03.10.2019
Riss
Es waren nur wenige Worte gewesen. Vier hätten gereicht, aber ich, die sich immer viel zu viele Gedanken macht, musste natürlich etwas anderes sagen. Mehr, als bloß: "Es tut mir leid."
Ich bin schlecht im Entschuldigen. Schlechter noch in solch einer Situation, wie sie bei uns herrschte. So unglaublich ungeschickt stand ich da und hatte versucht, mich zu erklären. Versucht, mich verständlich zu machen. Doch nichts kam dabei rum, nichts, was man verstehen konnte. Dabei hatte ich es versucht. Versucht, meine Überzeugung in die Tat umzusetzen, dass jeder einen nachvollziehbaren Grund für sein Handeln hat, wenn man nur tief genug im Geiste dieser Person gräbt.
Doch ich habe versagt.
Denn tief in meinem Inneren hegte ich Zweifel an dieser Denkweise. Zweifel an mir selbst. Zweifel daran, es wert zu sein, dass man mir verzieh. Dabei hätte es so einfach sein können. Ich hätte mich entschuldigen können, ganz normal, und die Sache wäre vergessen und vergeben gewesen. Um meinem Drang der Ehrlichkeit nachzugehen, hätte ich mich entschuldigen können mitsamt der Erklärung, was eigentlich passiert war. Wie diese Kette an unglücklichen Ereignissen überhaupt begonnen hatte. Denn ich wusste, da war nicht nur ich. Doch hegte ich Zweifel. Denn ich sah, wie gut ihr euch mit dieser Person, die ein Teil dieser Kette war, verstanden habt. Und ich wusste, dass es keine Absicht war. Weder von ihr, noch von mir.
Geteiltes Leid ist halbes Leid.
Nein! Dem kann ich hier nicht zustimmen!
Ich dachte, es wäre besser, wenn ich die volle Schuld auf mich nehme. Dachte, es wäre das Beste, wenn nur ich unter der Last litt, da andere es nicht verdient hätten. Kann man sowas als "Selbsthass" bezeichnen? Womöglich. So wollte ich vorangehen und mich allein entschuldigen. Ohne die Person ins Spiel zu bringen, die weder wusste, was sie getan hatte, noch die Absicht hatte, es so enden zu lassen.
Und doch waren da Zweifel. Wollte ich es wirklich so enden lassen? All diese Schuld alleine tragen und als Sündenbock aus der Sache hervorgehen? Doch war es zu spät, ich stand bereits vor euch. Und ihr wart ganz Ohr, was ich zu sagen hatte. Innerlich tobte ein Sturm, der mir die Worte nahm, die ich brauchte, um mitzuteilen, was in mir vorging. Ich konnte die Worte nicht ergreifen. Und so murmelte ich nur irgendwas vor mich hin, etwas von einer Entschuldigung oder irgendwas anderem, was wusste ich schon. Ich wusste ja nicht mal, was ich wollte. Denn immer noch hegte ich Zweifel. Und so begann ich, völlig vom inneren Sturm eingenommen, zu erzählen, dass ich die Schuld nicht völlig auf mir sitzen haben wollte.
Doch im entscheidenden Moment, in dem ich hätte auspacken müssen, was in Wahrheit geschehen war, verstummte ich.
Zweifel. Immer wieder diese Zweifel.
Und so habe ich versagt. Versagt, mich zu entschuldigen, versagt, die Wahrheit zu verkünden. Einfach nur … versagt.
An diesem Abend ist mein Band zu euch gerissen.
Vielleicht war es besser so.
Oder doch nicht?
Ich kann es nicht sagen.
Auch nach all den Jahren nicht.