Ihr werdet Euch jetzt bestimmt fragen, was sucht Salika beim KGW. Das Thema passt irgendwie, sozusagen auch mal meine Memoiren aufzuschreiben. Wie Ihr wisst, sind Sauhund und ich ein Paar. Auch das fing irgendwann mal an. Das will ich Euch heute mit etwa 1000 Worten erzählen.
Also räuspern und rotwerden.
Eines schönen Tages beschloss ich, alle Viere grade sein zu lassen und die Arbeit, die ich damals noch hatte, einfach sausen zu lassen. Der Stress, den ich hatte, ging mir auf die Nerven und zehrte an meiner Gesundheit. Ich dachte mir, wenn ich so weitermache, wie bisher, werde ich über kurz oder lang mal ganz weg sein vom Fenster. So kündigte ich meinen Job, zog in ein kleines Dorf ganz weit weg von meiner Heimat und fing nochmals von vorne an. Das Landleben gefiel mir. Nichts war wie in der Stadt. Keine Hektik, kein Stress. Dafür viel frische Luft, Natur und freies Leben.
In der Nähe des Dorfes befand sich ein Wald. Einen so großen Wald hatte ich bisher noch nie gesehen. Die kleinen Ansammlungen von Bäumen im Stadtpark meiner Heimatstadt waren Nichts dagegen. Ich ging nun öfters am Waldrand spazieren. Da ich mich nicht so richtig auskannte, wagte ich es nie, sehr tief hineinzugehen.
Einmal jedoch, es war sehr heiß an dem Tag, dachte ich mir, doch weiter hineinzugehen, um der brütenden Hitze zu entkommen. Die ausladenden Kronen der Bäume waren ideale Schattenspender. Je weiter ich ging, desto kühler und dunkler wurde es. Die Sonnenstrahlen hatten Mühe, durch das dichte Blätterdach bis auf den Boden durchzudringen. Plötzlich bemerkte ich, dass ich nicht mehr wusste, wo ich mich befinde. Suchend schaute ich mich um. Doch weder ein Weg noch ein Wegweiser war zu entdecken.
Wie konnte das nur geschehen, die Orientierung zu verlieren?, schimpfte ich mit mir selber. Ich lief einfach weiter, jetzt immer darauf bedacht, mir jeden noch so kleinen Anhaltspunkt zu merken. Ich lief und lief, kam aber nie an einen Weg. Inzwischen wurde es dunkler und ich müde vom vielen Laufen.
Ach, dachte ich mir, erst einmal ausruhen, dann sehen wir weiter.
So setzte ich mich einfach auf ein kleines Mooskissen, lehnte mich an einen dicken Baumstamm und versuchte, ein wenig zu Kräften zu kommen. Darüber muss ich eingeschlafen sein. Als ich erwachte, war es stockdunkel. Erschrocken sah ich mich um. Kein Mond schien, welch ein Pech. Doch dann bemerkte ich in einiger Entfernung Licht.
Hm, sprach ich laut mit mir selbst, um die aufkeimende Ängstlichkeit zu vertreiben. Wo mag das Licht nur herkommen? Wo Licht ist, sind meist auch Menschen. Die können mir vielleicht weiterhelfen.
Ich lief schnurstracks auf das Licht zu. Und siehe da - ich entdeckte ein kleines eigenartiges Häuschen, das etwas versteckt zwischen den hohen Bäumen stand. Es war hell erleuchtet. Ein wenig mulmig war es mir doch, anzuklopfen und nach dem Weg zu fragen. Ich kam mir vor wie Hänsel und Gretel, die sich im Wald verlaufen hatten und auf das Hexenhaus stießen.
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und klopfte an die Tür. Einige Zeit rührte sich nichts, doch als ich nochmals klopfte, hörte ich schlurfende Schritte auf die Tür zukommen. Dann wurde sie geöffnet und ein seltsames Wesen mit einer Schweinsnase, grünen Haaren und einer übergroßen Brille auf der Nase kam mir zu Gesicht. Vor Schreck konnte ich nichts sagen, mir blieb der Mund offen stehen vor Staunen.
„Was führt dich zu mir?“, fragte mich das Wesen.
„Ich habe mich verlaufen“, bekam ich endlich stotternd heraus. „Kannst du mir eventuell helfen, aus dem Wald herauszufinden?“, wagte ich nun doch zu fragen.
„Um diese Zeit nicht“, entgegnete das schweinsnasige Wesen. „Erst morgen früh, wenn die Sonne hoch am Firmament steht, kann man den Zauberwald verlassen. Solange musst du mit mir vorlieb nehmen.“ Das Wesen bat mich ins Haus.
„Willst du hier draußen anwurzeln?“, wurde ich gefragt, als ich nach der zweiten Aufforderung, ins Haus zu kommen, mich immer noch nicht von der Stelle rührte.
„Nnein“, faselte ich verwirrt. So etwas war mir noch nie begegnet. Die Gedanken flogen mir durch den Kopf wie wilde Tauben. Zauberwald? So etwas gab es doch nur im Märchen! Ich griff mir an die Stirn. Nein, kein Fieber, diagnostizierte ich.
Träumte ich oder war das wirklich wahr? Zauberwald, das gab es doch gar nicht! Ich erklärte mich schon für verrückt. Wer glaubt denn als Erwachsene noch an Märchen?
Ich wurde ins Haus geführt. Es war sehr bequem eingerichtet, was mich sehr erstaunte. So viel Gemütlichkeit hatte ich nicht erwartet.
„Wie heißt du?“, fragte dieses komische Wesen. „Mein Name ist Sauhund.“
Gerade noch so konnte ich ein Lachen unterdrücken. Ich wollte ja nicht unhöflich seinen gegenüber meinem Gastgeber. Das gehörte sich nicht.
„Ich heiße Salika“, nannte ich meinen Namen. „Aber wie kommst du hierher? Es ist recht ungewöhnlich, hier inmitten eines Waldes in einem Häuschen zu wohnen.“
„Ach, das ist eine lange Geschichte“, erwiderte der Sauhund. „Das werde ich dir irgendwann mal erzählen. Jetzt ruhe dich erst einmal aus. Es gibt gleich ein wenig zu essen. Du wirst bestimmt hungrig sein.“
Das Wort hungrig schien für meinen Magen ein Codewort zu sein, denn prompt begann er, laut zu knurren. So setzte ich mich, wie gebeten, an den Tisch und Sauhund kredenzte auf, was die Speisekammer hergab.
Es wurde ein lustiger Abend. Ich fand immer mehr Gefallen am Sauhund, er wohl auch an mir. Wir lachten und scherzten wie Kinder. Erst spät in der Nacht gingen wir zu Bett, getrennt. Nicht, dass Ihr Böses denkt.
Am nächsten Tag hieß es gegen Mittag, als die Sonne schon hoch stand, Abschied nehmen. Mir tat das Herz weh, den Sauhund zurücklassen zu müssen.
„Ich komme wieder“, versprach ich, als ich mich am Waldrand von ihm verabschiedete.
Und ich kam wieder, zuletzt fast täglich. Nun fühlte ich mich im Dorf nicht mehr wohl. Die Sehnsucht trieb mich in den Wald, bis der Sauhund eines Tages zu mir sagte:
„Komm doch ganz zu mir, so sind wir beide nicht mehr einsam.“
Ich kam, wie es sich Sauhund wünschte … und blieb, bis jetzt.
© Salika von Wolfshausen / 05.07.2013