11.10.2019
Morgendämmerung
Als die ersten Sonnenstrahlen durch eine Lücke zwischen den Holzbrettern auf sein Gesicht fielen, schlug Emram die Augen auf und kniff sie sogleich wieder zusammen.
Grell.
Sein Schädel brummte und er fühlte sich, als würde jemand mit Hammer und Meißel sein Gehirn zu skulptieren versuchen.
Alle Viere von sich gestreckt, versuchte er nun, sich aufzurichten, doch als er merkte, wie das Pochen stärker wurde, verließ ihn alle Kraft und er fiel wieder auf den Rücken.
Was war passiert? Er konnte sich nicht erinnern. Er wusste nur, dass die Welt sich drehte und ihm schlecht war. Als hätte jemand wild durch seinen Magen gerührt, wie durch den brodelnden Inhalt eines Kochtopfs.
Seufzend hielt er sich die Hand vor Augen. Atmete tief ein und aus. Und ein. Und aus. Es fühlte sich für ihn an, als hätte er eine Ewigkeit dort gelegen. Doch konnten es höchstens ein paar Minuten gewesen sein, denn als er sich dazu zwang, seine Augen wieder zu verwenden, fiel durch den Holzspalt in der Wand immer noch Morgenlicht.
Hell.
Er richtete sich nun auf. Stroh raschelte und fiel vereinzelt von seiner Kleidung ab, als er aufstand und in Richtung Ausgang torkelte. Emram kam nicht umrum, sich dabei an der Wand abzustützen.
Zusammenreißen.
Mit einem unbeholfenen Schulterstoß öffnete er das große Holztor. Vögel wurden aufgescheucht und flogen meckernd hinfort. Schwarze Biester, die sich bis zu dem Zeitpunkt noch dort versammelt hatten.
Sein Blick verharrte auf der Stelle, die die Krähen sich als Rastplatz auserkoren hatten.
Schweigend realisierte er. Dann weiteten sich seine Augen. Sein Magen schnürte sich krampfhaft zusammen und er erbrach die Säure seines Körpers.
Er hustete und rang nach Luft. Keuchend kniete er vor der Stelle, die in ihm diesen Reflex ausgelöst hatte.
Für die Krähen ein Festmahl.
Wieder kam Emram ein Impuls. Er dachte, er müsse sich ein weiteres Mal erbrechen, doch diesmal kam nichts. Stattdessen verkrampfte er sich, beugte sich über die Pfütze, während er sich auf den Unterarmen abstützte, um wenigstens im Glauben sein zu können, ein klein wenig Kontrolle über den eigenen Körper zu haben.
Ein Festmahl?
Sein Kopf hob sich, der Blick glitt wieder zu der Stelle, dem Wesen, an dem sich bereits zahlreiche Fliegen zu schaffen machten. Im Licht der Morgendämmerung glänzte das Rot, als sei es ein teurer Wein. Der ganze Anblick war ...
Ein Festmahl.
Er konnte nur schwer atmen und starren, während Speichel sich in seinen Mundwinkeln bildete.
[Emram Teil 1/3 Ende -> Teil 2 bei "Mitternacht" (https://belletristica.com/de/books/17565-writeinktober-2019-saki/chapter/65284-mitternacht)]