„Setzt euch zu mir, denn heute soll der Tag sein, an dem alte Geschichten wieder auferstehen sollen. Setzt euch, kommt näher und ich will euch etwas erzählen. Eine Geschichte aus alter Zeit.
Einst, keiner von euch hat dort bereits das Licht der Welt erblickt, entstand ein Dorf, genau dort, wo heute eure Häuser stehen. Keiner hatte daran geglaubt, denn diese Einwohner, die waren besonders.
Sie waren Verbannte, waren mit großen und ganz kleinen Verbrechen in Ungnaden ihrer Mitmenschen gefallen und wurden aus aller Gesellschaft ausgeschlossen. Und so blieb keinem etwas übrig, als sich auf die Suche nach einem neuen Heim zu machen. Keinem ließ man eine Wahl.
Viele der Aufgebrochenen suchten ihre Zukunft in einem Wald, der sich in ungezählter Größe über das ganze Land erstreckte. Niemand weiß, wo er endet oder aufhört, niemand weiß, wie groß er ist. Und doch schien es die meisten dorthin zu ziehen, denn dort gab es Nahrung und Wasser, vielleicht auch Zuflucht. Dunkel erscheint er an den Rändern, doch geht man tiefer hinein, so scheint die Sonne den Boden zu erhellen, obwohl das Blätterdach nicht lichter geworden war.
Ein heller Schein weist den Weg, den niemand kennt und selbst ich habe es nicht gewagt diesem Pfad zu folgen. Damals ahnte ich nicht, wie weise ich war, in der Dunkelheit zu verweilen, doch ich sah Männer und Frauen, die dem Licht folgten und nie wieder zurückkehrten. Ja, einmal war sogar ein Kind dabei und eine Frau, die dieses noch unter dem Herzen trug. Wie man solch jemand verbannen konnte, das fragte ich mich, doch ich habe mich niemals überwunden, zurückzukehren zu dem Dorf, aus dem sie stammten.
Mit einigen der Verbannten habe ich mich unterhalten und ich muss zugeben, ich hatte es mit schlimmen Gesellen zu tun. Mördern, von Seuchen Befallenen oder Dieben mit den übelsten Methoden. Ich war nur ein Kleinkrimineller gewesen, der seine Mitmenschen ab und zu bestohlen hatte, aber diese hier, die waren schlimmer. Natürlich gab es auch die weniger gefährlichen, aber diese hielten sich zurück. Aus gutem Grunde, denn die Bosse, die sich im Wald versammelten, waren furchteinflößend und kaum zu jemanden freundlich.
Und auch ich mied sie, irrte weiter zwischen Bäumen und Lichtern hindurch, um einen sicheren Weg zu finden. Einen Pfad, auf dem ich überleben würde.
Lange, lange Zeit war ich alleine unterwegs, doch eines Tages, da traf ich jemanden. Jemanden, der verbannt worden war, weil er das Haus in Flammen gesteckt hatte, in dem der Mörder seines Kindes schlief. Man hatte ihn gesehen, wie er davongeschlichen war. Einen Brandstifter hatte ich vor mir, doch ich verspürte kein bisschen Angst. Nur eine seltsame und tiefe Ruhe befiel mich, die ich nicht mehr los wurde, wenn sie, die Brandstifterin, bei mir war. Wenn sie sich im Schlaf an mich schmiegte oder am Tage gedankenverloren mit meinem Haar spielte.
Wir waren ein seltsames Paar, eine Brandstifterin und ein Dieb, die sich in den Tiefen des unendlichen Waldes verliebt hatten. Aber es war ein solches Gefühl, das ich hatte, dass es richtig war. Dass sie mich genauso liebte, wie ich es tat und ich war fest entschlossen, ihr ein Leben zu ermöglichen, das ihr gefiel.
Und so baute ich ihr ein Haus, ein kleines nettes, aus Holz und dafür schenkte sie mir ein Kind. Wir waren eine glückliche Familie und lebten dort vor uns hin, bis sich immer mehr der Diebe und Streuner zu uns gesellten und Häuser erbauten. Wir verstanden uns gut und wurden eine eingeschworene Bande, die sich gegen jedes Leid zu wehren wusste. Gegen Räuber und Brandstifter, Mörder und Schläger, die sich nicht in unsere Mitte einfügen wollten.
Denn wir kannten ihre Taktiken und Methoden, waren wir doch einst auch solche Halunken gewesen, doch inzwischen standen wir zu unseren Taten. Aber wir alle, die hier ein Zuhause gefunden hatten, hatten uns geändert, verliebten uns und brachten Kinder zur Welt, die dies ebenfalls taten. Viele starben bereits, doch ich bin noch da. Noch immer.
Und nun lauft hinfort zu euren Häusern und fragt eure Eltern danach. Fragt, was ihre Mütter und Väter hierher bewogen hat und schweigt danach für immer. Denn all das liegt in der Vergangenheit.“