Tief duckte sich der Luchs ins Gras und bewegte sich nicht mehr, als er die Herde von Rehen endlich vor sich sah. Schon lange verfolgte er diese köstlichen Beutetiere, hatte ihren Geruch bereits entdeckt, als sie sein Territorium durchqueren wollten.
Er hatte Glück, dass Rehe nicht besonders gut riechen konnten. Niemals bemerkten sie seine Duftmarkierungen, die anderen Luchsen die Grenzen seines Gebietes signalisieren sollten oder sahen seine schnellen und kaum wahrnehmbaren Bewegungen. Anscheinend hatte das Gras, das sie andauernd fraßen, keine guten Auswirkungen auf ihre Sinne. Vielleicht sollten sie es wirklich einmal in Betracht ziehen, auf eine Ernährung umzustellen, die nur Fleisch beinhaltete, so wie es seine tat.
Der Kuder schüttelte den Kopf. Was für ein Schwachsinn ihn jedes Mal bei der Jagd einholte. Rehe sollten liebend gern bei ihrem Gras bleiben, das sich anscheinend auch in ihren Köpfen breitgemacht hatte. Dann hatte er es einfacher ein solches zu erwischen. Denn trotz seinen überlegenen Sinnen waren diese Tiere schnell und ausdauernd. Er war zwar ebenso schnell, doch war er viel leichter abzuschütteln, wenn sie ihn erst einmal entdeckt hatten.
Vorsichtig, um ja kein Geräusch zu erzeugen, schlich der Luchs weiter auf die Herde zu. Der süßliche Duft der Rehe vermischte sich unwillkürlich mit dem saftigen Gras und dem heulenden Wind in der Luft. Hoffentlich würden sie ihn nicht riechen, doch innehalten, das tat er nicht.
Er fixierte eines der jüngeren Rehe, das an einer kleinen Tanne knabberte. Sein Fleisch würde bestimmt wunderbar saftig und frisch schmecken und für mehrere Tage seinen Hunger stillen. Sein Bauch meldete sich mit einem Brummen, um darauf hinzuweisen, dass er so gut wie ausgehungert war. Schon seit Monden hatte er nichts ordentliches zu Fressen bekommen, doch diesmal nahm er sich fest vor, eines der Tiere zu erwischen.
Immer weiter und weiter kam er auf das Reh zu, als es plötzlich den Kopf hob. Der Kuder hielt die Luft an und machte sich bereit für einen riesigen Sprung. Hoffentlich entdeckte es ihn nicht. Die dunklen Augen seiner Beute suchten seine Umgebung ab, durchkämmten das Unterholz und das Gras.
Aber der Luchs ließ es nicht mehr zu, dass es ihn sehen konnte. Er spannte seine Beine an und stieß sich vom Boden ab. Er segelte mehrere Herzschläge lang durch die Luft, roch dabei den Angstgeruch, der urplötzlich von diesem Reh ausging.
Als er landete, biss er ihm schnell in die Kehle, während die restlichen Herdentiere das Weite suchten. Treulose Gefährten hatte das Junge da. Aber das konnte ihm jetzt egal sein. Er hatte endlich seine Mahlzeit vor sich liegen.
Genüsslich schlug er seine Zähne in das köstliche Fleisch.