Wie Ihr wisst, lernte ich den Sauhund in der jetzigen Zeit kennen. Er nahm immer an, dass er unendlich alt werden konnte, das war er auch im Jahr 2008. Dass er ein Zeitenwanderer war, wisst Ihr. Aber dass er auch zwischen den Zeiten hin- und herspringen konnte, davon hatte er keine Ahnung. Wie er es herausfand, erfahrt Ihr jetzt.
Sauhund und ich lebten schon einige Jahre glücklich und zufrieden zusammen in seinem Häuschen im Zauberwald. Ohne eine Spur zu hinterlassen, verschwand er eines Tages. Ich suchte den gesamten Wald ab, aber von meinem Liebsten war nichts zu finden. Daher sorgte ich mich sehr um ihn. So wie er verschwunden war, tauchte er wieder auf. Natürlich war ich sehr aufgebracht darüber. Immerhin gingen wir stets offen und ehrlich miteinander um, und nun das!
„So beruhige dich doch, meine allerliebste Lustspalte“, versuchte er mich zu beschwichtigen. Doch ich warf ihm wutentbrannt böse Worte an den Kopf, weswegen ich mich heute noch dafür schäme.
„Es ist unmöglich von dir, einfach ohne ein Wort abzutauchen“, schimpfte ich wie ein Rohrspatz.
„Lass mich doch bitte erklären. Es gibt einen Grund für meine Abwesenheit“, wehrte Sauhund meine Schimpftirade ab.
„Na da bin ich aber mal gespannt“, motzte ich weiter, ließ ihn aber endlich erzählen.
Am Tag meines Verschwindens ging ich im Wald spazieren. Es war wie immer, nichts Außergewöhnliches. Die Vöglein zwitscherten, durch das dichte Blätterdach drangen nur vereinzelte Sonnenstrahlen. Ich kam auf eine Lichtung, die mir bisher unbekannt war. Entzückt schaute ich mich um und entdeckte am anderen Ende einen eigenartig schimmernden Stein. Ich lief hin, um ihn mir genauer anzuschauen.
Der Stein stand dort, als wäre er extra für mich hingestellt worden. Seine Nähe machte mich so trunken, dass ich mich daran festhalten musste, um nicht zu fallen. Plötzlich wurde es mir noch schummriger. Die Lichtung, ja sogar der ganze Wald begann sich zu drehen. Auf einmal entstand ein Sog und ich wurde ohnmächtig.
Als ich wieder aufwachte, war die Umgebung nicht mehr so, wie ich sie kannte. Ich lag inmitten einer Rabatte. Blumen blühten um mich herum und verströmten ihren süßen Duft. Ich richtete mich auf. Interessiert sah ich mich um. In der Ferne erblickte ich einen Palast, vor dem Pferdekutschen standen.
Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Wo mochte ich nur hingeraten sein?
Ein Mann in einer eigenartigen Uniform eilte den Weg entlang auf mich zu. „Hofnarr! Was treibst du dich hier herum? Hast du nichts zu tun?“, fuhr der Unbekannte mich an. „Die Königin verlangt nach dir! Also eile!“ Er scheuchte mich auf, trieb mich vor sich her. So schnell konnte ich gar nicht gehen, wie ich laufen sollte.
„Treib mich nicht so an“, schimpfte ich mit ihm. Er jedoch ließ sich jedoch nicht beirren.
„Mach schon. Sonst wird Ihre Majestät böse“, erwiderte er mit einer sehr hochnäsigen Art.
So lief ich lieber schneller, um nicht noch mehr seinem Unwillen ausgeliefert zu sein. Kurz darauf trafen wir im Palast ein. Der Diener führte mich in ein riesiges Gemach. Dort saß eine streng aussehende, ältere Dame an einem Tisch.
„Knie nieder, du Wicht!“, befahl mir der Mann und stieß mich in die Seite. Ich tat einfach, was er von mir verlangte, blaue Flecke wollte ich nämlich keine.
„Eure Majestät, Euer Hofnarr wurde gefunden“, katzbuckelte er vor der Dame.
„Na endlich, wo ist er gewesen?“, schnarrte die Frau mit eiserner Stimme und sah auf mich hinab, als wäre ich ein Wurm. „Wir brauchen etwas Aufmunterung. Mache Er ein paar Kunststücke!“, befahl sie mir.
„Ich kann keine“, wehrte ich mich.
„Aber Er ist doch Unser Hofnarr! Natürlich kann Er welche“, sagte die Königin und klatschte in die Hände.
„Ich kann wirklich keine. Außerdem bin ich nicht Euer Hofnarr“, behauptete ich nochmals.
Die Frau begann zu lachen. Dabei applaudierte sie vor Freude. „Du bist wirklich gut“, sagte sie, dabei immer noch lachend. „Ein Hofnarr ohne Witz wäre wahrlich kein guter Hofnarr.“
„Eure Majestät, wie kommt Ihr darauf, ich wäre Euer Hofnarr?“, fragte ich.
„Ja, schau dich doch einmal an! Einer mit einem Aussehen wie du kann nur ein Hofnarr sein“, beharrte sie weiter auf ihrer Meinung.
Ich wusste selbst, wie ich aussah, das musste diese Person mir nicht noch einmal unter meine Schweinsnase reiben. Dass sie aber behauptete, ich wäre ihr Hofnarr, das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Erneut stellte ich die Sache klar. Sie aber blieb bei ihrer Meinung. Sie wurde sogar grantig und befahl dem Diener, mich hinauszubringen und in den Kerker zu sperren. Ich hätte es verdient, so aufmüpfig wie ich wäre.
Der Diener fasste mich am Schlafittchen und zerrte mich weg. Ich wehrte mich, der Mann jedoch war viel stärker als ich. Kurzentschlossen landete ich wirklich im Kittchen. Er knallte die dicke Eichentür hinter mir zu und ich saß im Dunkeln. „Wenigstens Licht könntest du hierlassen“, rief ich ihm hinterher, bekam aber nur zu hören, ich solle leise sein.
„Wer bist du?“, rief ich. „Halts Maul, sonst wirst du geknebelt“, bekam ich aber zur Antwort. Daher blieb ich lieber still.
Es war stockduster im Verlies, dass ich nicht mal meine eigene Hand vor Augen sehen konnte. So tastete ich mich an der Wand entlang, bis ich in eine Ecke kam, wo ich mich hinsetzen konnte. Das Stroh, das ich fand, roch zwar nicht besonders gut, aber das war besser, als auf dem blanken Boden zu sitzen. Ich langweilte mich fast zu Tode und muss dann wohl eingeschlafen sein. Als ich erwachte, standest du hier und schimpftest wie ein Rohrspatz.
„Du bist dir sicher, dass du das Ganze nicht nur geträumt hast?“, fragte ich lachend.
„Aber nein, meine liebste Samtspalte. So war es wirklich. Ich glaube, es war Queen Victoria, die mich als ihr Hofnarr bezeichnete.“
„Hauptsache, du bist gesund und munter wieder da“, erwiderte ich. „Vielleicht kannst du mir später mal den Stein zeigen, mit dem du dorthin gereist bist.“
„Wenn ich ihn wiederfinde, gerne“, schmachtete mich der Sauhund an. „Bist du wieder lieb mit mir?“, wollte er noch wissen.
Ich lachte und nickte nur. Wer konnte diesem Blick widerstehen?
© Salika von Wolfshausen / 11.03.2019