Glaubt Ihr an Geister und Gespenster? Nicht wirklich, oder? Ich auch nicht. Aber als Kind ließ ich mich von meiner Großmutter einschüchtern, es gäbe welche. Vor allem, wenn ich mich abends sträubte, ins Bett zu gehen. Dann sagte sie immer, es käme der Mumanz oder das Huppmännel, holt mich und steckt mich zur Strafe in sein Verlies. Was denkt Ihr, wie schnell ich da im Bett war und mich unter der Decke versteckt habe, denn zum Huppmännel wollte ich keinesfalls.
Unser Sauhund glaubte auch nicht an Geister, bis ihm mal höchstpersönlich einer über den Weg gelaufen ist. Und das war so:
Es war so um 1520 herum. Kurz bevor der Bauernkrieg ausbrach. Da wanderte der Sauhund durch das Württembergische. Damals war er auf der Suche nach einer Arbeit. Nur von dem, was der Wald hergab, konnte er nicht leben. Langweilig war es ihm auch, so alleine er war. Also zog es ihn wieder einmal in die Welt hinaus.
Im Württembergischen kam er in die Gegend von Altenriet. Das war bzw. ist in der Nähe von Nürtingen. Altenried lag damals schon am Neckar, der still vor sich hin floss. Dort fand er die Burg Neuenriet, die hoch oben auf einem Berg stand.
Der kleine Ort am Fuße der Burg beherbergte damals nicht viele Menschen. Im Mittelalter waren große Städte recht selten. Auch wenn man in einer Stadt wohnte, kannte man dort Hinz und Kunz, sozusagen fast die gesamten Einwohner.
Einige Tage versuchte der Sauhund, in der Stadt eine Arbeit bei angesiedelten Händlern und Gewerken zu finden, wobei er keinen besonderen Erfolg verzeichnen konnte. Er wohnte in einer kleinen Spelunke, in der es in den Betten mehr Läuse und Wanzen gab als Menschen. Die Durchreisenden schliefen sogar nur auf aufgeschütteten Stroh auf dem Boden. Das Stroh stank so sehr, dass es eine Zumutung war, darin zu nächtigen. Das Vieh im Stall lebte besser als die Reisenden.
Das Essen war auch sehr gewöhnungsbedürftig. Die Frau des Wirtes kannte nur wenige Speisen, die sie den Gästen vorsetzte, als wären es Schweine am Trog. Von Liebe am Kochen war keine Rede, Hauptsache, der Gast aß im Haus, ließ sein Geld da und ging nicht zur Konkurrenz.
Dem Sauhund gefiel das keinesfalls. Er war immer gutes Essen gewöhnt. Auch wenn er recht oft in ärmlichen Verhältnissen leben musste, am Essen geizte der nie. Im Wald gab es oft genug, wovon er satt werden konnte. Und was er nicht fand, wurde in seinem kleinen Gärtchen angebaut. Doch hier in der Stadt musste er mit seinem Ersparten gut haushalten, um lange genug damit auszukommen, bis er eine Anstellung gefunden hatte.
Die Tage, die der Sauhund in der Stadt verbrachte, nutzte er, um Kontakte zu finden. Es gab damals dort genug Menschen, die gerne gegen bare Münze Fremden halfen, über die Runden zu kommen. Nur eine feste Arbeit fand er nicht.
An einem Sonntag, der Sauhund ging wie alle Bewohner der Stadt in die Kirche, um die Andacht zu hören und danach zu beichten. Dabei fiel ihm dort ein reich gekleideter Herr auf, der von einer Frau, die in Samt und Seide gehüllt war, begleitet wurde. Einige Kinder waren auch im Schlepptau, die die beiden Erwachsenen umschwirrten wie ein Bienenvolk. Ihre Kleidung sah auch nicht aus wie von armen Leuten.
Als die Andacht beendet war und der Sauhund gebeichtet hatte, stellte er sich ans Kirchenportal und wartete. Die Menschen, die aus der Kirche kamen, kannte er in den seltensten Fällen. Das war auch kein Wunder, er war ja neu in der Stadt. Als er eine Weile so da stand und die Leute beobachtete, erkannte er den Wirt, bei dem er untergekommen war.
„Sag mal“, wandte er sich an diesen, „wer ist denn der Herr dort.“
„Welchen meinst du?“, fragte der Wirt, worauf der Sauhund auf den in Prunk und Protz gekleideten Mann zeigte, der eben mit seiner Begleitung in die Kutsche stieg.
„Ach den meinst du! Das ist der Ritter von der Burg Neuenriet“, erklärte ihm der Wirt.
„Wo ist diese Burg?“, wollte der Sauhund wissen. Er war neugierig geworden. War das vielleicht eine Möglichkeit, in Lohn und Brot zu kommen?
„Wenn du durch das nördliche Tor gehst, siehst du sie schon von Weitem“, bekam er Auskunft. „Aber sag, warum willst du das wissen?“
„Ich bin nun schon einige Tage hier und habe immer noch keine Arbeit gefunden“, erklärte der Sauhund. „Vielleicht hab ich ja auf der Burg oben Glück. Fragen kostet ja nichts, nur mein Nichtstun kostet mich meine ersparten Groschen.“
„Auf die Burg willst du!“, erschrak sich der Wirt. „Bist du dir da sicher?“
„Klar, warum nicht“, antwortete der Sauhund.
„Da oben und auf allen Anwesen des Herrn spukt es, da würden mich keine zehn Pferde hin bekommen“, erwiderte der Wirt.
„Ach was, so ‘n Scheiß. Wer glaubt denn schon an Geister“, meinte der Sauhund lachend. „Das ist doch Mummenschanz.“
„Du wirst es schon sehen“, entgegnete der Wirt. „Dir wird schon noch das Lachen vergehen.“
Gesagt, getan. Gleich am nächsten Tag machte sich unser Sauhund auf den Weg zur Burg. Den Sonntag verbrachte er noch in der Stadt, denn der Tag war heilig, da wurde nicht gearbeitet. Andere Leute nach Arbeit zu fragen, genau so.
Kurz vor Sonnenaufgang stand der Sauhund bereits am nördlichen Tor und wartete darauf, dass die Wächter aufschlossen und er aus der Stadt heraus konnte.
„Wigbald, komm mal her! Schau dir doch mal den komischen Typen dort an“, grölte einer der Wächter und lachte schallend über den Sauhund. „Der hat ´ne Schweinsnase und grüne Haare. Wo gibt’s denn so was? Und sieh mal, was der auf der Nase hat. So komische Gläser! Was mag das wohl sein?“
„Dummbatzen“, schimpfte der Sauhund über den lachenden Wächter. „Das was ich auf der Nase habe, ist eine Brille, die hilft mir beim Sehen – sonst wäre ich blind wie ein Maulwurf. Und was gibt bei grünen Haaren und Schweinsnase zu lachen?“
„Ach, geh nur, du…, solch einen Humbug! Gläser, um besser sehen zu können! So was sollen wir dir glauben? Scher dich lieber von dannen, ehe ich dich in den Turm sperren lasse. Wer weiß, was du für ein Hexer bist. So was wollen wir hier nicht“, wehrte der Wächter ab und schritt, seine Hellebarde drohend auf den Sauhund gerichtet, auf diesen zu. Der gab lieber schnell Hackengas und suchte das Weite.
Der Weg zur Burg war doch länger als es der Wirt ihm erklärt hatte. Der Sauhund wanderte durch ein Tal und einen Wald. Den Neckar kreuzte er auch. Das nutzte er gleich, sich gründlich zu waschen, denn in der Herberge war es unmöglich, seinen Körper zu pflegen. Die Wirtin selbst lief herum wie Lumpenpack und legte keinen Wert auf Körperpflege. Sie stank schlimmer als ein Stall voller Schweine. Daher erwartete sie auch von ihren Gästen nicht, Wasser zum Waschen zu benutzen.
Dann sah der Sauhund endlich die Burg, die hoch oben auf einem Berg thronte. Den Weg, der sich durch den Wald nach oben schlängelte, konnte man von unten sehen. Es sah recht mühsam aus, dort hinauf zu kraxeln. Doch er wagte es trotzdem.
Schwitzend, hungrig und durstig, erreichte er endlich das Tor. Ein Wächter stand auch hier davor und hielt Wache.
„Halt, wohin“, tat der sich wichtig und stellte sich dem einsamen Wanderer drohend entgegen.
„Zum Herrn will ich“, entgegnete der Sauhund.
„Zum Herrn? Was willst du da?“, fragte der Wächter. „Sag mir ja nicht, du hättest da eine Audienz! Der Herr gibt heute keine.“
„Nach Arbeit fragen will ich“, wurde erwidert. „Komm, lass mich rein. Ich bin unbewaffnet und tu keinem was zuleide.“
„Als was willst du arbeiten? Bestimmt als Hofnarr? Bei deinem Aussehen wohl der richtige Beruf!“, der Wächter lachte, dass es nur so schallte.
„In diesem Landstrich scheint es nur Dummbatzen zu geben“, murrte der Sauhund in seinen nicht vorhandenen Bart. „Vorhin ist mir schon solch ein Exemplar begegnet und hier ist gleich noch einer. Ein wirklich außergewöhnliches Phänomen.“
„Mach, dass du fort kommst“, drohte der Wächter, der gehört hatte, was der Sauhund vom Stapel ließ. Der Sauhund ließ sich das nicht zweimal sagen, machte sich flugs vom Acker und schlüpfte durch das Tor hindurch in den Burghof.
Dort sah er sich erst einmal um. Der Hof war geräumiger, als er angenommen hatte. Geschäftig liefen die Leute hin und her, Mägde schleppten Wäsche, Pferdeknechte striegelten die ihnen anvertrauten Tiere, bis sie glänzten. Aus dem Küchentrakt drang ein herrlicher Duft herüber, der dem Sauhund das Wasser im Mund zusammen laufen ließ.
Aus dem imposanten Portal trat ein Diener trat heraus und rief nach jemandem. Alle waren irgendwie beschäftigt, nur der Sauhund stand herum und wusste nicht, was er tun sollte. Eigentlich war er nie auf die Gusche gefallen, doch die Burg schüchterte ihn komischerweise ein.
Der prunkvoll gekleidete Diener, der auf der Treppe stand, bemerkte ihn endlich.
„He, du da! Was stehst du hier so nutzlos rum? Hast du nichts zu tun? Troll dich an deine Arbeit!“, rief er laut. Erst jetzt bemerkte er, der Sauhund war fremd hier. „Wer bist du eigentlich und was willst du hier?“, fragte er gleich und tat sich wichtig.
„Ich suche nach einer Arbeit“, sagte der Sauhund, als er vor dem Diener stand.
„Wir vergeben keine Arbeit, verschwinde hier, aber schnell, sonst lass ich dir Beine machen“, herrschte ihn der Bedienstete an und wollte wieder ins Innere der Burg verschwinden.
„Wartet doch!“, rief ihm der Sauhund hinterher und hielt ihn am Rockzipfel fest. Erbost drehte sich der Hausdiener um und knurrte.
„Ich werde die Wachen rufen lassen, wenn du nicht schnellstens verschwindest“, warnte er.
„Niemand holt hier die Wachen ohne mein Einverständnis“, hörte der Sauhund plötzlich eine tiefe Stimme aus dem Hintergrund. Er schaute auf und entdeckte den Herrn, den er vor der Kirche in der Stadt gesehen hatte. Genau dieser trat eben aus der Tür heraus auf die Außentreppe. Interessiert schaute er den eigenartigen Ankömmling an.
„Wer bist du?“, fragte er den Sauhund.
„Mein Name ist Sauhund“, bekam er als Antwort. „Ich suche Arbeit“, hängte er gleich hinten an. Die Chance, den Hausherrn zu Gesicht zu bekommen, musste er nutzen.
„Da wo du herkommst, gab es wohl keine Arbeit?“, wurde gefragt.
„Leider nicht. Daher wanderte ich vom Aachener Wald bis hierher nach Altenriet, in der Hoffnung, Lohn und Brot zu finden.“ Der Sauhund tat ein wenig schüchtern. „Na ja, und dann… schaut mich doch an, Herr. Die Leute dort mögen mich nicht in ihrer Nähe haben. Mein Aussehen schreckt sie ab.“
Gelächter von Seiten den Burgherrn schallte ihm entgegen. Auch der Diener musste sich zusammen nehmen, nicht zu lachen.
„Da wirst du wohl recht haben“, erwiderte der Burgherr, immer noch lachend. „Dein Aussehen ist wirklich sehr gewöhnungsbedürftig. Du scheinst nur als Hofnarr fungieren zu können.“
Griesgrämig schauend, versuchte der Sauhund seine Wut zu bändigen. Es war heute nun schon das dritte Mal, dass er wegen seinem Aussehen ausgelacht wurde. Er konnte ja auch nichts dafür, dass er so aussah. Daran war die Hexe schuld und nicht er.
„Obwohl, wenn ich dich so ansehe“, meinte der Burgherr weiter, „Hofnarr ist doch nichts für dich. Dazu schaust du zu grimmig. Aber Hauswart könntest du sein.“
Der Sauhund wurde sofort hellhörig. War er eventuell endlich am Ziel angekommen?
„Ich habe noch ein Jagdschloss in der Nähe. Da kümmert sich niemand drum. Die Leute hier haben Angst, dort allein zu sein, wenn die Jagdgesellschaft nicht anwesend ist. Dort stört dein Aussehen niemanden.“ Nachdenklich sah der Burgherr den Sauhund an. „Du kannst dort wohnen, Kost und Logis ist kostenlos, dafür hältst du mir das Anwesen in Ordnung. – Ist das ein Wort?“
„Herr, wie gütig Ihr mit mir seid. Ich nehme das gerne an“, rief der Sauhund erfreut aus. „Wann kann ich mit der Arbeit beginnen?“
„Jetzt gleich“, sagte der Burgherr. Er wandte sich an seinen Hausdiener. „Sieh zu, dass dieser komische Typ da zum Jagdschloss kommt und ihm alles gezeigt wird. Kümmere dich drum.“
„Sehr wohl, Herr“, katzbuckelte der Diener. Dann wandte er sich leise sprechend an den Herrn: „Seid Ihr Euch sicher mit dem Jagdschloss? Dort spukt es doch.“
„Ach was“, wehrte der Burgherr ab. „Der wird schon keine Furcht haben. Dieser komische Typ sieht nicht so aus, als wäre er abergläubisch.“ Damit war für ihn die Sache erledigt. Er wandte sich ab, um sich an sein tägliches Geschäft zu begeben.
So kam es dazu, dass der Sauhund plötzlich Herr über ein Jagdschloss wurde. Dass es dort spuken sollte, machte ihm nichts aus. Er würde dem Geist schon zeigen, wo die Harke hing, wenn er sich wagen sollte, einfach herum zu spuken.
Die ersten Tage hatte der Sauhund damit zu tun, den Haushalt und das Anwesen des Jagdschlosses kennenzulernen. Da niemand dort war, wenn keine Jagdgesellschaft stattfand, konnte er schalten und walten, wie er wollte. Im Garten und den angrenzenden Wiesen hatte er viel zu tun. Die Blumenrabatten sahen aus, als wären sie nie gepflegt worden. Die Bäume und die Hecken mussten beschnitten werden, auch im Haushalt war viel zu tun. In jedem Zimmer waren Spinnweben, überall musste geputzt und gewienert werden.
Am Abend fiel unser Sauhund erschöpft ins Bett. Binnen weniger Minuten war er eingeschlafen. So bemerkte er auch nicht, wie jemand seinen Raum betrat.
Wie ein Schatten schwebte die Gestalt an Sauhunds Bettstatt. Eine mysteriöse Aura umgab sie. Als sie den Sauhund schlafen sah, umspielte ein Lächeln das beinahe durchsichtige Gesicht.
„Endlich wieder einer, der mich hier erlösen könnte. Vielleicht bin ich diesmal endlich am Ziel“, flüsterte die Gestalt und schwebte, ohne die Tür zu öffnen, nach draußen. Nur ein kleiner Windzug blieb zurück, der den hölzernen Laden des Fensters zum Klappern brachte.
Von diesem Geräusch wurde der Sauhund wach. Blinzelnd versuchte er, sich zu orientieren. Sein Zimmer wurde nur durch das fahle Mondlicht erhellt, der durch das offene Fenster schien.
Der Sauhund bemerkte, dass das Fenster offen stand. Er stand auf, um es zu schließen, denn es zog erbärmlich. Als er ans Fenster trat, bemerkte er, wie eine weiße Frauengestalt im Garten stand und ihn anstarrte.
Verwirrt wischte sich der Sauhund die Augen. Hatte er geträumt, oder war die Gestalt im Garten Wahrheit? Doch ehe er sich aufraffen konnte, um nach draußen zu gehen und nach ihr zu schauen, war die sonderbare Figur verschwunden.
„Dummer Traum“, murrte der Sauhund. Gähnend ging er zurück ins Bett und schlief weiter. Am nächsten Tag hatte er den Vorfall bereits vergessen.
In der nächsten Nacht klapperte der Fensterflügel abermals, obwohl der Sauhund das Fenster geschlossen und sogar noch den Riegel davor geschoben hatte, als er sich zur Nachtruhe hingelegt hatte. Wieder stand er auf, um nachzuschauen. Diese weiße Gestalt stand erneut im Garten und starrte ihn an. Verdutzt rieb sich der Sauhund die Augen. Sollte die Gestalt von letzter Nacht doch kein Traum gewesen sein? Flink sprang er aus dem Fenster. Er musste diese mysteriöse Person stellen, ehe sie wieder im Nirgendwo verschwand. Doch als er im Garten angekommen war, war niemand mehr zu sehen.
„Das gibt es doch nicht“, schimpfte er mit sich selbst. „Ich träume doch nicht und schizophren bin ich auch nicht. Ich muss besser Acht geben. Wart nur ab, nicht mit mir. Verarschen lasse ich mich nicht.“ Damit ging er zurück ins Haus, um seine Nachtruhe fortzusetzen.
Dasselbe Prozedere wiederholte sich in der nächsten Nacht. Tag für Tag, oder besser Nacht für Nacht, erschien die seltsame Gestalt und starrte ihn an. Der Sauhund fühlte sich nicht bedroht, doch seltsam kam es ihm schon vor, dass er in jeder Nacht Besuch bekam, ohne dass er den Grund dafür erfuhr.
Noch rätselhafter wurde die Sache, als plötzlich Dinge verschwanden. Anfangs nahm der Sauhund an, er hätte sie nur verlegt. Doch so sehr er auch suchte, verschwunden blieb verschwunden. Als erstes verschwand in der Küche Geschirr, dann fehlten andere Arbeitsgeräte, die er unbedingt im Garten benötigte. Als dann auch noch Vorräte fehlten, war Schluss mit lustig für den Sauhund. Er nahm sich vor, den Übeltäter unbedingt zu stellen. Das ging ja nicht mit rechten Dingen zu.
So legte er sich am folgenden Abend auf die Lauer. Der Sauhund machte es sich auf einem der Ofenbänke in der Küche bequem. Von dort konnte er die Tür zur Vorratskammer gut beobachten, ohne gleich selbst gesehen zu werden.
Die Zeit verstrich, ohne dass etwas geschah. Der Sauhund wurde langsam müde. Nur noch mit großer Mühe konnte er seine Augen offen halten. Die Wärme, die der Ofen noch ausstrahlte, tat auch das Seine dazu, unseren Spürhund schläfrig zu machen. Es kam, wie es kommen sollte: Des Sauhunds Augen fielen zu und bald war nur noch ein lautes Schnarchen aus der Küche zu hören.
Inzwischen war auch der Mond aufgegangen, der den Vorplatz des Jagdschlosses in diffuses Licht tauchte. Kleine Nebelschwaden schwebten knapp über dem Boden und ließen das Ganze noch unheimlicher erscheinen. Und dann kam es, das Schlossgespenst. Kam? Nein, natürlich schwebte es scheinbar wie schwerelos über den Vorplatz. Die Eingangstür wurde einfach überwunden, genau wie die Tür in die Küche. Es näherte sich dem schlafenden Sauhund, der von allem nichts bemerkt hatte.
„Da schläft er selig wie ein kleines Kind“, flüsterte das Schlossgespenst. Nachdenklich schaute die Geisterfrau auf den vor ihr Liegenden hinab.
Während der Sauhund den Schlaf der Gerechten schlief, begann er zu träumen. Eine wunderhübsche Frau mit langem schwarzen Haar und eisblauen Augen sah er in seinem Traum. Diese Frau begehrte ihn. Es reizte ihn, sie ebenso zu erobern, wie sie ihn. Knurrend drehte sich der Sauhund auf den Rücken. Die harte Bank drückte und ließ ihn unruhig schlafen.
Erschrocken schaute das Gespenst auf ihn hinab. Doch der Sauhund schlief weiter, als wäre nichts gewesen. So näherte sich die Geisterfrau erneut. Sie blickte auf den Schlafenden, der schnarchend auf dem Rücken lag. Sie konnte genau in seine Träume blicken, die sie nun zu steuern begann. „Es muss unbedingt bis eine Stunde nach Mitternacht gelingen, sonst bin ich nochmals hundert Jahre an diesen verfluchten Ort gebunden“, murmelte das Gespenst.
Es schwebte noch näher heran, Gier überkam es. Genau so hatte es immer angefühlt, als es noch eine lebendige, junge und lebensfrohe Frau gewesen war. Die Gier nach Männern hatte sie ins Verderben gestürzt, die Affäre mit dem jungen Schlossherrn dann in den Tod – den schändlichen Tod einer Ehebrecherin. Der Sauhund war die letzte Chance, endlich die ewige Ruhe zu finden. Doch wie ihn dazu bringen, ihr beizuwohnen, und das auch noch freiwillig.
Groß darüber nachzudenken, war jetzt fehl am Platze, handeln war angesagt. Ohne nachzudenken öffnete das Gespenst die Hose des Sauhunds. Ein Seufzen entfuhr der Geisterfrau, als sie des unteren Rüssels ansichtig wurde. So etwas hatte sie seit vielen Jahrhunderten schon nicht mehr gesehen. Nicht sehr viel dicker als ein Besenstiel, dafür aber genau so hart wie einer. Da musste die Entfluchung ja Spaß machen.
Flugs zog das Gespenst die Hose gänzlich nach unten. Der Stiel wurde nochmals genau beschaut. Warum er schon stand, darauf konnte es sich keinen Reim machen. Vielleicht war es doch der Traum, der den Schlaf des Sauhunds begleitete.
Zärtlich begann die Geisterfrau, das Liebesgerät zu streicheln. Es fühlte sich gut an, fast wie echt. Na gut, er war ja auch echt, nur sie selbst war es nicht. Auch in ihrer eigenen Mitte war dieses wundervolle kribblige Gefühl zu spüren, das aufkam, wenn eine Frau es gerne tat, einem Mann beizuwohnen. Beinahe konnte sie sich nicht mehr beherrschen.
Unruhig begann der Sauhund, sich auf der Bank zu wälzen. Das harte Holz drückte in seinem Rücken, alle Knochen schienen wie erstarrt zu sein. Plötzlich bemerkte er einen Luftzug, der ihn aus vollends aus dem Schlaf riss. Wie von der Tarantel gestochen setzte er sich auf und blickte genau ins Gesicht des Schlossgespenstes.
Erschrocken stieß der Sauhund einen Schrei aus. Er versuchte das Gespenst abzuwehren, doch es ließ ihn nicht los. Als er sah, dass es seinen Frauenbeglücker aus der Hose geholt hatte und es diesem auch noch gefiel, war er fassungslos.
„Was tust du da?“, rief der Sauhund aus. Wie wild fuchtelte er mit den Händen, um das Gespenst abzuwehren.
„Du musst keine Angst haben“, versuchte die Geisterfrau ihn sanft zu beschwichtigen.
„Was muss ich dann?“, fragte der Sauhund aufgebracht, „und außerdem, was fällt dir eigentlich ein, mich hier in meinem wohlverdienten Schlaf zu stören und hier rum zu spuken? Bist du von allen Geistern verlassen?“ Aufgebracht schüttelte er mit dem Kopf, dass seine grünen Haare wie wild um seinen Kopf herum wirbelten und seine Schweinsnase erzitterte.
„Beruhige dich doch“, versuchte die Geisterfrau ihn erneut zu beschwichtigen. „So glaub mir doch, ich will dir nichts Böses. Genau wie ich den vielen anderen vor dir nichts Boshaftes wollte.“ Seufzend senkte sie den Kopf. „Es ist doch nur…“
„Was?“, schrie der Sauhund beinahe.
„Es ist doch nur meine letzte Chance, dem Fluch zu entkommen. Sonst muss ich nochmals hundert Jahre hier herumgeistern“, erklärte das Gespenst. Es schien so, als würden Tränen in den Augen schimmern, doch das konnte nicht sein, Gespenster weinen nicht.
„Warum das?“, fragte der Sauhund nun. Er war neugierig geworden, was hinter dem ganzen Spuk stecken sollte. So erfuhr er, wie es dazu gekommen war. Die Geisterfrau ließ nichts aus, auch nicht ihr unzüchtiges Treiben mit einem verheirateten Mann.
„Das ist ja…“, der Sauhund schluckte, „beinahe unwirklich.“
„Es ist alles wahr“, beharrte das Gespenst. „Ich bin auch noch selber Schuld, dass ich hier rumgeistere. Der jetzige Schlossherr ist ein Nachfahre des Mannes, mit dem ich Unzucht trieb. Bei meiner Hinrichtung verfluchte meine Großmutter die Familie. Ich solle so lange in ihren Hallen spuken, bis ich einen Mann aus der Familie in den Tod getrieben hatte oder sich mir ein beliebiger Mann freiwillig hingab. In den Tod treiben wollte ich aber keinen, also blieb mir nichts anderes übrig, als einen Freiwilligen zu finden.“
„Nun ja“, brach der Sauhund nach einer Weile die Stille. „Ganz freiwillig ist es zwar nicht, aber wenn ich dir helfen kann…“ Der Sauhund sollte kein Sauhund sein, wenn er die Gelegenheit nicht beim Schopfe packen würde. Einer schönen Frau, auch wenn diese ein Geist war, konnte er keinen Wunsch abschlagen.
„Wirklich?“
„Wirklich… und nun komm her. Ich zeig dir sogleich, wie mein Besenstiel funktioniert. Freu dich auf schöne Stunden mit mir“, erwiderte der Sauhund und ging sogleich dazu über, zur Tat zu schreiten.
Am nächsten Morgen erwachte der Sauhund erst sehr spät ein wenig verkatert auf der harten Ofenbank. Alle Knochen taten ihm weh, als hätte er auf der Streckbank gelegen. Nur vage konnte er sich an das Geschehen in der Nacht erinnern. Aber da er nicht an Gespenster glaubte, nahm er an, es war nur ein Traumgespenst gewesen, das ihn gefoppt hatte. In den nächsten Nächten schlief er tief und fest wie ein Kleinkind, kein Geist erschien ihm, auch in den folgenden Nächten nicht. Doch irgendwie fehlte ihm etwas. Das Gespenst kam nicht wieder, so sehr er es sich auch wünschte.
Der Sauhund hoffte noch lange, des Nachts von der schönen Geisterfrau besucht zu werden. Seine Hoffnung wurde leider nicht erfüllt. Nur eines Tages fand er einen kleinen Zettel unter seinem Kopfkissen: „Nun bin ich endlich erlöst, mein Dank sei auf ewig bei dir“, stand darauf. Da wusste er, das Warten hatte keinen Sinn mehr, das Schlossgespenst würde nie mehr wiederkommen. Der Fluch war überwunden, die Frau war endlich frei.
© Salika von Wolfshausen / 24.07.2016
Anmerkung der Autorin:
Die Burg Neuenriet gibt es wirklich. Sie ist der Rest einer Spornburg etwa einen Kilometer nordöstlich von Altenriet im Württembergischen in der Gabelung zwischen Neckar und dem Höllbach. Die Burg wurde vermutlich im Bauernkrieg um 1525 herum zerstört und nie wieder aufgebaut. Sie ist das einzig Wahre an der Geschichte, alles andere drum herum ist Fantasie.