Die Anziehung, die Draco in den letzten Tag Potter gegenüber empfunden hatte, kippte in ohnmächtige Wut und Verzweiflung. Weshalb tat der Dunkle Lord so etwas? Wie konnte der gammlige Sankt-Potter sich in diesen gutaussehenden, eleganten Tyrannen verwandeln? Draco dachte an vertrauensvolle, graue Augen. Der Junge strahlte Potter jedes Mal an, wenn er sie zusammen sah. Theseus liebte und vertraute seinem Herrn. „Mylord, bitte hebt diesen Beschluss auf. Es war mein Fehler. Ihr braucht mich nicht mehr zu unterwerfen. Ich gehorche Euch“, bat er. Die Angst um den Jungen schmerzte ihn körperlich. Selbst wenn der Garten jetzt perfekt war, wenn etwas passierte…
„Meine Entscheidung ist gefallen. Jetzt komm her.“ Potters Unerbittlichkeit und Härte weckte Malfoys Widerwillen. So sehr er Harrys Berührungen genoss, so sehr widerstrebte es ihm jetzt sich anfassen zu lassen. Potters ausgestreckte Hand wies er stumm zurück, ein bisschen wie Potter einst seine Hand zurückgewiesen hatte. „Es handelt sich nicht um eine Bitte…“ Trotzig legte Malfoy seinen Kopf leicht schräg. Typisch. Diese Arroganz. Malfoy konnte ihn noch immer reizen. Selbst jetzt provozierte dieser Typ ihn. Er würde diesem Slytherinprinzen eine Lektion erteilen. Scheinbar gab seine Lordschaft nach. Sollte Malfoy ruhig denken, er käme damit durch. Die kommende Nacht versprach ein besonderes Erlebnis zu werden. Der Dunkle Lord entliess Malfoy mit einer knappen Geste.
Erleichtert schlüpfte Draco aus dem Privatgemach. Zwar verspürte er deutlichen Hunger, dennoch führte ihn sein Weg in die Kerker. Ihn überkam das Bedürfnis nach dem Kind zu sehen. Selbstverständlich würde Theseus unter Snapes Aufsicht nichts geschehen, trotzdem war da diese Sorge.
Sie arbeiteten konzentriert im Tränkelabor - ein wirklich schönes Bild. Snape entwickelte einen hochpotenzierten Heiltrank gegen chronische Bronchitis und der Zwölfjährige an einer einfachen Salbe gegen Pickel. Draco blieb einen Moment in der Tür stehen. Er sah einfach nur zu, erinnerte sich an den Tränkeunterricht seiner Schulzeit und Potters konsequentes Versagen in diesem Fach. Der Gedanke belustigte ihn und erfreute ihn auch. Snape schaute von seiner Arbeit kurz auf: „Du kannst das alte Sandwich aus dem Wohnzimmer haben. Ich esse es nicht mehr.“ „Danke, Master.“ Vor Theseus achtete Draco immer darauf, die Form genau einzuhalten. Alles andere erschien ihm zu gefährlich.
Das alte Sandwich war gerade eine Stunde alt und lag verlockend mit Schinken auf einem Teller. Bestrichen mit Dracos Lieblingssauce und mit Extrakäse schmeckte es einfach nur gut. Severus wusste, das Malfoy nicht immer die Gelegenheit bekam, etwas zu essen. Also ließ er sich öfter Kleinigkeiten servieren, die er speziell für Draco aufhob. Der Sklave durfte die Reste haben. Dieser Regelung hatte Potter zugestimmt. Snape reizte sie nicht aus und bewahrte den Schein. Gleichzeitig konnte er seinem Patensohn immer mal helfen.
Draco hörte Theseus Stimme dem Labor: „Professor Snape. Ich bin fertig.“ Snapes Antwort bestand aus der üblichen Kritik vermischt mit etwas Spott. Einen Moment befanden sie sich wieder in Hogwarts. Ein strenger Lehrer und ein unsicherer Schüler. Ein weiches Lächeln huschte über das Gesicht des Slytherins. Dann raffte er sich auf. Theseus kam aus dem Labor. „Kannst Du mir etwas über den sprechenden Hut erzählen. Ich habe davon gelesen. Es klingt sehr interessant.“, fragte er aufgeweckt. Draco schluckte kurz: „ Du weißt, doch das die Geschichte Hogwarts ein Geheimnis ist.“ „Bitte erzähl mir davon.“, bat der Junge. „Gut, wenn wir heute unsere Verwandlungsübungen abgeschlossen haben erzählte ich Dir von Salazar Slytherin, Rowena Ravenclaw und Helga Hufflepuff und dem sprechenden Hut.“, versprach der junge Lehrer. „Erzählst Du mir auch von Gordic Gryffindor? Lord Potter sagt, dass Gryffindors die Besten sind.“ Diese unglaubliche Begeisterung für Potter verlangte Malfoy alles ab. „Ja. Ich erzähle Dir auch von Gordic Gryffindor. Aber jetzt wird geübt.“
Sie gingen in das kleine Apartment von Theseus. Der Schüler zauberte den Menschen, denen sie unterwegs begegneten ein Lächeln auf das Gesicht. Ein bisschen wirkten sie wie zwei Brüder. Zusammen brachte sie die Magie von Hogwarts für einen Wimpernschlag zurück. Viele liebevolle Augen folgten ihnen durch die Korridore. Die fette Dame, die gerade ein anderes Bild besuchte, lächelte freundlich. Eigentlich mochte sie zwar keine Slytherins. Bei Draco machte sie jedoch eine Ausnahme und Theseus war einfach nur süß.
Das Verwandeln einer Nadel in ein Streichholz gelang Theseus auch nachdem dem zehnten Versuch nicht. Zum Glück hatte Draco viel Geduld, was das Lehren anging. Trotzdem ärgerte sich der Junge über sich selbst. Es wollte einfach nicht funktionieren, allerdings wollte er es auf jeden Fall schaffen. Schließlich schlug der Ältere eine kleine Pause vor. „Was hältst Du davon, wenn ich Dir erzähle, was der Sprechende Hut bei der Auswahl von Lord Potter gesagt hat.“ Damit war der Junge einverstanden. Draco setzte sich direkt gegenüber und begann:
„ Ihr denkt, ich bin ein alter Hut,
mein Aussehen ist auch gar nicht gut.
Dafür bin ich der schlauste aller Hüte,
und ist's nicht wahr, so fress ich mich, du meine Güte!
Alle Zylinder und schicken Kappen
sind gegen mich doch nur Jammerlappen!
Ich weiß in Hogwarts am besten Bescheid
und bin für jeden Schädel bereit.
Setzt mich nur auf, ich sag euch genau,
wohin ihr gehört - denn ich bin schlau.
Vielleicht seid ihr Gryffindors, sagt euer alter Hut,
denn dort regieren, wie man weiß, Tapferkeit und Mut.
In Hufflepuff dagegen ist man gerecht und treu,
man hilft dem andern, wo man kann, und hat vor Arbeit keine Scheu.
Bist du geschwind im Denken, gelehrsam auch und weise, dann machst du dich nach Ravenclaw, so wett ich, auf die
Reise.
In Slytherin weiß man noch List und Tücke zu verbinden
Doch dafür wirst du hier noch echte Freunde finden
Nun los so setzt mich auf nur Mut
Habt nur Vertrauen zum Sprechenden Hut!"