31.10.2019
Vorheriger Teil: Verbrennen (https://belletristica.com/de/books/17565-writeinktober-2019-saki/chapter/65295-verbrennen)
Erneuern
Ward nur der Anfang.
Von dem Ende, das beschwor'n.
Frei' Feld für Neues.
Terramos sah auf die verkohlte Erde unter sich hinab. Einige hundert Meter trennten den großen Drachen vom Grund, doch erschien die Entfernung so klein im Vergleich zu seiner schieren Masse. Einst hatte er in der Erde verweilt, groß wie ein Berg, und den herrschenden Frieden genossen.
Der uralte Drache erinnerte sich daran zurück, wie er einst diesen wunderschönen Platz, dieses große, freie Feld gefunden hatte und beschloss, dort seinen Schlaf abzuhalten. Viele Jahrtausende hatte er dort gelegen und wurde so eins mit der Welt. Die Träume, die er hatte, wurden zur Realität und so erschuf er aus seinem Verstand heraus alles Leben, welches bis vor wenigen Stunden noch auf dem Planeten verweilt hatte.
Terramos hatte alles so geformt, wie es war.
Er war der Schöpfer.
Doch waren seine Träume nicht perfekt. Mit dem Auftreten der Menschen begannen sie, ihm Unbehagen zu bereiten. Gar Alpträume hatte er mit der Zeit bekommen. Und so konnte der steinerne Drache nicht mehr länger seinen Schlaf halten und war erwacht. Was er vorfand, waren die Menschen, die er in seinen Träumen sah und aus diesen erschaffen hatte.
Zorn hatte ihn überkommen, als er sah, was sie aus dem Planeten machten. Wie sie miteinander und mit ihrer Welt umgingen. Das wollte er nicht. Er sah ein, dass es ein Fehler gewesen war, in seinem Geiste die Menschen zu erschaffen und sie so auch auf die Erde loszulassen. Ein Fehler, den es auszumerzen galt.
Und so hatte Terramos beschlossen, einen Neuanfang zu wagen. Zu groß war der Einfluss, den die Menschheit auf seinem Planeten ausgeübt hatte, zu aufwändig wäre es selbst für ihn gewesen, seinen feurigen Atem und die sturmbringenden Schwingen nur auf die Spezies Mensch zu richten, wenn sie sich doch teilweise so eng an die anderen Lebensformen ansiedelte.
Es tat ihm leid.
Dennoch blieb ihm letztlich keine andere Wahl. Er musste handeln.
So überflog er seine Ländereien, brachte Stürme und ließ alles in einem Fegefeuer vergehen. Er hüllte Wiesen und Wälder in Flammen, transformierte sie zu Asche und ließ sie im Wind verwehen, bis die ganze Erdlandschaft übersät war von den grauen Körnern. Dann begann er, weiter in den Himmel aufzusteigen, die Wolken zusammenzutreiben und durch seine Vorstellungskraft Regen heraufzubeschwören. Er verteilte ihn über die Asche und ließ das Wasser in der Erde versickern.
Als seine Arbeit getan war, überschaute Terramos die Gebiete und beschloss, dass er bereit war, einen Neuanfang zu wagen. So suchte er sich die Stelle, die ihm einst so schön erschien - voll Wehmut besah er dabei ein Aschefeld, das einst doch eine so schöne Wiese war. Er begann, an der Stelle ein Loch zu graben, an der seine Erinnerung ihm zuwisperte, dass dies der Platz war, den er so lange Zeit als Ruheort genutzt hatte. Es brauchte nicht viel Zeit und seine Klauen hatten eine große Kuhle gegraben, die an einen Krater erinnerte.
Ein letztes Mal noch blickte Terramos gen Himmel. Die Sonne schien kaum durch den Ascheregen hindurch, der allgegenwärtig herrschte.
Bald würde wieder die Sonne erstrahlen, ihr Licht würde den Tau der Wiesen zum Erstrahlen bringen und einzelne Tierchen würden durch die Gegend jagen. Bei dieser Vorstellung schloss Terramos seine Augen und atmete tief durch. Dann legte der bergähnliche Drache sich nieder und schlief kurz darauf ein.
Die Saat wart gesät.
Sprossen sprießen bald empor.
Eine neue Welt.
[Drache Teil 2/2 Ende]