Ich war eben dabei, zu überlegen, wann ich die letzte Geschichte über den Sauhund geschrieben habe. Lang ist es her, 2019 im Mai muss das gewesen sein. Damals ging es um zwei unsichtbare Plagegeister und ein Hexenkraut, das die Bösewichte zur Strafe von einem unheimlichen Ort besorgen mussten. Ihnen wurde dabei vom Sauhund und seinen Verbündeten einen Heidenschrecken eingejagt, den sie Zeit ihres Lebens nie wieder vergessen werden. Aber davon will ich jetzt nicht sprechen. Mir geht es eher um die Geschichten mit der Queen. Die schwirrten mir im Kopf herum wie ein Schwarm zornig gewordener Bienen. Es ging in den Kapiteln um magische Steine, die erst den Sauhund allein und dann uns zusammen ins England des 19. Jahrhunderts gebracht hatten.
Und wer regierte damals in England? Genau! Queen Victoria, abstammend von Edward, dem Duke of Strathearn und Victoire von Sachsen-Coburg-Saalfeld.
Der Sauhund und ich waren allerdings erst Ende des 19. Jahrhunderts zusammen bei Victoria. Damals war sie schon sehr alt und bereits fast vierzig Jahre Witwe. Vertrocknete alte Frau konnte man eigentlich nicht sagen. Victoria war eine sehr resolute Person, nicht mehr ganz so lebensfroh, seit ihr Albert 1861 verstorben war, aber noch rüstig und eine begnadete Regentin.
Sehr viel später nach unserer Rückkehr erzählte mir der Sauhund, dass ihm die Frau irgendwie bekannt vorkam und er annimmt, er wäre schon einmal bei ihr gewesen, oder wäre ihr wenigstens begegnet. Da war sie allerdings sehr viel jünger, gerade mal frisch verheiratet mit ihrem Albert von Sachsen-Coburg und Gotha.
„Kein Wunder, dass ich sie nicht erkannt habe“, meinte der Sauhund damals zu mir. „Als ich am Hofe in London war, ja, da war die Victoria noch ein knackiges, junges Ding in der Blüte ihres Lebens. Sie hatte sich im Laufe der Zeit sehr verändert. Kein Wunder, dass ich dastand wie ein dummer Tropf. Und ihr Albert erst, der war ein Prachtbursche in jungen Jahren.“ Der Sauhund lachte. „Aber nicht, dass du denkst, ich bin vom anderen Ufer. Ganz ehrlich, der Albert war schon ein sehr ansehnlicher Mann und die Victoria erst. Da lief mir der Sabber…“
„Halt ein, halt ein“, versuchte ich meinen Liebsten zu bremsen. „Erzähle lieber mal, was du erlebt hast mit den beiden. Als wir zusammen dort waren, war es ja nicht gerade prickelnd. Ich musste der Königin zu Diensten sein als Zofe und musste Dinge tun, von denen ich nicht den leisesten Hauch an Ahnung hatte. Dich steckte sie sogar kurzerhand ins Verlies, da du dich vehement weigertest, ihr den Hofnarren zu spielen.“
„Das war wahrlich keine schöne Sache, die sie mit mir gemacht hat. Ich bin doch kein Narr, auch wenn ich so aussehe. Mich wundert es aber auch, dass sie mich nicht erkannt hat.“ Er griff sich an die Nase. „Eigentlich habe ich Wiedererkennungswert.“ Der Sauhund lachte, ich stimmte mit ein.
„Du hast Recht“, erwiderte ich, „vielleicht hat sie dich damals auch gar nicht so wahrgenommen, wie du angenommen hast, trotz deines nicht gerade Allerweltsgesichts.“ Ich musste grinsen, mir fiel nämlich just in diesem Monent ein, wie ich geschaut habe, als mir der Sauhund zum ersten Mal über den Weg lief. „Aber nun lenke nicht ab, sondern beginne frei heraus. Ich will alles wissen.“
„Nun gut“, gab sich mein Liebster geschlagen und nahm noch einen Schluck von seinem Apfelmost.
Es muss so um 1842 oder 1843 gewesen sein. Victoria war bereits seit 1837 Königin und seit 1840 mit ihrem Albert verheiratet. So, wie gemunkelt wurde, war es eine Liebesheirat, sehr selten in der gehobenen Gesellschaft.
Ich war damals, lass mich mal rechnen, so um 540 Jahre alt. Mich verschlug es nach England. Wieder einmal, denn ich war schon mal dort im Castle of Pleasure in diesem gottverlassenen Vorort von London, dessen Name mir partout nicht mehr einfällt. Ich hatte mich umgeschaut, finden konnte ich dieses Castle auch nicht mehr. Wer weiß, ob es das überhaupt noch gab. London änderte sich von Tag zu Tag. Nichts war mehr gleich. Nach diesen vielen Jahren war es schier unmöglich, jemals etwas wieder zu finden.
Diesmal ging es direkt ins Zentrum. Mich zog es dorthin wie die Motten ins Licht. Ich wusste nicht, warum. Es war wie eine Eingebung, dort eher eine Anstellung zu finden als in den Vororten.
Die Stadt war damals schon riesig, natürlich nicht zu vergleichen mit heute. Doch die Wirtschaft strebte gen Himmel. Die Dampfmaschine war längst erfunden und wurde in vielen Fabriken eingesetzt. Die Arbeiter dort wurden bis aufs Blut ausgebeutet, doch darüber echauffierte ich mich nicht. Ich wollte die Welt kennenlernen, das war mir wichtiger als die Belange der Arbeiterklasse. Natürlich brauchte ich auch Geld, um leben zu können. Nur woher nehmen, wenn nicht stehlen. Auf Diebstahl standen nämlich immer noch hohe Strafen. Wer mehrmals erwischt und verurteilt wurde, musste damit rechnen, aufs nächste Schiff verfrachtet und nach Australien in die Strafkolonie verbracht zu werden. Ich habe von noch keinem gehört, der jemals von dort in die Heimat zurückkehrte. England wollte seine Vagabunden loswerden und hatte mit Australien eine gute Möglichkeit, alles Gesindel dorthin zu verbannen. Oft genug sah ich Gefangenenschiffe in London an den Docks liegen. Die Verurteilten taten mir leid, aber was sollte ich machen? Da wollte ich auf keinen Fall hin. Also musste ich mir etwas suchen, womit ich redlich mein Geld verdienen konnte.
Eines Tages schlenderte ich am Kensington Palast vorbei, wo die Victoria mit ihrem Gemahl und dem Kronprinzen Albert Eduard, sowie der erstgeborenen Tochter, der Prinzessin Victoria Adelaide Mary Louisa, residierte. Umgeben von hohen Mauern und Eisenzäunen prangte das Anwesen mitten in der Stadt.
Gerade als ich dort vorbeiging, trat ein edel gekleideter Herr aus dem großen, schmiedeeiserenen Tor heraus. Er schien es eilig zu haben. Ich wusste nicht, wer das war, sprach ihn aber trotzdem an.
„Guter Mann, wartet bitte“, rief ich dem Davoneilenden nach. Das Glück war mir hold und er drehte sich um. Als er meiner ansichtig wurde, verzog er angewidert das Gesicht. Der Anblick meines mit einer Schweinsnase verzierten Antlitzes schien seine verwöhnten Augen zu beleidigen.
„Was willst du von mir, elender Wicht“, knurrte er mich an. Ich bemerkte schon, es war ihm nicht recht, angesprochen zu werden und das auch noch von einer niederen Person, wie ich eine war.
„Ihr arbeitet da im Palast?“, fragte ich den Kerl.
„Ja, natürlich, sieht man mir das nicht an?“, kam als Gegenfrage mit vor Stolz geschwollener Brust. „Schau meine Livree an, die goldenen Blessen, die edlen Schuhe, mein Haar, mein ganzes Auftreten.“
„Entschuldigt, werter Herr“, warf ich ein. „Das konnte ich nicht wissen. Ich bin fremd hier. Daher frage ich etwas unschuldig.“
„Halte mich nicht von meinem Weg ab. Ich muss eine Botschaft der Königin überbringen. Es eilt“, versuchte er mich abzuwimmeln. Irgendwas kam mir arg spanisch vor, wusste aber nicht, was. Der Kerl benahm sich komisch, sah sich immer wieder um, als wäre er bei etwas ertappt worden.
Ich bekam große Augen. „Ihr arbeitet für die Königin?“, begann ich vor Ehrfurcht zu stottern. „Wisst Ihr“, sprach ich dann aber weiter, „ich suche eine Arbeit, egal was… Könntet Ihr nicht?“ Mit noch größeren Augen sah ich den Mann an.
„Ehe du mich weiter nervst, sage ich dir, wohin du dich wenden kannst. Du hast nämlich Glück, Ihre Majestät sucht einen neuen Holzknecht für ihre Gemächer. Der Alte ist vor Kurzem verstorben und es wurde immer noch kein Nachfolger gefunden.“
„Oh, das ist ja schön“, stieß ich erfreut aus. „Entschuldigt, es ist natürlich nicht schön, dass der Knecht verstorben ist…“ Ich wollte weitersprechen, wurde aber energisch unterbrochen.
„Ja, ja, schon gut“, wehrte der Kerl unwirsch ab. „Geh in die Küche und frage dort nach dem Gesindemeister.“
„Vielen Dank mein Herr“, katzbuckelte ich.
„Ja, ja, schon gut“, sagte der Mann wieder, „und nun lass mich meinen Botengang erledigen, es eilt“, sagte er noch und verschwand in der Menge.
Hoch erfreut machte ich mich auf den Weg. Doch schon ein paar Schritte weiter wurde ich von einer grimmig schauenden Wache davon abgehalten, das Palastgelände zu betreten. „Wohin des Wegs?“, wurde ich gefragt.
„Ich will in die Küche und dort nach dem Gesindemeister fragen. Ich hörte, Ihre Majestät, die Königin, sucht einen neuen Holzknecht für ihre Gemächer“, gab ich bereitwillig Auskunft. Ich wusste, mit irgendwelchen fadenscheinigen Ausreden käme ich nicht weiter. Daher sagte ich, was ich begehrte, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
„Dann musst du den Dienstboteneingang nehmen“, erwiderte der Wachsoldat. „Das große Tor an der Hauptstraße ist nur für die Herrschaften.“
„Wo finde ich den Eingang für die Dienstboten?“, wollte ich wissen. Lang und breit wurde mir nun erklärt, wo ich entlang zu gehen hatte und wo ich dann die Küche fand.
Voller Elan machte ich mich nach den langatmigen Ausführungen auf die Socken. Es war weiter, als ich dachte. Ich nahm schon an, der Weg nimmt gar kein Ende. Das Palastgelände musste riesig sein. Aber dann sah ich endlich den Dienstboteneingang. Nachdenklich sah ich mich um, dann fiel mir ein, der angebliche Diener war doch auch durch das große Tor herausgekommen. Warum nur, wenn mir der Zutritt dort verboten wurde. War der Mann gar kein Bediensteter? Wer war er dann, wenn er so frank und frei durch den Haupteingang verschwand? Ich schüttelte den Kopf. Doch zu weiteren Nachdenken kam ich nicht, denn die kleine Tür in der Mauer öffnete sich und eine junge Frau trat heraus.
„Wartet, ich möchte hinein“, sprach ich sie flugs an, ehe sie die Tür wieder schließen konnte.
„Was bist du denn für ein lustig aussehender Bursche“, fragte die Frau kichernd.
„Ich heiße Sauhund und möchte zum Gesindemeister“, antwortete ich und warf mein grünes Haar kokett hin und her, dass meine Locken nur so flogen.
„Der wird sich freuen, wenn er dich sieht“, erwiderte die Magd, weiterhin kichernd.
„Ich bin halt einzigartig“, gab ich zum Besten. „Lässt du mich rein?“, fragte ich dann und sah sie mit meinen großen Augen an, dass sie fast dahinschmolz wie Butter in der Sonne.
„Natürlich“, erwiderte die Magd, „immer der Nase nach. Da findest du die Küche und dort auch gleich den Gesindemeister. Er ist eben beim Mittagsmahl.“
„Ich danke sehr, holde Maid“, schmalzte ich nun, verbeugte mich und verschwand in Richtung Küche. Im Weggehen hörte ich die Frau immer noch kichern. Eigentlich machte es mir noch nie etwas aus, wenn die Leute sich über mein Aussehen das Maul zerrissen, oder auch über mich lachten. Doch bei der mir noch unbekannten Frau tat das schon sehr weh in meinem Herzen. Sie gefiel mir und ich hoffte, sollte ich die Anstellung bekommen, ihr hier weiterhin über den Weg zu laufen und vielleicht sogar noch mehr…“
„Na du bist mir ein Filou“, warf ich lachend ein. Genauso kannte ich meinen Sauhund. Dass er früher, weit vor mir anders gewesen sein könnte, wäre mir niemals in den Sinn gekommen.
„Man tut halt, was er kann“, erwiderte der Sauhund grinsend. „Du weißt ja, wie ich bin. Das schöne Geschlecht hat mich schon immer beeindruckt und in den Bann gezogen.“
„Ich weiß, ich weiß“, sagte ich, „aber erzähle mal weiter. Ich bin schon ganz gespannt, was du dort noch erlebt hast.“
Schnellen Schrittes ging ich den Weg entlang zur Küche. An der Tür angekommen, hörte ich, wie sich ein Mann und eine Frau unterhielten. Im Hintergrund war Töpfeklappern zu vernehmen. Anscheinend schien ich an der richtigen Stelle zu sein.
„Wenn wir nicht bald einen Holzknecht für Ihre Majestät finden, sehe ich schwarz“, sagte die Frau. „Ich kann nicht ständig meine Mägde und Knechte aus der Küche für diese Arbeit delegieren. Wir haben hier genug zu tun. Ich weiß schon bald nicht mehr, wo mir der Kopf steht, so viel habe ich zu tun.“
„Ich weiß, die vielen Bälle, die Empfänge…“, vernahm ich die Männerstimme.
„Wenn es nur das wäre“, klagte die Frau. „Ihre Majestät hat ständig neue Wünsche. Seit sie mit dem Kronprinzen schwanger gegangen ist, hat sie die unmöglichsten Gelüste zu den unmöglichsten Zeiten. Sogar mitten in der Nacht verlangt sie nach mir, damit ich ihr die verrücktesten Wünsche erfülle. Ich nahm an, das legt sich, wenn das Kind einmal da ist. Aber nein…“ Die Frau seufzte.
„Wir werden schon eine Lösung finden“, versuchte der Mann sie zu trösten.
Ich entschloss mich, der Misere ein Ende zu setzen und klopfte an die Küchentür.
„Herein“, hörte ich den Mann rufen und trat ein.
„Gott zum Gruße“, sagte ich, während ich die Tür hinter mir schloss. Ich blickte in zwei erstaunt schauende Augen.
„Was bist du denn für einer?“, fing sich der Mann als erster und erwiderte meinen Gruß. Die Frau, wohl die Köchin, sah verlegen zu Boden und scharrte mit den Füßen. Ich bemerkte, wie sie grinste und immer wieder zu mir herüber schielte.
„Mein Name ist Sauhund“, stellte ich mich vor.
„Was für ein eigenartiger Name“, sagte der Mann.
Ich aber zeigte auf meine Schweinsnase und erwiderte: „Passt doch zu mir.“
„Natürlich, natürlich“, fühlte sich der Mann genötigt, zu erwidern. „Was führt dich hierher?“, fragte er dann.
„Ich bin neu in London und bin nun auf der Suche nach einer Anstellung“, begann ich frei von der Leber weg zu sprechen. „Ein Herr am großen Tor vorn sagte mir, Ihr würdet noch einen Holzknecht für die Gemächer der Königin suchen“, leierte ich meinen Spruch runter. „Und da dachte ich… nun ja, ich dachte, ich komme zu Euch und versuche mein Glück.“ Ich überlegte kurz, „Es sei denn, Ihr seid nicht der Gesindemeister, der darüber zu entscheiden hat.“ Ich blickte mich um. „Mir wurde gesagt, Ihr wäret hier beim Mittagsmahl. Daher nehme ich an, Ihr seid der von mir Gesuchte.“
„Doch, doch, der bin ich höchstselbst“, beeilte sich der Mann zu sagen. „Aber…“, nun überlegte er, „hast du denn Zeugnisse, Kenntnisse, wie man sich in den Gemächern einer Königin verhält? Du musst wissen, wir können nicht jedermann für diesen Dienst einstellen. Auch ein Holzknecht muss wissen, wie er sich in Gegenwart der Hoheiten zu benehmen hat.“
„Zeugnisse kann ich leider nicht vorweisen“, entgegnete ich. „Aber ich habe viele Jahre in einem Wald gelebt, kenne mich mit Holz sozusagen bestens aus. Ich weiß, wann es geschlagen werden, wie lange es gelagert werden muss und noch sehr viel mehr.“
„Das mit dem Holz ist mir einerlei“, wehrte der Mann ab. „Wie sieht es aus mit den Manieren. Ihre Majestät legt Wert auf gute Manieren. Da kann nicht jeder dahergelaufene Dorftrottel kommen.“
„Aber…“, ich war empört. Ich wurde schon viel beschimpft, aber Dorftrottel hatte noch nie jemand zu mir gesagt. Ich mochte zwar vom Dorf kommen, aber ein Trottel war ich keinesfalls. „Ich kann mich sehr wohl benehmen“, erwiderte ich etwas mokiert und machte eine formvollendete Verbeugung, die einer Königin Ehre gebührte. Ich sollte mich lieber abregen, ehe ich alles versaute und womöglich die Anstellung erst gar nicht bekam.
„Nun ja, das ist noch nicht alles“, meinte der Gesindemeister. „Wie verhältst du dich in Gegenwart der Königin, wie sprichst du sie an, wenn sie dir das Wort erteilen sollte“, setzte er seinen Test fort.
„Ich trete erst in ihre Gemächer ein, wenn ich dazu aufgefordert wurde“, gab ich meine Kenntnisse preis. „Ich wende ihr nie den Rücken zu, wenn sie sich im gleichen Raum befindet wie ich. Ist sie im Raum und ich will diesen verlassen, gehe ich rückwärts bis zur Tür und drehe mich erst um, wenn ich die Tür hinter mir geschlossen habe.“
„Sehr gut“, der Gesindemeister war sichtlich beeindruckt. „Aber eins fehlt noch. Wie sprichst du die Königin an?“
„Natürlich, das fehlt noch“, sagte ich lächelnd. „Ich bin höflich, verbeuge mich so tief es geht und spreche sie mit Ihre Majestät oder Ihre Hoheit an. Ich erhebe mich erst, wenn sie mich dazu auffordert und ohne gefragt zu werden, habe ich nichts zu sagen, es sei denn, ich grüße sie, natürlich immer zuerst.“
Der Gesindemeister nickte zustimmend. „Wirklich beachtlich. Wo hast du das gelernt.“
„Ach… das lernt man halt so mit der Zeit, wenn man viel unterwegs ist. Am königlichen Hof von Ludwig XV. habe ich viel gelernt. Dort lebte ich einige Jahre, bis ich es satt hatte und in meinen Wald zurückkehrte. Genau wie am Hof der Zarin Elisabeth von Russland, an dem ich weilte.“ Dass ich auch bei Katharina, der Nachfolgerin von Elisabeth, mein Unwesen trieb, verschwieg ich allerdings. Der Kerl musste nicht alles wissen.
„Warum sagst du das nicht gleich! So einen Leumund kann nicht jeder aufweisen“, meinte der Gesindemeister etwas mokiert, dass der Sauhund ihm solche Informationen vorenthalten hatte.
„Ich fand es nicht wichtig“, erwiderte ich, leicht grinsend, dass seine Schnüffelschnauze zitterte.
„Du bist eingestellt!“, sagte der Gesindemeister etwas barsch. „Aber wehe, es kommen Klagen, da helfen auch deine Zeugnisse nicht.“
Dass ich am Hof von Ludwig XV. und der Zarin Elisabeth war und jetzt, so viele Jahre später, hier vor ihm stand, konnte eigentlich gar nicht möglich sein. Normalerweise wäre ich längst gestorben, aber ihr wisst ja, was die Hexe mir vor vielen Jahrhunderten anzauberte. Doch dem Mann fiel es nicht auf, er sah nur die Referenzen, die zählten, sonst nichts.
„Margareth“, rief er nach der Frau, die inzwischen im hinteren Teil des Raums ihrer Arbeit nachging. „Zeig dem Burschen hier die Stuben der Knechte. Das Bett des verstorbenen Holzknechts ist doch noch frei?“, fragte er.
„Ja, natürlich“, erwiderte die Frau.
„Dann zeig es ihm“, entgegnete der Gesindemeister. „Und morgen, pünktlich früh um fünf Uhr beginnt dein Dienst. Als erstes bringst du Holz in die Gemächer Ihrer Majestät, räumst die alte Asche heraus, machst Feuer. Das alles, ohne die Majestäten zu stören oder gar zu wecken. Hast du das verstanden?“
„Ja, Herr“, erwiderte ich froh, eine Anstellung gefunden zu haben, mit der ich einigermaßen über die Runden kommen konnte. „Wo finde ich das Holz und alles andere?“, wollte ich noch wissen.
„Ich schicke dir später jemanden, der dir alles zeigt, bis dahin verbleibst du auf deiner Stube und rührst dich nicht vom Fleck“, befahl der Gesindemeister.
„Sehr wohl“, katzbuckelte ich.
„Dann komm, ich zeig dir deine Stube“, wandte die Margareth genannte Frau an mich. Ich folgte ihr wortlos.
Auf dem Flur begegnete uns die Magd, die mich eingelassen hatte. Sie grüßte meine Begleiterin mit einem Kopfnicken, während sie an uns vorbei ging.
Ich starrte ihr hinterher, sah ihre ausladenden Hüften, das wunderbare geschwungene Hinterteil, das unter dem langen Rock wohlgeformt hervortrat. Am liebsten wäre ich hier nachgelaufen, hätte sie liebkost, geherzt und… ach, was noch sonst alles meiner Kleinigkeit Spaß macht.
„Na na, wer wird denn hier!“, empörte sich Margareth über mein gieriges Starren. „Das ist die Lieblingszofe Ihrer Majestät, der Königin. Du lässt die Finger von ihr, sie ist noch unberührt. Außerdem ist sie bereits versprochen.“
Ich konnte nur nicken, doch das „unberührt“, rührte mich doch sehr… und meinen Einen ebenso.
„Wie ich dich kenne, wirst du wohl nichts anbrennen lassen“, meinte ich lachend, als mein Sauhund geendet hatte.
„Wo denkst du denn hin?“, echauffierte er sich. „Ich rühre doch keine Jungfrau an und auch noch eine, die in Diensten Ihrer Majestät steht und deren Lieblingszofe ist. Da käme ich in Teufels Küche und vielleicht sogar noch ins Verlies, oder gleich nach Australien verschifft.“ Der Sauhund lachte, dass seine Nase erzitterte wie bei einem Erdbeben.
Ich wollte lieber nicht darüber nachdenken, was mein Sauhund noch so alles am Hof von Victoria anstellte. Es war bestimmt nicht nur Gutes und die Zofe, nahm ich an, war wohl eines seiner Opfer, die seine von der Hexe angezauberte Manneskraft genießen durften. Doch eifersüchtig war ich nicht auf die Frau, warum auch. Sie lebte schon lange nicht mehr und außerdem war der Sauhund jetzt bei mir.
„Aber…“, so warf ich noch ein. „Über dreiundsechzig Jahre Regierungszeit, das ist schon beträchtlich.“
„Was meinst du?“, fragte der Sauhund ein wenig verwirrt. Er hatte wohl nicht zugehört.
„Na die Victoria, sie hat über dreiundsechzig Jahre regiert“, antwortete ich. „An was denkst du eigentlich?“, wollte ich wissen, als ich des Sauhunds verzücktes Gesicht sah.
Er wurde prompt rot, was bei seinen grünen Haaren recht eigenartig aussah. „Na ja… die Zofe“, gab er zu.
„Ja…“, ich wurde hellhörig.
„Ach, das erzähl ich dir später. Ich geh jetzt schlafen, hab mir schon die Schnüffelschnauze fusselig geredet“, wehrte er ab und stand auf.
„Was?!“, entrüstete ich mich, „willst du mich hier auf dem Trockenen sitzen lassen, jetzt, wo ich Blut geleckt habe!“
„Ins Bett, Weib!“, befahl mir der Sauhund. Nur widerwillig folgte ich ihm. Ich wusste allerdings, dass wir nicht gleich zum Schlafen kommen würden, so wie er mich ansah. Doch das ist jetzt privat und geschlossene Gesellschaft.
© Salika von Wolfshausen / 20.02.2024