Es sollte sich herausstellen, dass seine Bemerkung der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte.
„Perversling!“, schrien gleich Mehrere.
„Du Bastard, grabsch gefälligst nicht Xukun an!“
Xukun selbst, begann unterdessen hysterisch an zu schreien und schlug wie wild geworden auf ihn ein, während sie sich verzweifelt bemühte Abstand zwischen sich und Bahe zu bringen.
„Helft ihr auf, bevor der fucking Ausländer die Situation noch mehr ausnutzt“, schlossen sich andere Stimmen an und Bahes dröhnender Schädel fühlte sich bei all dem Lärm so an, als ob er von einem Vorschlaghammer malträtiert wurde.
Mehr instinktiv als wirklich beabsichtigt hielt sich Bahe die Arme vor sein Gesicht, um weitere Schläge Xukuns abzuwehren, die erst abließen, als Bahe sie nicht mehr auf sich verspürte.
Denn obwohl inzwischen wieder Licht in seine Augen fiel, drehte sich noch alles um ihn herum und verschwamm zu einem einzigen Brei aus farbigen Schlieren, während ein Gefühl der Übelkeit in ihm aufstieg.
„Bahe! Bahe, geht es dir gut?“, durchbrach in diesem Moment eine besorgte Stimme das Chaos der übellaunigen Beobachter, die Bahe erst ein paar Sekunden später Muning zuordnen konnte. „Bahe? Bahe, hörst du mich?“
„Ja…“, keuchte Bahe immer noch benommen. „Ich höre dich.“
„Kannst du dich hinsetzen?“
„Ich glaube schon“, meinte Bahe und versuchte sich aufzurichten, bereute es aber sofort. Seine sich gerade klärende Sicht verschwamm sofort wieder und für einen Moment wusste er nicht mehr, wo im Raum er sich befand. Er fühlte sich durch die Luft schweben, obwohl er sich sicher war, dass er gerade noch auf dem Boden gelegen hatte.
Dann spürte er ein paar Hände an seinen Wangen, die einen unüberwindbaren Druck auf ihn ausübten und ihn sanft zu Boden drückten.
„Bleib liegen, Bahe“, hörte er Muning sagen. „Ein Arzt wird sich deinen Kopf ansehen müssen.“
„Nein“, krächzte Bahe, dem nur durch den Kopf ging, welche Kosten auf seine Familie zukommen würden. „Kein… Arzt…“
„Ist ok… kein Arzt…“, meinte Muning beruhigend und flüsterte dann ganz leise in Bahes Nähe.: „Aber jetzt bleib ruhig liegen und täusche am besten vor, dass du bewusstlos bist.“
Als ob er das groß vortäuschen müsste, dachte Bahe, der von Sekunde zu Sekunde mehr damit zu kämpfen hatte, wach zu bleiben.
„Hey Muning, was kümmerst du dich noch um diesen Sohn einer Schildkröte?“, rief plötzlich jemand.
„Mal ernsthaft, wie kannst du dich zu so etwas herablassen?“, verlangte jemand anderes zu wissen.
„Spinnt ihr jetzt total?!“, entfuhr es Muning entgeistert.
„Arg…“, stöhnte Bahe bei der Lautstärke und hielt sich den schmerzenden Kopf, während die Geräusche um ihn herum immer dumpfer wurden.
„Muning, ist dir eigentlich klar, dass er mich begrapscht hat? Mich?!“, hörte Bahe Xukun noch aufgebracht kreischen.
„Und ist dir eigentlich klar, dass du beinahe mit dem Kopf gegen das Geländer gekracht wärst und er das verhindert hat?“, rief Muning ihr wütend entgegen. „Sieh ihn dir doch mal an! Er ist kaum bei Bewusstsein und hat eine stark blutende Platzwunde am Hinterkopf!“
„Ich soll mich also begrapschen lassen, nur weil er versucht hat den Helden zu spielen?“, schrie Xukun ihren Zorn heraus. „Er hat meinen Körper mit seinen dreckigen Fingern entehrt! Soll er doch seine Vorfahren der letzten achtzehn Generationen ficken und…“
Mehr hörte Bahe nicht mehr, als die Dunkelheit ihn letztlich völlig umfing und Bahe sich beinahe erleichtert hinein fallen ließ.
„Arg…“, stöhnte Bahe, als er erwachte. Sein Kopf pochte immer noch furchtbar von auf- und abebbenden Wellen stechender Kopfschmerzen.
Als er versuchte sich zu orientieren, fiel ihm zunächst die befremdliche Decke über ihm auf. Hatte er nicht im Treppenhaus gelegen? Wo war er denn jetzt gelandet?
Vorsichtig drehte er den Kopf ein Wenig und erkannte zu seinem Entsetzen, dass er in einem Krankenhausbett lag.
„Bahe, du bist wach!“, vernahm er einen erleichterten Ausruf und entdeckte seine Mutter und Großmutter zu seiner Linken, wie sie sich hektisch auf ihren Stühlen nach vorne beugten.
„Was ist passiert?“, fragte Bahe.
„Du hast eine ganz schön ordentliche Gehirnerschütterung, junger Mann“, erklang die Erklärung unerwarteter Weise von Bahes Rechten, wo er eine Ärztin mit einem geöffneten Prophone stehen sah, die seine Werte offensichtlich in irgendeiner App eintrug.
„…“, Bahe brauchte einen Moment, um die ganze Situation sacken zu lassen und stieß dann mit Tränen in den Augen hervor: „Es tut mir leid… Ich weiß nicht, wie wir das hier jemals bezahlen sollen…“
„Bahe“, ergriff seine Mutter schnell seine Hand mit einem gequälten Lächeln. „Diese Klinik kostet uns gar nichts.“
„Wie… wie das?“
„Dein Freund da drüben“, erklärte seine Großmutter und deutete mit einem Nicken zur einzigen Tür des Raumes, wo Muning mit zwei Erwachsenen, die Bahe nicht kannte, eindringlich diskutierte. „Er hat alle Kosten auf sich genommen.“
„Und wir befinden uns hier nebenbei gesagt auch gar nicht in einem öffentlichen Krankenhaus, sondern in einer Privatklinik“, bemerkte die Ärztin von der anderen Seite an. „Ohne deinen Freund wärst du hier wahrscheinlich nie behandelt worden.“
Bahe blickte zwischen der Ärztin und seiner Mutter und Großmutter hin und her. Letztere nickten lächelnd, obwohl sie insgesamt auch schuldbewusst drein blickten. Bahe war klar, dass sie alles andere als angetan von der Tatsache waren, dass sie jemand finanziell unterstützen musste.
„Schau mal bitte zu mir“, bat die Ärztin und Bahe wandte ein Bisschen zu schnell den Kopf, was direkt eine neue Welle des Schmerzes verursachte.
„Arg…“, gab er zischend von sich und schloss kurz die Augen.
„Du wirst noch eine ganze Weile starke Kopfschmerzen haben“, meinte die Ärztin daraufhin wissend. „Vorerst solltest du es vor allem langsam angehen lassen, das wird helfen. Schnelle Bewegungen sind Gift für deinen momentanen Zustand, verstanden?“
„Ja.“
„Gut“, nickte die Ärztin und erklärte weiter: „Außerdem ist für mindestens drei Tage nur Duschen ohne Kopf angesagt. Die Platzwunde an deinem Hinterkopf musste genäht werden, da darf vorerst kein Wasser dran kommen. Den Verband werden wir aber voraussichtlich schon Morgen wieder abnehmen können. Mal sehen.“
„Ist es schlimm?“, fragte Bahe verunsichert.
„Nichts, was sich nicht wieder von selber geben wird“, meinte die Ärztin. „Du hast aber verdammt großes Glück gehabt. Zur Sicherheit wirst du bis Morgen Mittag noch bei uns bleiben müssen. Dann sehen wir weiter.“
„Wird eine Narbe zurückbleiben?“, fragte Bahes Mutter.
„Da kommt er nicht drum herum“, antwortete die Ärztin und meinte mit einem Lächeln. „Aber da seine Haare dort wieder nachwachsen werden, sollte sie bald nicht mehr zu sehen sein.“
Danach verabschiedete sie sich und verließ das Zimmer.
Als sie verschwunden war, versuchte sich Bahe daran die Stimmung aufzulockern und meinte gequält: „Verstehe ich das richtig, dass die Ärzte um die Wunde die Haare weg rasiert haben?“
„Versuche erst gar nicht vom Thema abzulenken!“, entrüstete sich seine Mutter. „Hast du eigentlich eine Ahnung, welche Sorgen wir uns gemacht haben, als wir von der Schule angerufen wurden?“
„Sorry…“
„Hah…“, entfuhr es seiner Mutter genervt, ehe sie sanft sagte: „Du bist so hilfsbereit wie dein Vater. Aber nicht immer ist das etwas Gutes, Bahe. Manchmal musst du auch an dich selbst denken. Dein Freund Muning hat uns alles erzählt. Wenn du nicht dieses Mädchen vor Schlimmeren bewahrt hättest, wärst du vielleicht in der Lage gewesen dich besser abzufangen.“
„Sulin, es sieht so aus, als ob wir jetzt mit Munings Eltern reden können“, schaltete sich Bahes Großmutter ein und meinte: „Wir können gleich noch weiter reden, aber jetzt sollten wir uns bedanken.“
„Du kommst eine Weile alleine klar?“, fragte seine Mutter ihn noch und Bahe nickte nur vorsichtig.
„Gut, bis gleich, Bahe“, meinte seine Großmutter lächelnd und gemeinsam verließen die beiden Frauen den Raum.
Muning betrat direkt danach das Zimmer und kam auf Bahe zu.
Bahe überlegte fieberhaft was die richtigen Worte waren, um sich zu bedanken, bis ihm das breite Grinsen in Munings Gesicht auffiel.
Verwirrung ergriff von Bahe Besitz und Muning, der dies zu bemerken schien, lehnte sich an sein Bett und meinte drängend und breit grinsend: „Jetzt erzähl schon, wie haben sich ihre Möpse angefühlt?“
„…“
Teil 1/7!
RiBBoN