Bahe fielen beinahe die Augen aus, als dieser blau leuchtende Kerl erschien und ihm zum zweiten Mal innerhalb weniger Augenblicke das Leben gerettet wurde.
„Magnifus!“, riefen die wenigen Spieler zu Bahes Linken erleichtert, die als Einzige bisher seiner Aufmerksamkeit würdig gewesen waren.
Nun… zumindest erklärte dies, wen er da vor sich hatte, dachte Bahe, während er fieberhaft nach einem Versteck Ausschau hielt. Er machte sich nicht die Illusionen, dass er vor diesem Goblinanführer flüchten konnte, wenn er wollte. Aber ein Versteck zu finden, war vielleicht eine Option.
„Nun…? Sollen wir spielen, kleiner Dämon?“, richtete sich der Anführer dieser fremden Spieler zu voller Größe auf, ehe plötzlich eine seltsame Macht auf Bahes Körper lastete.
„Was zum…“, setzte Bahe noch zu sprechen an, bis ihn diese Macht mit voller Kraft erwischte und ihn bedingungslos zu Boden drückte. Ohne zu einer weiteren Regung fähig zu sein, fiel er vorne über. Ein Vielfaches der üblichen Schwerkraft schien ihn an Ort und Stelle auf den felsigen Untergrund zu pressen. Panisch und fast schon verzweifelt, mühte Bahe sich damit ab zu Atem zu kommen. Doch die Luft wollte einfach nicht in seine Lunge hinein. Zu groß war der Druck, der auf ihm lastete. Nach und nach traten die ersten Schadensmeldungen auf, als sein Körper bedrohlich zu knacken begann, an Stellen, wo es sich alles andere als gesund anhörte.
Nicht mal zu der kleinsten Bewegung fähig, blieb Bahe letztlich nur übrig, sich seiner Situation zu ergeben und zu versuchen seine Umgebung ins Auge zu nehmen. Was sich in Anbetracht der Tatsache, dass seine Nase gegen den Felsboden gedrückt wurde, erheblich schwieriger gestaltete als gedacht.
Aus den Augenwinkeln, konnte er sich gerade so ein Bild von der Lage machen. Der Gildenanführer als auch der Anführer der Goblinarmee schienen sich noch nicht vom Fleck bewegt zu haben. Wenn Bahe sich nicht täuschte, legte der Goblinanführer viel mehr fragwürdig den Kopf schief.
„Hehe…“, vernahm Bahe einen Moment später dessen spöttische Stimme. „Also eigentlich wollte ich ihn töten. Aber scheinbar willst du mir die Arbeit abnehmen?“
„Hmmm?“, gab dieser Magnifus von sich, während er vorsichtig darauf bedacht, seinen Gegner nicht aus den Augen zu lassen, leicht den Kopf Bahe zuwandte.
„Hmpf!“, schnaubte er anschließend verächtlich, ehe die schwer lastende Macht plötzlich abebbte.
Sofort zog Bahe lautstark Luft in seine Lungen und keuchte dabei schwer.
„So eine Schande…“, seufzte der Goblinanführer in der Nähe und fügte achselzuckend hinzu: „Ich werde seinem Leben trotzdem ein Ende bereiten, sobald ich mit dir fertig bin.“
Im immer noch halb benebelten Zustand nahm Bahe nur am Rande wahr, wie Magnifus nicht auf seinen Gegner reagierte. So bemerkte er die Hand von Magnifus nicht, welche nach seinem Kragen griff, ihn hoch riss und in einer flüssigen Bewegung davon schleuderte.
Im ersten Moment blinzelte er verblüfft, bis er registrierte, dass es die Zugluft war, die da so an seinen Ohren vorbei pfiff.
„Hast du sie nicht mehr alle oder was?!“, schrie er sich im nächsten Moment frustriert die Seele aus dem Leib, ehe er mit voller Wucht, Geklirre und gedämpften Stöhnen auf mehrere harte Gegenstände traf. Dann wurde alles schwarz um ihn.
Nachdem Magnifus diesen Wicht davon geschleudert hatte, vollführte er schnell einen Ausweichschritt schräg nach hinten und brachte gerade noch rechtzeitig seinen Schild aus blauem Licht vor sich in Anschlag. Keinen Moment später klirrte die Klinge des Goblinanführers dagegen.
„Mich zu ignorieren kann schwerwiegende Folgen für dich haben“, grinste sein Widersacher hämisch, ehe er mit einem Satz nach hinten plötzlich verschwand.
„Dämonen… wie ich dieses Pack verabscheue!“, spuckte Magnifus erhaben aus. Er würde diese Kreatur spüren lassen, was wahre Höllenqualen waren.
„Wo ist er…?“, murmelte er abfällig und suchte nach dem Goblinanführer.
Ein grausiges Lachen erhob sich mitten in der Goblinarmee, als der Goblinanführer dort wieder in Erscheinung trat und sich rote und schwarze Wolken hinter ihm erhoben.
„Das wagt er nicht!“, rief Magnifus lauthals und setzte sich augenblicklich in Bewegung, während sich seine erhabene Miene wutentbrannt verzerrte. Dieser Parasit hatte allen Ernstes vor, noch mehr seiner Art in SEINE Welt zu holen?
„Höllentor!“, schrie der Goblinanführer jedoch sofort im Anschluss hinaus und ließ seine Hände auf den Boden krachen.
„Argh!“, machte sich Magnifus wütend Luft und schlug den Schaft seines leuchtenden Speeres auf den Boden.
Wieso war er bloß an diesen sterblichen Körper gebunden! Früher hätte solch ein jämmerlicher Wurm nicht einmal gewagt den kleinen Finger in seiner Gegenwart zu heben und nun sowas!
Erbost darüber, dass dieser kleine Dämon ihn regelrecht vorführte, bleckte er die Zähne und lud seinen Speer mit seiner Macht auf.
Mal sehen, was er davon hält, dachte Magnifus, während erneut eine machtvolle Aura aus ihm hinausströmte und die wenigen verbliebenen Spieler um ihn herum zurückweichen ließ.
„Hol ihn dir, mein Seelenfresser!“, murmelte er, ehe er dem Goblinanführer mit voller Wucht seinen Speer entgegen schleuderte.
Der Speer, aus blauem Licht, flog davon wie ein Geschoss und hätte den Goblinanführer mit Sicherheit durchbohrt, wenn nicht plötzlich zahlreiche Goblins in den Weg sprangen und sich für ihren Anführer opferten.
Siebzehn Goblins wurden niedergerissen, bis der leuchtende Speer schließlich im achtzehnten Geschöpf stecken blieb.
„Nein!“, ereiferte sich Magnifus unter lautem Wutgeschrei und eine Welle der Macht brandete aus ihm hervor.
Er war ein Kaiser! Er war geboren um zu herrschen und so ein kleiner Dämon widersetzte sich ihm?! Ihm?!
„Raus aus meinem Kopf…“, murmelte eine leise Stimme, die Magnifus wenig später als die eigene erkannte.
„Wieso sollte ich?“, schnaubte Magnifus als Antwort. „Ich bin der Kaiser!“
„Und ich beherrsche dich!“, kam die trotzige Antwort wieder aus seinem eigenen Munde.
„Das glaubst du doch selbst nicht“, lachte Magnifus auf, nur um im nächsten Moment zu erbleichen. „Was… das… das kann nicht sein!“, schrie er auf einmal hysterisch, als er den Moment seines Versagens in Sekundenschnelle erneut durchlebte.
„Ich sagte, ICH BEHERRSCHE DICH!“, schrie er plötzlich auf und die machtvolle Aura zog sich augenblicklich in seinen Körper zurück. Nach und nach wich die wütende Grimasse, die sein Gesicht beherrschte und machte Platz für seine üblichen, kühl gelassenen, Gesichtszüge.
„Fast eine Minute…“, murmelte Magnifus seufzend und ließ einmal seinen Kopf kreisen. „Immerhin schon besser als beim letzten Mal… Trotzdem… von zehn Minuten ist immer noch eine Minute meiner verbesserten Fähigkeiten verloren… Mist…“
„Magni, bist du wieder du selbst?“, brüllte Donnar fragend über das halbe Schlachtfeld.
„…“, Magnifus linke Augenbraue zuckte verdächtig, als er sprachlos zu seinem Gildenkameraden hinüber blickte. Wieso konnte der vorlaute Idiot nicht einmal den Mund halten. Er machte sich nichts aus Ruhm oder dergleichen, aber man musste ihn ja nicht gleich vor versammelter Mannschaft in Verlegenheit bringen…
Mit einem Blick zu den Soldaten fand er den Level-9-Spieler, der noch bewusstlos in deren Mitte lag und seufzte. Kampfunfähig war der Kerl wohl allemal. Sein anderes Bewusstsein brachte den eigenen Untertanen keinerlei Sympathie entgegen. Es hatte ihm mit Sicherheit nicht geholfen, weil er ein wertvoller Untertan war. Bei seiner… Rettung… ging es lediglich darum, das niemand außer ihm, über das Schicksal seiner Untergebenen entscheiden durfte. Dessen war sich Magnifus bewusst.
Dennoch war es merkwürdig, dass sich seine Ziele, mit denen seines anderen Bewusstseins, oftmals überschnitten. War er in seiner Bändigung schon weiter gekommen als er dachte?
Mit einem lauten Grollen erhob sich in dem Moment das unheilvolle Tor, welches der Goblinanführer heraufbeschworen hatte und Magnifus wandte seine Aufmerksamkeit schnell wieder den Dingen zu, die wirklich wichtig waren.
Das felsige Rahmen des Tors war von glühenden Gesteinsadern durchzogen, während sich der Zwischenraum zügig mit schwarzem Nebel füllte und plötzlich die erste Kreatur mit einem lauten Brüllen hinausrannte. Der ersten Kreatur folgten wenig später noch neunzehn weitere Exemplare. Alle Geschöpfe glichen der Gestalt eines Minotaurus. Ihr extrem großer menschlicher Körper war muskelbepackt und wurde von einem Stierkopf samt Hörnern geziert. Alle Stierdämonen trugen eine mächtige, doppelschneidige Schlachtaxt mit sich und stürmten in voller Geschwindigkeit auf die Reihen der Verteidiger zu.
„Sala, Zelia und Donnar“, brüllte er lauthals, um sich Gehör zu verschaffen. „Ihr übernehmt die Minotauren! Spart eure besten Fähigkeiten noch auf!“
„Wird gemacht, Boss!“, schrie Donnar begeistert darüber, endlich aktiv in den Kampf eingreifen zu dürfen.
„Bist du dir sicher, dass du gegen ihn ankommst?“, fragte Zelia skeptisch, die mit ein paar Einsätzen ihrer Fähigkeiten, neben ihm aufgetaucht war.
„Woher soll ich das wissen, wenn ich es noch nicht einmal probiert habe?“, grinste Magnifus. Es war eine Sache als Anführer zu agieren, aber diesmal juckte es ihn wahrlich selbst in den Fingern.
„Meine Fähigkeiten sollten zumindest gleichauf mit den Seinen liegen. Zumindest danach zu urteilen, wie mein anderes Ich sich in der kurzen Auseinandersetzung mit ihm geschlagen hat. Wahrscheinlich wird der Ausgang der Schlacht diese Konfrontation entscheiden und nicht mein Duell mit diesem Spieler“, erklärte er und fügte wenig später hinzu. „Deswegen ist es wichtig, dass ihr diese Schlacht für mich gewinnt und diese Dämonen in Schach haltet, verstanden?“
„Gut, wie du meinst“, nickte Zelia knapp und machte sich zusammen mit Salamander bereit den Dämonen zu begegnen.
„So…“, atmete Magnifus einmal tief ein und konzentrierte sich auf seinen Gegner, der doch tatsächlich glaubte, dass er sich unbemerkt in ihre Reihen schleichen konnte.
„Deine Seele ist längst markiert, du kannst dich nicht mehr vor mir verstecken…“, murmelte er die letzten Worte, ehe er in einen Sprint ausbrach, um dem Goblinanführer den Weg abzuschneiden, bevor er die Überreste der Verteidiger erreichte.
Blaue Flammen loderten in seinen Augenhöhlen auf und verschlangen jede Spur von natürlichen Augäpfeln, die irgendwann einmal da gewesen waren. Der Focus der lodernden Flammen lag einzig auf der halbschwarzen Seele seines Ziels, die sich schleichend durch die Reihen der Goblins bewegte, um den Verteidigern unbemerkt näher zu kommen.
Teil 1/2!
Bis Sonntag!
RiBBoN