Hoffnung war spärlich in jenen Tagen.
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Von dem Klauenbruch ahnten die Verteidiger lange Zeit nichts. Castor und Pollux schwiegen darüber, dass Vulpecula noch lebte, und über ihren Spion und die kleinen Siege. Doch Lepus kehrte nicht mehr zu ihnen zurück und sie ahnten, dass sie der großen List doch nicht gewachsen waren.
Dann erfolgte der dritte Schlag der Finsternis, diesmal nur ihr Blick und der fürchterliche Zahn Pyxis. Beide kamen aus dem Nichts und beide zielten auf einen Fuchs der Zwillinge.
Hier aber hatte die Finsternis einen Fehler gemacht, dem auch die Titanen damals erlegen waren: Sie hatte den schwarzen Fuchs Castor erblickt und geglaubt, eine dunkle Seele zu sehen. So sandte sie ihm den grässlichen Blick und Pollux den tödlichen Zahn; in der Hoffnung, Castor mit Trauer und Furcht so schwer zu treffen, dass er lieber auf ihre Seite ginge, als im Licht zu bleiben.
Wie er Pollux fallen sah, war der schwarze Fuchs auch wirklich gelähmt. Es nahm ihm die Worte und alle Gedanken, dass sein Zwilling von ihm gerissen wurde. Doch er war auch Vulpeculas Sohn und erkannte in diesem Angriff, dass die Finsternis von der Rolle der Füchse im Klauenbruch wusste - wieso sonst sollte sie ausgerechnet sie beide angreifen, wo doch die Schildträger so viel mächtigere und lohnendere Ziele waren?
Und zuletzt hatte Castor sein Leben lang mit den Zweifeln anderer gerungen, die ihn fürchteten, und wusste darum um sein Inneres Licht, das er ihnen allen hatte zeigen müssen. Darum, vielleicht darum allein, konnte er dem Blick des Schattens widerstehen.
Pollux war gefallen, und alle blickten voll Furcht in den Himmel, in Erwartung der drei Klauen, entsetzlich gespannt, wen sie diesmal treffen würden.
"Sie werden nicht kommen", sprach Castor in die Stille.
Wie er da stand, neben seinem gefallenen Bruder, von unheimlicher Ruhe, und Dinge sprach, die doch niemand wissen konnte, erweckte er neue Furcht in den Herzen der Verteidiger.
"Es gab einen Spion der Finsternis in unserem Lager", erklärte er allen. "Und um diesen zu täuschen, mussten wir schweigen. Doch nun ist die Wahrheit offenbar, wie dieser Angriff beweist, und darum kann ich offen sprechen!"
Dies war zur Hälfte eine Lüge, denn Castor dachte auch in seiner Trauer noch klar und ahnte, dass Vulpeculas Überleben weiterhin ein Geheimnis war und bleiben musste. Doch von Lepus berichtete er den Verteidigern, von seinen treuen Warnungen vor Draco und dem Geheimnis um die Klauen. Wie der Hase und die Füchse gemeinsam alles getan hatten, um gegen die Finsternis zu halten. Mirfak trat vor, um seinen Teil zu bestätigen, ähnlich wie Pavo und Kentaur, Aboras und Shemali.
"Wir dürfen nicht aufgeben", endete Castor mit dünner Stimme, denn nun brach die Trauer um Pollux doch über ihn herein. "Draco ist verwundet, der finstere Blick und der schreckliche Zahn müssen sich nun erholen. Dies ... dieser dunkle Moment, diese traurige Stunde ist unsere."
Von seinen Worten bewegt, stieß Mirfak ein Heulen aus und sang ein Lied des Krieges. Nun wussten alle, dass sie keine Stunde mehr zögern durften, und die Helden der Lichterweiten sprangen voraus, ihnen folgten alle, die kämpften konnten. Mirfak, Sabik Pfeilstern und Kornephorus Felsenträger liefen voraus, dichtauf Mirfaks Rudel: Der treue Arae, Sol und Lunis, Sirius, Canopus und Arktur. Dann folgten Kitalpha und Kentaur und Algieba, und viele weitere wie Nunki oder Skorpio, und die Fische in den Flüssen.
Sie trafen auf die vorrückende Dunkelheit und ihre Diener, während deren Mächte gegen die Schilde prallten. Ein wilder Kampf entbrannte. Feuer verzehrte die Wiesen und Schreie hallten weit. So heftig war die Schlacht, dass sich gar die Himmelsrichtungen verschoben und der Norden fortan im Süden, der Westen im Osten war.
Viele Heldentaten wurden begangen, während Aldeban und die Schilde aushielten. Kornephorus, der Sohn der Bärinnen, traf auf den Verräter Regulus und kämpfte gegen den Löwen. Mächtige Schläge tauschten beide aus, von denen ein jeder Planeten spalten könnte, doch schließlich obsiegte der Felsenträger über Algiebas Bruder und Regulus starb.
Woanders traf Sabik Pfeilstern auf die große Schlange Serpens. Ihr Kampf war schneller, als der Blick folgen mochte. Sie jagten auf Blitzen dahin, die den Himmel peitschten. Gift troff von Serpens' Fängen, nicht einmal dürfte sie Sabik erwischen, oder es wäre um ihn geschehen. Doch er kämpfte flink und schnell und gewann.
Auch Virgo hatte sich dem Kampf angeschlossen, jedoch, um Wunden zu heilen. Sie traf in den Wirren des Schlachtfelds Algieba, die über Regulus' Leiche kauerte. Trauer hatte die Tigerin überwältigt, eine Dunkelheit, geboren aus Regulus' Verrat. Doch noch immer liebte sie ihren Bruder und bedauerte sein Ende sehr.
Virgo erkannte die wachsende Finsternis in Algieba und sprach ihr Mut zu, um ihren Schmerz zu lindern. Virgos sanfte Macht zeigte Wirkung und begann, Algieba zurück ins Licht zu führen. Wie sie dort aber saßen, Seite an Seite, Töchter der Titanen, fand sie Cancer, der Diener der Finsternis. Der mächtige Krebs trat auf sie zu und drohte, ihnen zu schaden.
Algieba erhob sich, als sie ihn bemerkte, und stieß ein Knurren aus, doch dieses war noch schwach von Trauer, sodass Cancer sie nicht fürchtete. Da erhob Virgo das Wort.
"Folgst du wirklich deinem Herzen, Cancer? Ist dies, wer du sein willst?"
Ihre leisen Worte berührten sein Herz. Cancer sah das Licht in Virgos Blick, welches er so lange nicht gekannt hatte, und gewahrte im selben Moment die Falschheit seines Tuns. Von Reue erfüllt senkte er den Blick und dann ging er mit ihnen zurück zur Lichtung Trishanku und schwor seiner Zeit in Dunkelheit ab.
So hatte Virgo womöglich die größte Heldentat von allen begangen, wenngleich Sabik und Kornephorus so schreckliche Mächte wie Regulus und Serpens besiegten; denn sie stahl der Finsternis an jenem Tag zwei Diener und erhielt ihre Kraft für Andromeda.
Doch ach, alle Bemühungen der Helden waren vergebens. Denn die Macht der Dunkelheit war größer. Sie wollten zurückweichen zur Lichtung Trishanku, und es geschah, dass die Nacht sie umschloss, bevor sie den rettenden Ort erreichten. Mirfak führte die Verteidiger an, welche den Kampf überlebt hatten. Er konnte keinen Ausweg sehen, als der treue Arae plötzlich vorlief.
"Wenn ihr mich nicht mehr seht, dann lauft", befahl er und hörte nicht auf Mirfaks Protest. Zum ersten Mal in seinem Leben ignorierte er den Ruf seines Alphas und stürzte sich mitten in die Schatten. Sein Schlachtruf war weit zu hören, als die Finsternis sich auf ihn stürzte. Araes Blut jedoch war so voller Treue, dass, wo es vergossen wurde, Licht erstrahlte und die Finsternis zurückdrängte. Lücken öffneten sich in der Schlinge aus Schatten. Da sprangen Sabik und Kornephorus vor und führten die Verteidiger weiter. Mirfak folgte. So erreichten sie, bis auf Arae, die Lichtung Trishanku.
An diesem Tag sahen Mirfak und Castor einander in die Augen und sahen ihr tiefes Leid gespiegelt, und sie wussten, die Schlacht war vorüber.