„Bist du dir sicher, dass wir ihr vertrauen können, Magnifus?“, fragte Zelia, als sie außer Hörweite waren.
„Nicht wirklich…“, seufzte Magnifus.
„Ihr Beweggrund ist schon ungewöhnlich“, merkte Salamander an.
„Hmm…“, überlegte Magnifus laut. „Fragt mal bei der Gilde nach, ob es irgendeinen Spieler von Belang gibt, von dem wir wissen, dass er sich schon vorher hier aufgehalten hat. Das ist im Moment das Einzige, was wir unternehmen können. Ansonsten bleibt uns nichts anderes als abzuwarten, dass die Goblins angreifen.“
„Und wir hoffen einfach, dass diese Angel Eye ihren Anführer Trullus überzeugen kann?“, hakte Zelia nach.
„Habt ihr einen besseren Vorschlag?“, antwortete Magnifus mit einer Gegenfrage und sah seine Gildenkameraden mit dem Kopf schütteln.
„Wenn uns wirklich ein ganzer Goblinstamm angreifen sollte, dann haben wir ein ernstes Problem“, sagte Magnifus nach kurzer Überlegung. „Ich habe mir die Spieler mal angesehen, die Trullus aus Waldenstadt mitgebracht hat. Die meisten sind Spielerinnen mit geringem Level. Der Durchschnitt liegt gerade mal bei Level 18…“
„Jep, er hat die Spielerinnen offensichtlich nach ihrem Aussehen ausgewählt“, stimmte Zelia ihm zu und rollte die Augen.
„Hehe… zu anderer Zeit ein durchaus netter Einfall“, warf Salamander ein, während er die tödlichen Blicke Zelias geflissentlich ignorierte.
„Wie schon gesagt…“, meinte er abwehrend. „Zu anderer Zeit...“
„Männer!“, schimpfte Zelia und zog mit stampfenden Schritten von Dannen.
„Wenn du wirklich bei ihr landen willst, solltest du dieses Frauengequatsche lassen, Sala“, sagte Magnifus belustigt.
„Magst recht haben… Aber ich liebe es einfach sie so ausrasten zu sehen…“, grinste Salamander selbstzufrieden und brachte damit Magnifus damit zum Kopfschütteln.
„Hast du schon einen Plan?“, fragte er einen Moment später.
„Unsere Aufgabe war von vorne herein nie, den Goblinstamm zu vernichten. Die Quest lag nur darin, dass wir dieses Dorf halten und keine Zivilisten sterben. Allein das sollte uns eigentlich schon zu denken geben, dass es nicht so einfach wird, wie dieser Trullus und anscheinend ja auch du es glauben mögen“, antwortete Magnifus.
„Hey, hey, du kennst mich doch, Mag. Ich liebe es viel zu sehr andere Leute anzustacheln, als dem Streit mit solch einem Vollidioten widerstehen zu können.“
„Schon klar, was du meinst“, nickte Magnifus und dachte nach.
Salamander spielte nach außen hin gerne den aufbrausenden Idioten vom Dienst, aber in der Schlacht selbst, war er sehr diszipliniert. Er war einer der aufstrebenden Feuermagier der Gilde und wenn er so weitermachte, würde er bald eine Chance bekommen dem Trupp des Gildenanführers beizutreten.
Aber selbst mit ihm und Zelia sah Magnifus für den Erfolg der Quest zurzeit schwarz. Die Söldnertruppen aus Waldenstadt waren eine herbe Enttäuschung gewesen. Natürlich gab es einige Ausnahmen. Es waren nicht alles Spielerinnen, die nichts drauf hatten. Aber er bezweifelte, dass eine Durchschnittsspielerin mit Level 18 genug Erfahrung gesammelt hatte, um in einem Gefecht dieser Größenordnung von Nutzen zu sein.
Ein Monster oder gar eine kleine Gruppe von circa zwanzig Exemplaren, war die übliche Größenordnung beim Farmen.
Diesmal mussten sie jedoch gegen humanoide Kreaturen bestehen, die Waffen mit sich führten und allem Anschein nach taktisch klug vorgingen.
Allein dieser Punkt bereitete ihm in der Ausarbeitung eines Plans enorme Schwierigkeiten. Er wusste immer noch nicht, mit wem oder was er es eigentlich zu tun hatte…
War es ein Schamane, der die Goblins anführte? Eine Art Kriegshäuptling? Oder gar ein Spieler, der eine Quest bestehen wollte?
Magnifus schüttelte den Kopf, vorerst konnte er nur spekulieren.
Und dann war da ja auch noch dieses Orakel Angel Eye…
Sie war tatsächlich schon Level 27 und das ohne größere Gilde, die sie unterstütze. Soweit er wusste, war das beste Orakel der Gilde erst Level 26!
Wie zum Henker hatte sie das bloß geschafft?
Und sie konnte viel erzählen, aber er glaubte ihr nicht, dass sie nur hier war, weil sie einen Spieler suchte…
Hoffentlich ergab die Rückfrage an die Gilde etwas. Er würde sich viel wohler fühlen, wenn er sich irrte und sich hier tatsächlich noch vor kurzem ein hochleveliger Spieler aufgehalten hatte.
„Was ist los?“, riss Salamander ihn plötzlich aus seinen Gedanken.
Scheinbar war er stehen geblieben, ohne es bemerkt zu haben.
„Nichts“, sagte er an Salamander gewandt und schloss schnell zu ihm auf. „Wir sollten uns vorbereiten. Es wird Zeit, dass wir bei der Befestigung des Dorfes helfen.“
„Wie du meinst, Boss!“, rief Salamander salutierend aus und Magnifus schüttelte grinsend den Kopf.
Siegessicher grinsend schritt Makara durch die Gänge und Höhlen, während sich überall die Goblins für die entscheidende Schlacht ausrüsteten. Es würde noch ein paar Stunden dauern, bis die letzten Goblins den Erwachsenenstatus erreichten. Aber dann würde er endlich über eine Armee von mehr als dreitausend Goblins verfügen, die blutdurstig darauf wartete sich in die Schlacht zu stürzen.
Jetzt gab es nur noch eine letzte Sache zu erledigen…
Nervös betrat er seine kleine abgetrennte Höhle, die ihm als Quartier diente, solange er mit dem Goblinstamm lebte. Die Höhle war natürlich leer, denn bisher befand sich hier noch kein Gegner, den es zu bekämpfen galt. Es war vielmehr das, was er im Begriff zu tun war, was ihn nervös machte.
Auf einem Felsvorsprung lag die Schatulle mit dem geheimnisvollen Ritual, welches er nun ein weiteres Mal ausführen musste.
Geduldig prägte er sich alle Schritte erneut gut ein und wartete auf sein Opferlamm.
Wie angefordert, fand sich wenig später eine Goblinfrau in seiner Höhle ein. So jung wie sie aussah, noch halb ein Kind. Genauso, wie es der Dämon Mara präferierte.
Mit Gesten wies Makara die Goblinfrau an, ihre Kleidung abzulegen und sich vor ihm hinzuknien. Ohne zu fragen und mit Ehrfurcht in den Augen kam sie seinen Anweisungen nach und Makara musste mehrere Male tief durchatmen.
Beim ersten Mal hatte er das Ritual mit einem Schwein durchgeführt. Diesmal musste es aber zwingend ein Goblin sein… In diese menschenähnlichen Augen zu gucken, kurz bevor man die Frau schlachtete… Irgendwie fühlte sich das so falsch an…
Dennoch… es musste sein.
Sich selbst Mut machend, positionierte er sich vor der Goblinfrau und begann den Singsang, der das Ritual initiierte.
Als er an der entscheidenden Strophe angekommen war, zückte er das Zermonienmesser, welches er durch die alten Pergamentseiten gefunden hatte und stach es frontal in den Hals der Goblinfrau.
Ein Brechreiz stieg in Makaras Kehle auf, als er die verstörten und ängstlichen Augen der Goblinfrau sah, während ihr Blut über das Messer und seine Finger lief.
Mit Gewalt schluckte er den Ekel hinunter und nahm seinen Singsang wieder auf. Mit jedem Wort aus seinem Mund, wich das Leben ein Bisschen mehr aus dem Körper der Goblinfrau, bis sie schließlich beim letzten Wort von seiner Messer sackte und in sich zusammenfiel.
Dann herrschte absolute Stille in seiner kleinen Höhle.
Das Fehlen jeglicher Umgebungsgeräusche war unerträglich und Makara fragte sich schon, ob er alles richtig gemacht hatte, als er plötzlich eine lüsterne, dunkle Stimme vernahm: „Hach… das Blut einer jungfräulichen Kreatur… Du bist wirklich zu herzallerliebst…“
„Ich habe mich nur bemüht, euren Wunsch zu erfüllen, Meister“, sagte Makara die Worte auf, die er sich extra eingeprägt hatte.
„Oho… da er erinnert sich also noch jemand an unsere letzte Unterhaltung. Es freut mich erneut von dir zu hören, Makara.“
„Ganz meinerseits, Meister.“
„Nun denn… ich sehe, du hast deine Aufgabe fast erfüllt und mich im rechtzeitigen Moment gerufen. Die erste Armee der Unterwelt hat Form angenommen. Ich stehe zu meinem Wort, Makara. Sobald du über dreitausend Goblins verfügst, werde ich dir meine Macht zu Teil werden lassen. Nimm innerhalb der nächsten zwei Tage das Dorf Belu ein und führe dieses Ritual mit dem Blute der Dorfbewohner aus.“
Makara sah, wie sich vor ihm mehrere alte Pergamentseiten materialisierten und sich gleichzeitig ein neues Benachrichtigungsfenster öffnete.
„Solltest du deine Aufgabe erfolgreich ausführen, werden wir gemeinsam das Tor zur Hölle öffnen und Feuer und Verderb über die Welt der Menschen bringen. Und Makara… Enttäusche mich nicht!“
„Selbstverständlich nicht, Meister!“, rief Makara sofort, bekam jedoch keine Antwort mehr. Vorsichthalber wartete er noch einen Moment, ehe er sich aufmerksam seinem Benachrichtigungsfenster widmete und die neue Quest samt der neuen Fähigkeit studierte…
Nach kurzem Lesen weiteten sich Makaras Augen und für einen Moment zitterte er am ganzen Leib vor freudiger Aufregung, ehe er in schallendes Gelächter verfiel.
Niemand würde ihn mehr aufhalten können!
Teil 1/1!
Bis Donnerstag!
RiBBoN