte einen Kampf gegen die Finsternis, die so viel stärker war als ein normaler Wolf. Doch sein Gesang rettete Lunis, ehe er mit ihrem Lied auf den Lippen starb.
Die Mondklage
Ich sehe dich,
so nah – und doch so fern.
Ich kann dich nicht ergreifen,
doch mich deines Banns nicht erwehr'n.
Meine Augen,
voller Trauer und Schmerz,
mit Tränen sehen zu dir hinauf:
So nah – und doch so fern!
Du bist
das letzte, was ich seh.
Meine Träume schwinden:
So fern – und doch! So nah …
Luan war tot; doch sein Lied hatte Lunis errettet. Zum Dank erhob sie ihn in den Himmel, damit er als Stern an ihrer Seite stünde. Tunay und Jaro erblickten das neue Gestirn und wussten, dass Luans Opfer weder vergebens noch vergessen war; er hatte die Welt gerettet und lebte unter den Königen und Titanen für alle Ewigkeit fort. Seinen Brüdern wurde das gleiche Schicksal zuteil, als sie viele Jahre später als Väter einer neuen Linie starben. Luan erhielt den Namen Azimut von Lunis geschenkt, und wann immer sie den Himmel betrat, war er der erste Stern, der ihr folgte, ein treuer Betawolf, während sie Monat für Monat ihren Tanz in Gedenken an Luans tapferes Opfer vollführt, vom Licht zum Dunkel und wieder zurück, damit niemand je die Bedrohung der Finsternis vergesse; noch dass es in jeder Dunkelheit Hoffnung gab.
Seine Brüder Tunay und Jaro, die treu an seiner Seite ausgeharrt hatten, machte Lunis zu Zenit und Nadir, die Azimut auch nach dem Tod nie von der Seite wichen.
So kam es, dass die Blutlinie Azimut die zwölfte Linie der Könige wurde, nach den Kindern von Sol und Lunis und den drei Wächtern Sirius, Arktur und Canopus, und auch die Kinder Luans sind noch heute groß, ihre Augen dagegen sind silbern wie die Strahlen der Lunis. Noch heute erscheinen die drei Brüder am Himmel, um allen Wölfen den Eridanus zu weisen, den rechten Weg.
Eines Tages aber, noch bevor seine Brüder zu ihm stießen, trat Azimut zu Lunis und bat sie um einen weiteren Gefallen, jemandem zu helfen, dem er viel verdankte. Denn es gab einen alten Wolf, der Luan vieles von Lunis und Sol erzählt hatte. Jener hatte vor langer Zeit die Hoffnung verloren, doch waren es seine weisen Worte gewesen, die Luan hatten singen lassen.
Dieser Wolf war niemand anderes als Thireuo, der den Glauben gefunden und weiter verbreitet hatte. Als Lunis und Sol von seinem weisen Rat hörten, waren sie gerührt. Doch Thireuos Taten waren nicht vergessen und sie wussten lange Zeit nicht, wie sie auf Azimuts Wunsch reagieren sollten.
Widerwillig schlüpfte Sol schließlich erneut in die Verkleidung von Beteigeuze und stieg herab, um Thireuo zu sprechen. Dessen Worte erstaunten ihn. Keineswegs hatte Thireuo den Glauben an Sol und Lunis verloren, jedoch die Hoffnung, dass die Finsternis noch zu schlagen sei. Er wusste, welchen Fehler er begangen hatte, und trug die Reue bis zu diesem Tag mit sich, überzeugt, dass er die Wölfe für immer Sols Gnade beraubt hatte. Sogar an der Mondfinsternis, die Azimut abgewehrt hatte, fürchtete er sich schuldig. Jedoch hatte er stets von den Legenden der Sterne erzählt und viele Wölfe erneut glauben lassen, sodass Sol nun viel Licht inmitten der Finsternis Mimosas vorfand.
Da offenbarte sich Sol mit all seiner Macht, die zu viel für die Kraft eines einfachen Wolfes war. Thireuo schrie in Pein auf, während er erkannte, wie nah ihm die Lösung stets gewesen war, und ward auf der Stelle geblendet. Doch im gleichen Moment verbrannte die Macht der Dunkelheit, welche aus Hoffnungslosigkeit geboren war, über seine Seele, die nicht anders hätte vernichtet werden können. So, entschied Sol, wäre er würdig, und auch Thireuo wurde zu einem Gestirn am Himmel und zur dreizehnten Blutlinie der Wölfe.
Sol verlieh ihm den neuen Namen Orion. Ihm folgten auch seine Begleiter aus alten Tagen, auch ihnen wurden neue Namen gegeben: Aus Tariq wurde Rigel, aus Stella Bellatrix, Ylika und Ylli wurden zu Alnilam und Alnitak, aus Sitarah wurde Hatysa, die Zwillinge Izar und Izarra wurden zu Tabit und Thabit, Nyota zu Meissa und Zvezdan zu Khad. Shihab wurde Saiph getauft und auch der Fuchs Beteigeuze, wenngleich nur eine gewandelte Gestalt, begleitet dieses Rudel oft.
Noch heute gibt es die Linien der Neun (welche nur acht Linien sind) und der drei Krieger, die groß sind und rote Augen haben; und es gibt die Blutlinien Azimuts und Orions, die etwas kleiner sind, doch noch immer größer als die Wölfe heute, mit Augen silbern wie der Mond und sonnenblind.
Damit waren es dreizehn Blutlinien, und dreizehn Titanen hatte es gegeben. Zu diesem Zeitpunkt stieg Lupus zu Lunis und Sol herab und offenbarte ihnen ein Geheimnis: Dass noch eine weitere Linie an Sternwölfen kommen würde, genau, wie es Lupus neben den dreizehn Titanen gab, eine Linie von großer Stärke und Macht. Ihr Erbe ruhte verborgen in den Herzen der Wölfe, ob Sternwolf oder Kanonikos, und würde sich zur rechten Zeit offenbaren.
Dies würde Schimmerstern sein, und er würde in der Zeit des Feuers kommen, wenn der Fieberstern in seinem Schatten die Finsternis bringt und die Sterne fallen und Mimosas Ende gekommen sein wird.
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Und damit endet der offizielle Teil der Sternenlieder! Es wird zwar immer noch Anhänge geben - sowohl Hintergründe als auch Kurzgeschichten, die einen Teil der Sagen weiter ausbauen. Doch das 'Gerüst' steht und diese weiteren Updates werden eher sporadisch sein.
Ich hoffe, euch hat dieser Einblick in die Mythologie der Wölfe gefallen!
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Dir hat die Geschichte gefallen?
Wenn du möchtest, kannst du mir für deine absoluten Lieblingswerke ein paar Brotchips über Ko-fi spendieren: https://ko-fi.com/grauwolfautor
Das ist natürlich kein Zwang und du solltest das nur tun, wenn du gerade etwas entbehren kannst.
So oder so bedanke ich mich vielmals für's Lesen!