Die Nahkämpfer der Goblins nahmen wieder an Fahrt auf, bis sie knappe fünfzig Meter vor ihnen plötzlich in einen wilden Sprint ausbrachen.
„Bogenschützen der ersten Reihe, nehmt die Nahkämpfer ins Visier! Wartet ab, bis sie fünfzehn Meter vor uns sind“, verlangte Magnifus und rief weiter: „Auf meinen Befehl ducken sich alle, um das Schussfeld freizugeben.“
Vierzig Meter…
Dreißig Meter…
Fünfundzwanzig Meter…
„Jetzt, alle runter!“, schrie er schnell und die gesamten ersten drei Reihen gingen augenblicklich in die Hocke. Die Pfeile der Bogenschützen zischten über ihren Köpfen hinweg und brachten knapp fünfzig Goblins zu Fall, während die dahinter nachströmenden Goblins durch ihre fallenden Kameraden ins Stolpern gerieten.
Doch Magnifus beachtete das Ergebnis kaum.
„Aufstehen und für Aufprall bereitmachen!“
Sofort erhoben sich seine Gildenmitglieder, nahmen ihre Verteidigungspositionen ein und keine zwei Sekunden später prallten die ersten Goblins gegen die Schilde der ersten Verteidigungslinie.
Glücklicherweise hatte die Pfeilsalve einigen Schwung aus ihrem Ansturm genommen. Ansonsten wäre es wohl allein dadurch schon zu den ersten Verlusten gekommen.
„Haltet Stand, Männer!“, schrien die Kompanieführer der Nahkämpfer.
„Hey, was ist mit uns Frauen?“, beschwerte sich eine der wenigen Frauen unter den Nahkämpfern.
„Klappe Muskelprotz!“, verlangte ihr Kompanieführer und rief mit den anderen im Einklang: „Schildstoß nach vorn! Jetzt!“
„Hua!“, schrien fünfzig Kehlen gleichzeitig, während sie mit aller Kraft und unter Einsatz ihres Gewichts die Goblins von ihren Schilden stießen.
„Speerstoß!“
„Haaa!“, kamen die Speerkämpfer konzentriert ihrer Aufgabe nach und spießten die ersten Goblins auf.
„Speere zurück und Schilde wieder in Anschlag! Erste Reihe benutzt eure Äxte und Schwerter!“
Während vorne der Nahkampf tobte, versuchte Magnifus den Überblick über den Gesamtverlauf der Schlacht zu behalten. Seine Magier mussten noch immer ihre Schilde aufrecht erhalten, da die Goblinbogenschützen immer weitere Pfeile herab sausen ließen.
„Donnar, wie sieht es aus, hast du ihren Anführer gefunden?“
„Nein!“, rief dieser frustriert. „Die sehen alle gleich aus!“
„Nicht gut…“, murmelte Magnifus und wandte sich an den Anführer seiner Magier. „Wie lange könnt ihr die Schilde noch aufrecht erhalten?“
„Maximal noch 10 Minuten. Aber dann haben die meisten keinerlei Mana mehr für die Offensive“, antwortete er ihm.
„Donnar, ich brauche ein Ziel!“
„Ich weiß… scheiße verdammt!“, fluchte der Bestienzähmer erneut, bis er plötzlich lauthals schrie: „Moment, ich habe ihn! Der Goblin war wie die anderen Nahkämpfer verkleidet, aber es scheint ein Schamane oder so zu sein. Auf jeden Fall kann er zaubern. Verdammt! Er bereitet irgendeinen großen Zauberspruch vor! Entfernung, achtzig Meter gerade aus und circa fünfzehn Meter zu unserer Linken! Beeilung!“
„Ihr habt es gehört Bogenschützen! Bringt mir diesen verdammten Schamanen zu Fall, bevor er seinen Zauber vollenden kann! Pfeile los!“, rief Magnifus sofort, der Böses ahnte.
Doch es war zu spät.
Im gleichen Moment, wie die Bogenschützen ihre Pfeile schnellen ließen, fielen die Goblinnahkämpfer zu Magnifus Linken plötzlich zurück und ein gigantischer, orangeschwarzer Feuerball fraß sich in ihre Reihen.
Die zwei Schilde der nahen Magier konnten dem Zauber nicht im Geringsten standhalten und zerplatzten wie Seifenblasen, ehe die Flammen des Feuerballs ganze zehn Spieler verschlagen.
Nahezu gleichzeitig fand eine neue Pfeilsalve der Goblins ihr Ziel und nutzte die Lücke, welche der Feuerball in die Magierschilde gerissen hatte. Acht weitere Spieler wurden in Schulter, Brust, Armen oder Beinen getroffen und stöhnten grimmig auf.
„Alle verletzten begeben sich sofort nach hinten zu den Heilern!“, brüllte Magnifus.
„Tina und Mia, Wasserschilde hoch!“, rief der Magieranführer schnell. „Der Rest vergrößert die Schilde, um unsere Truppen zu schützen.“
Die Magier gehorchten sofort, schlossen entblößten Bereiche der Truppen und arbeiteten daran die Flammen zu löschen, was Magnifus einen Moment Zeit gab, um die Verluste einzuschätzen.
Die verbrannten Leichen seiner Gildenmitglieder lagen zwischen den Reihen der Überlebenden und ließen nicht nur ihn seinen Atem zischend einziehen. Der Geruch von verbranntem Fleisch lag in der Luft und die ein oder anderen Gildenmitglieder übergaben sich an Ort und Stelle.
Magnifus kam nicht umhin sich zu fragen, über was für eine Offensivkraft dieser Schamane verfügte, dass er einfach so seine resistenzstarke Fronlinie mit einem Zauber vernichten konnte.
„Haha, ja, der Schamane ist gefallen!“, rief Donnar plötzlich begeistert und öffnete wieder die Augen. Beim Anblick des verursachten Chaos in den eigenen Reihen, verschwand die Begeisterung jedoch sogleich wieder.
„Wenigstens etwas“, raunte Magnifus.
„Mag, der Feuerball war nicht normal. Das war nicht nur Feuermagie, sondern eine Fusion mit Dunkelmagie. Sonst wäre der Schaden niemals so katastrophal gewesen“, rief Bemil, der Anführer der Zauberer.
„Und was können wir dagegen machen?“
„Bis jetzt?“, meinte Bemil missmutig. „Noch gar nichts… Wir verfügen ja noch nicht mal über alle Elemente in unseren Reihen.“
„Wie zur Hölle sollen wir uns dann gegen sowas verteidigen?!“, fragte Magnifus niemand bestimmten und fluchte lauthals: „Scheiße!“
„Wir können nicht länger so passiv bleiben!“, wandte er sich danach augenblicklich an seine Gildenmitglieder. „Die Frontkämpfer der Goblins haben ihren Anführer verloren. Es wird Zeit, dass wir Unordnung in ihre Reihen bringen! Magier in Dreifachformation, rechte Seite Feuer und Luftzauber, linke Seite alle anderen Elemente. Alle anderen halten die Schilde! Offensivzauber auf meinen Befehl!“
„Ok ihr Affen, ihr habt Magnifus gehört! Schildstoß mit anschließendem Zwei-Schritt-Rückzug in die Hocke!“, riefen die Kompanieführer der Nahkämpfer.
Als ob es den Feuerball nie gegeben hätte, agierten die Gildenmitglieder mit erneuertem Kampfgeist einheitlich und verschafften so den Magiern die Möglichkeit, ihre Offensivzauber auf die Gegner zu schmeißen.
„Zauber los!“, schrie Magnifus sobald alle vorderen Reihen Platz gemacht hatten.
Was folgte war ein Barrage aus Feuerbällen, kleinen Luftstößen und Wirbelstürmen, Erdspießen und Eisspeeren, welche die Reihen der Goblins vollkommen unerwartet traf und nahezu augenblicklich dezimierte.
Von den ehemals dreihundert Goblins waren nur noch vereinzelte Exemplare am Leben, während andere, aufgespießt von Erd- oder Eisspeeren ihre letzten Atemzüge röchelten.
„Magier auch in die Hocke!“, befahl Magnifus. „Bogenschützen erledigt die restlichen Goblins.“
„Hehe, die erste Runde geht an uns“, meinte einer der Nahkämpfer, als der Pfeilregen der Goblins weiter oben abebbte. Scheinbar waren ihnen die Pfeile ausgegangen.
„Als ob so ein paar Goblins Spirit of Dawn niederringen!“, lachte ein weitere Nahkämpfer und auch einige der Anderen fielen zufrieden mit ein.
Magnifus war mit der Situation jedoch alles andere als zufrieden. Ihre Seite bestand aus einer gestandenen Armee, die lange für diesen Einsatz geübt hatte und trotzdem hatten sie bereits bei der ersten Welle mindestens zehn Spieler verloren. Wohlgemerkt bei einer Angriffswelle, welche ungewöhnlich leicht zu besiegen gewesen war.
Anfangs hatte er noch keinen Verdacht geschöpft, aber die Leichtigkeit mit denen die Magier diese annähernd zwei- bis dreihundert Nahkämpfergoblins letztlich vernichtet hatten, ließ ihn darauf schließen, dass sie entweder eine Ablenkung, ein Test oder gar beides gewesen waren.
Unheil ahnend blickte er zur rechten Seite hinüber. Dorthin, wo sich Trullus Truppen schlugen.
6. Teil!
RiBBoN