„Ja“, gab Bahe seine Zustimmung.
Irgendwie hatte er sich entscheiden müssen und beide Attribute auf vierzig Punkte zu setzen war letztlich die einfachste Variante gewesen.
Danach schloss er sein Profil und wagte einen neuen Versuch der Manamaterialisierung. Mit geschlossenen Augen spürte er in sich hinein und griff nach seiner Energie. Behutsam führte er sie von seinem Innersten hin zu seinen Händen.
Zaghaft öffnete er seine Augen und bewunderte das pulsierende Leuchten. Noch gestern hatte ihm der Prozess des Augen Öffnens Probleme bereitet und auch heute musste er sich darum bemühen nicht die Konzentration zu verlieren. Aber zuversichtlich stellte Bahe fest, dass es auf jeden Fall schon wesentlich besser klappte.
Soweit so gut, bis hierher war er schon mehrmals gekommen. Jetzt hieß es, das Mana außerhalb seines Körpers zu materialisieren und einen Zauber wahrhaft auszusprechen. Wie bei seinen letzten Versuchen, nutze Bahe dafür einen der Zauber, die er zusammen mit seiner Berufsklasse erhalten hatte.
„Wasserwandlung“, sprach er den Namen des Zaubers leise aus und fast augenblicklich erschien vor ihm aus dem Nichts ein Runensymbol, welches merkwürdig durchscheinend anmutete. Es schwebte etwas unterhalb seines Blickfeldes und verblasste beinahe so schnell wie es erschienen war.
„Wasserwandlung, Wasserwandlung, Wasserwandlung…“, begann Bahe eifrig den Namen des Zaubers zu murmeln, um das Runensymbol vor ihm zu erhalten.
Währenddessen steckte er den Rest seiner Konzentration vollständig in den Prozess der Manamaterialisierung. Mit größter Willensanstrengung brachte er seine Lebensenergie dazu seine Hände zu verlassen und sich in der Luft vor ihm anzusammeln. Seine Element geprägten Energien, die ihn umgaben, störten dabei immer wieder und brachten den Energiefluss seiner Lebensenergie schnell durcheinander, wenn er nicht aufpasste.
Es war ein langwieriger Prozess und Bahe hatte mehr als nur einmal das Gefühl, dass ihm alles entglitt. Doch das Versagen auf halben Weg blieb diesmal aus. Scheinbar hatten sich die Punkte in Konzentration und Willensstärke schon aus gezahlt.
Die Momente, in denen er früher immer die Kontrolle verlor, meisterte Bahe diesmal knapp aber erfolgreich und alles andere konnte ihm zunächst egal sein.
Ganz allmählich näherte sich Bahes Mana dem Runensymbol und begann es tröpfchenweise auszufüllen. Die Zeit schien still zu stehen, während die Rune immer stärker in einem blauweißen Licht aufleuchtete. Einzig Bahes Murmeln des Zaubernamens war zu vernehmen, während seine strahlenden Hände die Dunkelheit der Nacht erleuchteten.
Beinahe war es geschafft. Bahe konnte es schon regelrecht spüren. Das Runensymbol vor ihm triefte vor Macht. Es brauchte nur noch ein kleines Bisschen mehr Zeit, um sich vollends zu füllen.
Plötzlich schallte das Bersten von Holz durch die Nacht und riss Bahe vor Schreck aus seiner Konzentration. Leidend musste er mit ansehen, wie das Runensymbol vor ihm im Nichts verpuffte und seine Hände ihr Leuchten verloren.
Schwärze senkte sich erneut über ihn und Bahe brauchte ein Wenig bis sich seine Augen an die neue Lichtsituation gewöhnt hatten.
Was war das gewesen?!
Fragte er sich innerlich genervt, während er angespannt lauschte. Seine Elementare und Balu waren es mit Sicherheit nicht, denn die schliefen zu seinen Füßen.
Bahe kniff die Augen zusammen und spähte in die Dunkelheit. Er konnte vielleicht fünfzehn Meter weit sehen, ehe seine Umgebung in der Finsternis der Nacht verschwand. Vorsichtig erhob er sich und drehte sich einmal um sich selbst. Es war nichts zu sehen. Fast rechnete er damit jeden Moment irgendeiner Horrorsituation ausgesetzt zu sein, doch es blieb still. Scheinbar war es nur ein nachtaktives Tier gewesen, welches sich im Unterholz bewegte.
Mit einem Seufzen wollte Bahe sich gerade setzen, als ein Rascheln im angrenzenden Wald ruckartig seine Aufmerksamkeit auf sich zog.
Misstrauisch starrte er in die Richtung des Geräuschs. Doch nun blieb es ruhig.
Als selbst nach einigen Minuten keine ungewöhnlichen Laute mehr zu vernehmen waren, entspannte Bahe sich zunehmend. War seine Paranoia mal wieder mit ihm durchgegangen?
Raoie war einfach zu echt. Ein einfacher Wald konnte im Dunkeln schon verdammt gruselig sein…
Mit einem Achselzucken setzte er sich und versuchte sich von Neuem an dem Wirken seines Zaubers. Diesmal hatte er jedoch vor, sich von nichts ablenken zu lassen.
Es dauerte erneut einige quälende Minuten ehe er soweit war, wie zuvor. Unter beständigem Murmeln des Zaubernamens, füllte er das Runensymbol nach und nach mit Mana. Das Aufleuchten verdichtete sich immer mehr, bis es plötzlich seinen Höhepunkt erreichte und das Runensymbol hell erstrahlte. Im nächsten Augenblick verlor er die Kontrolle über die Rune, welche daraufhin auf Bahe zu raste und in seine Brust sauste.
Für einen winzigen Augenblick saß Bahe verdutzt da, bis sich sein Körper, samt Kleidung, plötzlich in Wasser verwandelte. Fasziniert betrachtete er seine neue Wassergestalt. Seine Gliedmaßen wirkten so… elegant.
Doch gerade als die Euphorie von ihm Besitz ergriff, zerfloss sein Körper plötzlich zu einer Wasserpfütze am Boden.
Vollkommen verwirrt ob der merkwürdigen Perspektive seines Sichtfeldes, brauchte Bahe zunächst einen Augenblick, um zu verstehen, was soeben passiert war.
War er wirklich gerade zu einer Wasserpfütze zerlaufen?!
„…!“, Bahe wollte gerade seinem Entsetzten Ausdruck verleihen, als ihn der nächste Schreck einholte.
Er konnte nicht sprechen!
Was war hier los?!
Die aufkommende Panik niederringend, spürte er verzweifelt in seinen Körper hinein. Alle seine Gliedmaßen waren noch da… Nur irgendwie konnte er sie nicht kontrollieren…
Nein, das war es nicht…
Er hatte viel eher das Gefühl, dass sich seine Bewegungsversuche aus irgendeinem Grunde falsch anfühlten…
So merkwürdig...
Nun ja… Zumindest hatte er es nicht eilig. Er konnte die letzte halbe Stunde bis zum Aufwachen der Soldaten genauso gut nutzen und sich mit diesem Zauber vertraut machen.
Wäre er nicht gerade eine Wasserpfütze, dann hätte wahrscheinlich ein Grinsen in seinem Gesicht gestanden, dachte Bahe amüsiert.
Immerhin hatte er soeben seinen ersten Zauber erfolgreich angewendet! Haha!
Im Geiste streckte Bahe seine Arme triumphierend nach oben und meinte für einen Moment kleine Wassererhebungen an der Oberfläche seines Wasserpfützenselbstes auszumachen.
Verblüfft hielt er einen Moment inne.
Hatte er gerade kleine Wassertentakel ausgebildet?
Gruselig!
Ein Schaudern durchlief sein Wasserpfützenselbst, was sich in seichten Wellen an der Wasseroberfläche ausdrückte. Wenn er einen Körper gehabt hätte, dann hätte er Gänsehaut vom Kopf bis zu den Zehenspitzen gehabt.
Das war vielleicht mal eine merkwürdige Erfahrung… Aber nicht gerade von der guten Sorte…
So… Genug des Ganzen, wie verwandelte er sich wieder zurück?
Als Bahe so drüber nachdachte, wurde ihm schlagartig bewusst, dass er sich nie wirklich darum gekümmert hatte…
Online war nur die Sprache von der Aktivierung der Zauber gewesen. Nie, wie man einen bestehenden Zauber abbrach…
Der einzige Grund wieso er so ruhig bleiben konnte und sich nicht sorgte, dass er für alle Ewigkeit seiner Spielzeit in dieser Form gefangen war, war die Tatsache, dass der Zauber Mana verbrauchte. Fünfzig Mana waren allein für die Aktivierung notwendig gewesen und es wurden nochmal zehn Mana pro Minute verbraucht, die er aktiviert blieb. Bei seinen momentanen dreihundertdreißig Mana würde er maximal eine knappe halbe Stunde in der Gestalt bleiben.
Hmmm… Aber er hatte tatsächlich keine Ahnung wie er nun vorgehen sollte. Diesen Zauber hatte er sich schließlich nicht selbst ausgedacht. Es war letztlich auch nur ein fertiges Konstrukt seiner Berufsklasse gewesen, an dem er sich zur Vereinfachung des Ganzen orientiert hatte.
Jetzt war das Konstrukt aktiviert und in ihm scheinbar verschwunden…
Eigentlich musste er doch dann nur erneut in sich hinein fühlen, oder?
Seiner Vermutung folgend, machte er sich daran als Wasserpfütze zu meditieren. Allein beim Gedanken daran musste er grinsen. Eine Wasserpfütze die meditierte… Haha… Das Ganze war so abstrus.
Geduldig konzentrierte sich Bahe mal wieder auf sein inneres Selbst und versuchte die ungewohnte körperliche Situation zu vergessen.
Während Bahe beschäftig war, brach die Dämmerung an und die ersten Vögel begannen ihr morgendliches Konzert. Kurze Zeit später erklangen die ersten Geräusche der erwachenden Soldaten vom Lager herüber und Selm, einer der Männer, wankte noch schlaftrunken zum See. Ein paar Meter vom Wasser entfernt, stellte er gähnend den Eimer ab, den er zum Wasser holen, mitgebracht hatte und streckte sich.
„Hah… Wenn ich mich nicht irre, wird es ein schöner Morgen“, redete Selm vor lauter guter Laune mit sich selbst und begann dann, in Anbetracht eines gewissen, körperlichen Bedürfnisses, seine Hose zu öffnen. Wenig später ließ er den Wassermassen mit einem Seufzen freien Lauf, visierte dabei eine Pfütze unweit des Sees an und beobachtete vergnügt, wie das Wasser spritzte.
„Ja, wahrhaft ein schöner Morgen“, nickte er sich selbst bestätigend.
Ich habe mal eine Frage an euch:
Was würdet ihr davon halten, wenn ich Bahe im Spiel mit seinem Avatarnamen nenne? Und ich das Ganze rückwirkend für alle Kapitel in Raoie so handhabe?
Würde bedeuten, dass ich in Raoie nie wieder von Bahe spreche, sondern stets nur von Anael. Zum Einen, um den Nickname geläufiger zu machen, zum Anderen, um Interaktionen mit anderen Spielern (bei denen ich das genauso handhaben würde) im späteren Verlauf besser darstellen zu können.
Teil 1/?
RiBBoN