Als Jayden landete, waren die Aufständischen bereist entwaffnet. Veath Makami stand neben den Gefangenen, die in zwei ordentlichen Reihen auf dem Boden knieten. Ihre Waffen lagen auf einem Haufen an der Seite. Es war eine magere Ausbeute, primitiv und traurig.
Der Quetzal landete und Anthony Jayden stieg ab. Nokori folgte ihm, doch kaum auf dem Boden angelangt, wurde sie blass. Totenbleich.
Jayden glaubte, es läge an dem Anblick ihrer besiegten Freunde, doch Nokori fixierte nur einen aus der Gruppe. Den, für den sich auch Jayden interessierte.
„Thanatos!“, hauchte Nokori.
Der kräftige, schwarzhäutige Mann sah auf. Seine Augen verengten sich leicht. Jayden konnte erkennen, dass Thanatos die unteren Augenlider hob, ein sicheres Zeichen, dass er das Mädchen mochte.
„Nokori. Ich hatte mich schon gefragt, wo du bist.“
„Ich habe dich gesucht“, antwortete sie schwach und bestätigte damit nur Jaydens Verdacht.
Er nickte zu den Gefangenen. „Dann geh zu ihnen, Nokori.“
Sie starrte ihn an, dann senkte sie den Kopf und kniete sich ohne Wiederworte in die hintere Reihe. Nun knieten zehn Menschen aus dem schlammigen Waldboden, Thanatos vorne in der Mitte. Anthony trat vor ihn.
„So sehen wir uns wieder.“
„Es scheint so“, gab Thanatos zurück. Er stand auf, ohne sich um Veath Makami zu kümmern, die nach ihrer Waffe griff. Thanatos überragte Jayden um anderthalb Köpfe. Trotzdem empfand Jayden keine Angst.
„Was hast du so getrieben? Traurige Gestalten angesammelt, wie ich sehe.“
Thanatos atmete tief durch, seine Nüstern weiteren sich. „Es sind Menschen, Tony. Wesen mit Gefühlen und Bewusstsein.“
„Wird das wieder die alte Leier?“, fragte Anthony betont respektlos.
Thanatos nickte ruhig. „Du kannst sie nicht zu Rädern in einer Maschine machen und ihnen jede Individualität absprechen.“
„Als hättest du nicht das Gleiche getan!“, zischte die Jüngste der Gruppe, ein blasses, schwarzhaariges Mädchen mit großen Augen.
„Still, Lucy. Du weißt nicht, was Anthony Jayden alles getan hat“, meinte Thanatos, ohne sich umzudrehen. Jayden hob die Augenbrauen. Lucy? Das war das Genie, das Makamis Raptoren gestohlen hatte?
„Nun, wie viel Erfolg hattest du mit deinen fühlenden Wesen?“, spottete Anthony unberührt weiter. „Sieht mir nicht so aus, als ob ihr viel erreicht hättet.“
Thanatos sah ihn an, schwieg aber.
Jayden sprach weiter: „Ganz im Gegenteil, es scheint so, als wäre deine lächerliche Maschine auseinandergefallen. Wenn alles stimmt, was ich so gehört und mir zusammengereimt habe, dann haben sie dir eine Falle gestellt, sich untereinander bekriegt und schließlich aufgetrennt, nur um schließlich hier zu landen und jeder seinen eigenen, aussichtslosen Kampf an der Seite der anderen Gruppe zu führen – statt sich zu vereinen. Auch wenn ihnen das, zugegeben, auch nicht geholfen hätte.“
„Wir waren auf dem richtigen Weg“, sagte Thanatos, Schmerz schwang in seiner Stimme mit. „Es war ein besserer Weg als der, dem du folgst. Bitte, Tony, hör mir zu.“
Anthony schnaubte. „Nein! Nein, davon hatte ich jetzt wirklich genug! Die ganzen letzten Jahre hast du mir damit in den Ohren gelegen. Thanatos, ich weiß, was ich tue. Ich werde Erfolg haben und dann muss nie wieder jemand leiden.“
Thanatos schüttelte den Kopf, doch er schwieg. Stille senkte sich über die Gruppe im Wald, die Gefangenen, ihre Saurier, die Makami gefesselt hatte, und natürlich über Veath Makami und Anthony Jayden selbst.
„Es wird Zeit“, verkündete Jayden.
Er ließ den Blick über die Versammelten wandern. Es waren nur Thanatos' Gruppe, der flüchtige Pfleger und Veath Makami anwesend. Nicht mehr und nicht weniger als Jayden geplant hatte.
„Tony, nein!“, flüsterte Thanatos.
Jayden jedoch fixierte Nokoris Blick.
„Ich habe dir die Wahrheit versprochen, wenn du mich überzeugst. Und du hast mich überzeugt, davon, dass du alles für Thanatos tun würdest. Du würdest sogar deine Freunde für ihn sterben lassen, das größte Opfer von allen. Ich gebe dir die Wahrheit. Dir und allen anderen hier. Ihr habt sie verdient.“
„Anthony“, ließ sich Thanatos wieder vernehmen. „Tu ihnen das nicht an. Es ist der falsche Weg. Sie müssen -“
„Sei endlich still“, sagte Jayden ruhig. Er würde sich diesen Moment von niemandem zerstören lassen, nicht einmal von Thanatos.
„Ihr wusstet doch alles, dass etwas nicht stimmt“, fuhr Jayden fort und fing die Blicke der Versammelten auf. Er spürte ihre Angst. „Ich habt es gespürt. Verschwommene Erinnerungen. Wissen, das ihr nicht haben solltet. Ihr wusstet, dass es etwas vor diesem Ort gab. Doch ihr wusstet nicht, was.“
Aller Augen waren auf ihn geheftet. Sie alle hielten die Luft an. Anthony Jayden lächelte. „Es gab etwas vor der Insel. Ihr habt an einem anderen Ort ein anderes Leben geführt. Das große Geheimnis dieser Insel ist nicht einmal so spektakulär.“
Und dann war der Moment gekommen. Er sprach es aus:
„Ihr alle seid tot.“