Ich spüre, wie Tränen ihre Furchen in meinem Gesicht ziehen. Wie sie versuchen den Schmerz fortzuwaschen, den ich so tief fühle, dass ich kaum atmen kann. Aber egal, wie viele es auch sind, sie helfen nicht. Machen alles nur noch schlimmer.
Meine Kehle fühlt sich trocken an, aber ich verspüre keinen Durst. Nur diesen betäubenden Schmerz in meiner Brust, der sich nicht abwaschen oder vernichten lässt. Nur langsam kann ich sie heben und wieder senken, überhaupt atmen. Das habe ich ihm zu verdanken.
Schuldgefühle bahnten sich einen Platz in meinen Kopf und füllten ihn vollends aus. Ich konnte an nichts anderes mehr denken. Ich war Schuld an seinem Tod, nur mir hatte er es zu verdanken. Noch mehr Tränen wuschen mein Gesicht, doch sie halfen nicht. Er hatte mich retten wollen und hatte dafür sein Leben gelassen. Für mich. Eigentlich sollte ich sterben, hatte mich bereits darauf vorbereitet, nicht zu überleben. Aber er hatte sich geopfert. Das war unverzeihlich und ich wusste, dass es mich länger plagen würde, als ihm lieb gewesen war.
"Hör auf." Ich hob meinen Kopf und sah in ihre Augen. In die wunderschönen Augen meiner Schwester, die mich besorgt anblickten. Eine störrische Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht, doch dies machte ihr Bild nur komplett. Wie oft hatte ich mir ihr Aussehen gewünscht, doch er hatte mich geliebt. Nicht sie.
"Womit?" Ich war kaum fähig dieses Wort auszusprechen, bevor meine Stimme brach. Er hatte mich geliebt, genau wie sie es tat.
Sie strich mir über den Arm. "Ich sehe dir an, dass du dir Vorwürfe machst." Auch ihr Klang war leise, doch so zärtlich, dass es mir eiskalt den Rücken hinunter lief. Seine Stimme war genauso gewesen. Bewusst, doch so liebevoll, dass man ihm niemals böse sein konnte.
"Er würde nicht wollen, dass du weinst. Wegen ihm."
Ich schüttelte nur den Kopf und meine verfilzten Haare vermischten sich mit den Tränen.
Ich konnte nur an eines denken. Er hatte mich gerettet. Und musste dafür sein Leben geben.