Narzissa stand noch lange auf dem Balkon, als die Repräsentanten des Ministeriums und des Schwarzen Schlosses sich schon längst zu einem lockeren Imbiss zusammen gefunden hatten. Sie blickte über den Park, der Malfoy Manor umgab. Der kurze Schreck, den Lucius Umarmung auslöste, ließ schnell nach. „Alle warten auf Dich, Liebes.“, tadelte er sie sanft und atmete ihren Duft tief ein. Er küsste ihren Nacken, wie er es immer getan hatte. Auch wenn ihre Ehe arrangiert worden war, hatte er sie vom ersten Tag an geliebt. Nach der Hochzeit hatte Lucius lange um seine Frau geworben. Ihre Zuneigung konnte er nur langsam erlangen.
„Draco wird Teil der Triade. Ich kann das noch immer nicht glauben.“, sagte sie, ohne sich nach ihm umzudrehen. „Es ist seine Bestimmung. Er hat den Dunklen Herrn stets begehrt. In dieser Verbindung findet er sein Schicksal.“, meinte leise in ihr Ohr. „Nichts schützt ihn vor Potters Leidenschaften. Ich habe Angst um ihn.“, gab sie zu und stützte sich auf die Brüstung des Balkons. „Komm bitte hinunter. Man wird uns vermissen.“ Da stimmte natürlich, dennoch wollte sie nicht zurück den Gästen. Trotzdem fügte sie sich ohne Widerworte.
Sie strich über den Ring mit dem breiten Smaragd, den ihr Lucius zur Geburt ihres Erstgeborenen geschenkt hatte. Er reichte ihr galant seinen Arm und führte sie die breite Treppe hinunter in den Empfangssaal. „Du bist wunderschön. Kein Wunder, dass unser Sohn der Schwarze Prinz dieser Triade wird, so elegant wie seine Mutter ist.“, flüsterte er ihr zu. Sie straffte ihre Haltung, wischte ihre Bedenken beiseite und lächelte leicht. In Gedanken setzte sie hinzu: „Bei der Macht seines Vaters ist die Schönheit nur ein Beiwerk.“ Lucius strotzte vor Stolz auf seinen Sohn. Draco vereinte in sich Unterwerfung und Hingabe. Von ersten Treffen mit Potter an hatte der Junge die Aufmerksamkeit des Dunklen Herrn gesucht. Lucius dachte an die Ohrfeige, die er Draco einst gegeben hatte, weil er Harry Potter als Partner in Erwägung gezogen hatte.
Der Dunkle Lord unterhielt sich mit Theseus und hörte ihm aufmerksam zu. „Wenn Du alt genug bist, werden wir darüber sprechen. Das Dunkle Mal ist eine große Ehre und Verpflichtung.“, sagte er freundlich. „Tragt Ihr auch eines Mylord?“, fragte der Junge interessiert. Potters Lächeln blieb im Gesicht und er legte mit einer knappen Geste die breite blitzförmige Narbe frei: „Ja. Ich trage dasselbe Schicksal, denn Macht bedeutet Verantwortung.“ Alastair Moody hörte dem Dialog interessiert zu. „Macht bedeutet Verantwortung. Verantwortung verlangt jedoch Gnade.“ Lord Potter nippte an einem Kaffee und fügte hinzu: „Wer hatte Gnade mit einem Auserwählten der Magie?“ fragte über den Kopf des Jungen hinweg. Alastair spürte Hitze in die Wangen steigen.
Einen Moment zitterte seine Hand leicht. Er stieß die Blumenvase mit der weißen Rose um, die auf dem Stehtisch stand. Der Dunkle Herr fing die Vase lässig auf. Er nahm die Blume in die Hand. Die Rose verlor ihre Blütenblätter, in dem Moment in dem er sie berührte. Moody hob die welken Blätter auf und hauchte sie an. „Die Triade führt Macht, Verantwortung und Gnade zusammen.“, sagte er ruhig. Die Blätter flogen zurück an die Rose. Theseus spürte sehr wohl, dass die beiden Erwachsenen nicht mehr ihm sprachen. Lediglich Lord Potters leichte Hand auf seiner Schultern hielt ab, höflich zu gehen.
Selbstverständlich gesellten sich Narzissa und Lucius zu ihren wichtigsten Gästen. Sie betrieben höflichen Small Talk, bis Narzissa die Anspannung nicht mehr aushielt. „Mylord Potter, auf ein Wort.“, bat sie vorsichtig. „Natürlich.“, sagte der künftige Schwiegersohn kühl. Er bot ihr seinen Arm. Sie spürte alle Blicke im Raum auf sich gerichtet. So würde es jetzt immer sein. Sie gehörte zur mächtigsten Familie Britanniens. Alle Augen würden ihnen folgen. Ihr Sohn würde in wenigen Wochen seinen eigenen Thron besteigen. Der Prinz Slytherin hatten sie ihn früher oft genannt. Der Prinz von Slytherin – ihr Sohn.
Sie gingen hinaus in den Park. Es war empfindlich kühl und nieselte. Das Wetter störte sie nicht. „Was möchtest Du, Narzissa?“, fragte der junge Lord und legte ihr einen Umhang um, den er irgendwoher gezaubert hatte. Sie wusste es selbst nicht richtig. „Liebt Ihr meinen Sohn?“, fragte sie schließlich in einem Anflug von Wahrhaftigkeit. „Kann ein Dunkler Lord lieben? Du hast Magie studiert.“ Sie sah ihm in die Augen und hielt der Kälte darin stand, ohne ihren Blick zu senken.
„Nichts brennt so heiß, wie die Liebe eines Schwarzen Magiers – ein Wahlspruch der Familie Malfoy.“, flüsterte sie leise in den Regen. Er blieb unlesbar. „Nicht jeder Schwarze Magier ist ein Dunkler Herr. In mir ist kein Licht.“, antwortete er. Immerhin belog er sie nicht, dachte sie. „Bitte verletzten Sie meinen Sohn nicht.“ Er versprach es ihr nicht, stattdessen führte er sie tiefer in den Park des Anwesens. Der Dunkle Herr behandelte sie respektvoll und achtsam. Sie verdrängte die Demütigungen, denen er sie ausgesetzt hatte. Dann fiel ihr auf, dass er nie zugelassen hatte, dass sich jemand an ihr verging. Eigentlich hatte er sie nicht einmal härter gefoltert. Vielleicht war das ein gutes Zeichen.
Er blieb vor einer Schaukel stehen und betrachtete sie still. Er dachte an den Jungen, der er gewesen war. Damals schaukelte er gern auf der rostigen Schaukel auf dem Spielplatz von Little Whinging. Ein knappes Lächeln erreichte seine Augen, schwand wieder ehe es bemerkt werden konnte. Er gewährte Narzissa einen Augenblick seiner Gunst: „Ich werde es versuchen.“ Das war weit mehr, als sie zu hoffen gewagt hatte. Die kalte Feuchtigkeit kroch in ihre Kleider. Sie fror. Trotzdem schritten sie tiefer in das kleine Wäldchen kurz vor der Grundstücksgrenze. Sie erkannte, dass er sie zu dem uralten Lebensbaum geführt hatte.
Draco spielte in seiner Kindheit sehr oft hier. Lord Potter hob einige Zweige beiseite. Sie sah eine kleines Symbol, dass jemand vor Jahren in den Stamm geschnitzt hatte. Ein D und ein H verschlangen sich in einander. Um die Buchstaben wand sich ein Drachen, der dem im Wappen des Dunklen Herrn glich. „Er leidet an mir.“, sagt er schlicht. Dann kehrten sie schweigend um.