CN: INSEKTEN, SPINNEN
☣Last Kids Standing☣: Kapitel 9
Inzwischen musste bereits der halbe Tag verstrichen sein, vermutete Shaun, als er anhand der gelegentlich durchdringenden Lichtstrahlen versuchte, die Tageszeit unter dem ewiggrünen Blätterdach zu bestimmen. Glücklicherweise hatte er daran gedacht, einen Kompass mitzunehmen, ansonsten hätte er sich innerhalb von Minuten verirrt. Sein Magen war nach der kurzen Zeit in der Siedlung schon wieder an regelmäßige Mahlzeiten gewöhnt und forderte jetzt vehement sein Recht ein. Der Junge seufzte. Zwar hatte er an sein Messer, an den bereits erwähnten Kompass und zwei volle Wasserschläuche mit Tiefenwasser aus dem Brunnen in der Siedlung gedacht. Ja, er hatte sogar Moonis Schleuder und die Munition aus geschnitzten Brechnuss-Kugeln dabei, auch wenn er damit nicht umgehen konnte. Doch leider befand sich nichts Essbares in seinem Gepäck. Gerade, als er sich vor seinem Aufbruch in das Küchenhaus schleichen wollte, waren zwei Baumhüter herangetorkelt gekommen. Lachend und singend hatten sie weitere Krüge mit vergorenem Nektar für diese dämliche Überlebensfeier geholt.
Genau in diesem Moment hatte Shaun es dort keinen Augenblick länger ausgehalten. Lieber hungrig als noch eine einzige weitere Minute bei diesen Irren. Zornbebend war er mit seinem Gepäck in die Stallungen marschiert, hatte den riesigen Tausendfüßler Keith bestiegen und war auf ihm davongeritten. Für Shaun bedeutete dies einen endgültigen Abschied. Er brauchte keine Menschen um sich herum, die den Verlust von anderen mit einem rauschenden Fest begingen, anstatt zu ihnen zu Hilfe zu eilen. Sie waren so sehr mit ihrer dämlichen Feier beschäftigt gewesen, dass sie es nicht einmal bemerkt hatten, wie er verschwunden war. Er bedauerte lediglich, Erika zu verlassen. Für die alte Lehrerin hatte er nach der kurzen Zeit bereits eine gewisse Verbundenheit, vielleicht sogar etwas wie Freundschaft empfunden. Doch auf den Rest dieser betrunkenen Dorf-Truppe konnte er getrost verzichten. Er würde jetzt seine Mooni retten!
Einzig und allein die Spinnmilbe Purzel hatte seine Abreise entdeckt. Aufgeregt zirpend war sie ihm nachgewuselt. Am Tor hatte sie ihn eingeholt, war ihm am Bein hochgeklettert und erneut unter seinem Shirt verschwunden. Dort kuschelte sie sich nun zufrieden schnurrend an seinen Bauch, während Shaun auf dem Reit-Tausendfüßler in östlicher Richtung durch den Urwald brach. Auch wenn es sich bei seinen beiden Begleitern nicht um Menschen handelte, fühlte er sich durch ihre Anwesenheit nicht gänzlich allein. Sie spendeten ihm Kraft und Trost in diesen schweren Stunden.
Um die Anzeichen für das Spinnennest nicht zu übersehen, lenkte er Moonis gewaltiges Reittier immer wieder in Schlenkern und Kehren durch den dichten Bewuchs. Drei Mal waren sie bereits auf einzelne Ameisenspäher getroffen. Vermutlich lag ihr Nest irgendwo in der Nähe. Zwar wusste Shaun nicht wirklich viel über diese Tiere, doch hatte er in der Vergangenheit mehrfach mit ihnen Bekanntschaft machen dürfen - und außerdem konnte er rechnen.
Diese roten Ameisen lebten früher, bevor es so schlimm geworden war, fast überall. Man sah sie im Sommer an jeder Ecke wuseln, wenn man auf den Boden blickte. Sie nisteten unter den Steinplatten im Garten, in alten Mauselöchern auf der Fußballwiese und sogar an seiner Schule im Geräteschuppen. Damals waren die Tiere harmlos gewesen - kleine, lästige Invasoren, wenn sie die heimische Vorratskammer entdeckt hatte. Heute jedoch waren es gnadenlose Mordmaschinen in der Größe von Wölfen, allerdings wesentlich gefährlicher als diese jemals gewesen waren. Mit ein oder zwei der schrecklichen Insekten kam der vegetarische Tausendfüßler Keith mit seinen gewaltigen Beißwerkzeugen spielend zurecht. Wenn allerdings einer dieser Späher, denen sie hier begegneten, in sein Nest zurückkehrte, konnte es geschehen, dass sie von Hunderten, wenn nicht Tausende von Ameisen gejagt wurden. Vor so eine Übermacht gab es kein Entrinnen. Daher hielt Shaun auch weiter Ausschau nach dem verräterischen roten Glitzern ihrer Leiber zwischen dem ewiggrünen Blätterwald.
Doch seit einiger Zeit war es ruhig um sie herum geworden. Verdächtig ruhig. Zu ruhig, um noch als normal zu gelten, dachte Shaun. Was hatte ihm die alte Lehrerin vor seiner Abreise geraten? Er solle auch auf die Abwesenheit von Ameisen achten, das waren ihre Worte gewesen, wenn er nach dem Spinnennest suchte.
Ameisen gab es hier scheinbar keine mehr. Bienen und andere Insekten auch nicht. Auch konnte er keine Spinnmilben, Wanzen oder andere vegetarische Tiere um sich herum an den Stämmen und Blättern entdecken. Allerdings sah er nun zu seiner Linken einen merkwürdigen, gelben Schimmer zwischen den gigantischen Wedeln eines Farns. Er lenkte Keith in einem Bogen unter die Pflanze und ließ ihn dann anhalten. Dann sackte Shauns Unterkiefer vor Verblüffung herab. Er wusste, wo er sich befand.
Dort hinter den Pflanzen stand Schloss Holte-Stutenbrock. Das Wasserschloss.
Zwar hatten die Zimmerpflanzen innerhalb des Gebäudes ebenfalls die Veränderung mitgemacht und waren ins Riesenhafte gewachsen. Sie hatten das Dach durchstoßen und einige Mauern durchbrochen. Doch ansonsten stand das gelbe Wasserschloss noch genau so friedlich inmitten seines nassen Grabens, wie Shaun es aus den Besuchen in seiner Kindheit kannte. Auch hier konnte er keinerlei Tiere entdecken. Allerdings sah er auch keine dieser Überreste, die die Spinnen laut Erika unter ihrem Nest liegen hatten.
Die Zugbrücke des Schlosses war nichthochgeklappt und Shaun überlegte, ob der dem Bauwerk einen kleinen Besuch abstatten sollte. Doch er verwarf die Idee schnell wieder. Es kostete nur Zeit. Er suchte Mooni. Sie war alles, was jetzt zählte und er würde sie kaum in diesen alten Mauern finden. Er musste weiter.
Ein Stück östlich von hier lag das ›Safariland Stutenbrock‹. Seine Eltern waren mehrmals mit ihm dort gewesen. Auch einige Schulausflüge hatten es schon dorthin gegeben. Neben dem Freizeitpark mit Karussells, einer Achterbahn, dem Indoorspielplatz und anderen Fahrgeschäften hatte es dort auch den namensgebenden Safaripark gegeben. Elefanten und Bisons, Nashörner und Löwen eigneten sich durchaus als Spinnenfutter, oder? Vielleicht hatten die achtbeinigen Monster auch am Anfang ihres Wachstums zunächst die Kaninchen und Erdmännchen, später dann die Flamingos und die Berberaffen verspeist, bis sie schlussendlich groß genug waren, um auch die restlichen Bewohner des Parks zu fressen.
Ja, dachte Shaun, wenn er eine Spinnekönigin wäre, er hätte genau an dieser Stelle sein Nest gebaut. Er war sich ziemlich sicher, dort im Safariland würde er die Heimat dieser gefräßigen Monster finden. Und damit auch Mooni. Er hoffte nur inständig, dass sie noch lebte, dass er nicht zu spät kam.
Jetzt, mit einem klaren Ziel vor Augen trieb er sein Reittier zu größerer Eile an.
Die Zweige und Blätter flogen nur so an ihnen vorbei, als sie weiter gen Osten preschten. Längst hatte Shaun sich an die seltsamen, schaukelnden Bewegungen des Tieres gewöhnt, so dass stets die Umgebung konzentriert im Auge behalten konnte. Als der Tausendfüßler klappernd über die Überreste eines Maschendrahtzaunes lief, bremste er dessen Lauf.
Sie befanden sich nun an der Grenze des Freizeitparks. Hier begann das Freigehege. Vom Sattel herab konnte er an einigen Stellen noch die verbogenen Überreste der Schienen erkennen, auf denen der Safarizug früher durch das Gelände gerumpelt war. ›Affenexpress‹ hatte er geheißen, erinnerte sich Shaun. Allerdings war die Umgebung seit seinem letzten Besuch hier ziemlich stark verändert. Aus der Savanne mit Büschen war ein dichter Urwald geworden. Die allgegenwärtigen Wurzeln hatten die Stahlschienen der Bahn zerrissen und verbogen, so das diese letzten, eisernen Überreste anklagend zwischen riesigen Pflanzen in Höhe wiesen.
Ein unangenehmer Geruch lag in der Luft. Es roch nach altem Kühlschrank. Nach einer Mülltonne, die zu lange in der Sonnenhitze gestanden hatte. Nach toten Mäusen, die schon wochenlang in Opas Falle klemmten. Kurz gesagt, es stank nach Verwesung und Tod.
Ganz in der Nähe musste das Spinnennest sein. Shaun hatte mit seiner Vermutung richtig gelegen. Irgendwo hier war Mooni! Einzig der Gedanke an sie war es, der ihn vorwärtstrieb.
Selbst der riesige Keith schien in dieser Umgebung angespannt. Seine unzähligen Beine klackerten jetzt zögerlich über Laub und Humus. Purzel zitterte leicht unter Shauns Shirt, verhielt sich ansonsten jedoch auffällig unauffällig. Vorsichtig durchquerten die drei das ehemalige Gelände des Wildparks.
Sie näherten sich langsam der Fläche, auf der früher Fahrgeschäfte und Attraktionen gestanden hatten. Jetzt war natürlich alles überwachsen. Der ekelerregende Geruch verstärkte sich. Shaun war sich sicher, dass sie sich dem Spinnennest näherte. Nun hieß es, bloß nicht auffallen. Er stieg vom Sattel und führte sein Reittier am Zügel weiter. Da die Spinnen bevorzugt von oben angriffen, hoffte er am Boden etwas weniger ... greifbar zu sein.
Schräg über sich im grünen Geäst bemerkte er einen riesigen, dunklen Schatten. Shaun duckte sich neben den Tausendfüßler und spähte vorsichtig in die Höhe.
Der Anblick war so bizarr, dass er einen Moment benötigte, um das Gesehene zu begreifen. Hoch über seinem Kopf hing, rosa und blau gestrichen, ein Kinderkarussell. Das Bild war so absurd, dass Shaun unwillkürlich kicherte. Noch vor einigen Jahren hatte er selbst in einem dieser Elefanten aus Fiberglas gesessen und den Knüppel während der Runden betätigt, um sein Gefährt in die Höhe steigen zu lassen. Jetzt allerdings fuhr damit kein Kind mehr. Die wild wuchernden Pflanzen hatten das tonnenschwere Gerät mit in die Höhe gezogen, es umschlungen und dort oben fixiert.
Dann bemerkte Shaun etwas anderes. Zwischen den Zweigen und Blättern rund um das Karussell waren fingerdicke, weiße Seile gespannt wurden: Spinnenfäden, oder eher Taue.
Hah! Also hatte er Recht! Das Nest befand sich hier irgendwo. Mooni musste ganz in seiner Nähe sein.
Kaum war ihm dies bewusst geworden, bemerkte er auch die dunklen Schatten, die sich achtbeinig dort oben durch das Blätterdach bewegten. Spinnen, das mussten diese schrecklichen Spinnen sein. Er strich dem Tausendfüßler über die Flanke - ein Zeichen, dass er sich ruhig verhalten sollte. Die Spinnmilbe unter seinem Shirt gab leise zirpende Laute von sich. Shaun schob eine Hand unter sein Kleidungsstück. Beruhigend kreisten seine Fingerspitzen über dem flauschigen, roten Körper, der sich ängstlich zitternd an seinen Bauch presste. Währenddessen beobachtete er konzentriert das rege Treiben über ihren Köpfen.
Diese riesigen, schwarzen Monster wirkten bei Tageslicht leider nicht weniger erschreckend als in der Nacht. Zwar war Shaun niemand, der früher beim Anblick einer Spinne gleich schreiend weggelaufen war, aber so ein Krabbelvieh auf der Hand hatte ihn doch zurückzucken lassen. Nun waren diese niedlichen Krabbeltierchen auf die Körpergröße eines ausgewachsenen Menschen angewachsen. Wenn sie ihre haarigen Beine ausstreckten, waren sie sogar größer als jeder SUV. Und genau diese Monster konnte er nun über sich herumhuschen sehen. Emsig trugen die Tiere längliche, weiße Pakete umher oder spannten neue Seile durch die Baumkronen. Ihre Beute, dachte Shaun, diese weißen Dinger in ihren Klauen waren Lebewesen. Er sah genauer hin und erkannte, dass Erika recht hatte. Einige dieser Bündel bewegten sich träge. Auch bemerkte er, dass sich die Spinnen mit der Beute im Gepäck stets alle in die gleiche Richtung bewegten. Das Nest, dort musste das Nest liegen, konstatierte Shaun. Sie bringen diese armen, verschnürten Bündel in ihre Vorratskammer. Dorthin mussten sie auch Mooni gebracht haben. Vorsichtig, jedes Blatt als Deckung nutzen, folge Shaun den Spinnen.
Auch wenn es ihm unmöglich erschien, steigerte sich der abscheuliche Geruch noch. Nach vielleicht 50 Metern schwanden die Pflanzen plötzlich und gaben die Sicht auf den ehemaligen Mittelpunkt des Freizeitparks frei. Inmitten von geborstenen Betonplatten ragte der Giraffentower schräg in die Höhe. Eigentlich hätte der Freefalltower aufgrund seiner Schräglage längst der Schwerkraft folgen und am Boden zerschellen müssen - doch unzählige, weiße Taue verbanden ihn mit den umliegenden Bäumen. Und ganz oben in diesem Geflecht befand sich eine riesige, weiße Kugel. Diese verdammten Spinnen hatten ihr Nest oben auf dem Freefalltower gebaut.
Shaun konnte sein Glück kaum fassen. An jedem anderen Ort hätte er vermutlich wilde Klettermanöver absolviere müssen, um das Nest zu erreichen. Doch hier befand sich an der Seite der Stahlkonstruktion eine Leiter, die bis ans obere Ende führte. Wahnsinn!
Er wies den Tausendfüßer an, hier am Rand des Urwaldes auf ihn zu warten. Keith blickte ihn kurz an, drehte dann den Kopf zur Seite und begann entspannt an einigen Grashalmen zu kauen. Schwieriger gestaltet es sich mit der Spinnmilbe. Purzel weigerte sich, Shaun zu verlassen. Entschlossen zirpend klammerte sie sich mit ihren sieben Beinen an ihm fest. Am Ende seufzte er ergeben.
»Na gut, dann kommst du halt mit. Aber beschwere dich später nicht, wenn du gefressen wirst.«
Das Tier schnurrte zur Antwort.
Shaun musste unwillkürlich grinsen. Er hatte das Tier ins Herz geschlossen und war insgeheim froh, nicht ganz alleine dort oben ins Zentrum der Spinnen zu gehen.
Der Platz rund um den Freefalltower war mit übelriechendem Abfall überfüllt. Er kämpfte sich durch kniehohe Berge von Spinnenkot und den unverdaulichen Resten ihrer verwesten Mahlzeiten. Es war schrecklich. Lediglich das Wissen, sein Ziel so dicht vor sich zu haben, ließ ihn durchhalten und weitermachen. Am liebsten würde er einfach weglaufen und sich übergeben. Oder auch andersherum. Immer wieder musste er stehenbleiben, da ihm durch die stechenden Ausdünstungen schwindelig wurde.
Irgendwann hatte er es dann doch geschafft. Er hatte den Fuß des Fahrgeschäfts erreicht, ohne das eine einzige Spinne auf ihn aufmerksam geworden und ohne das er ohnmächtig geworden und in den Abfall gefallen war. Shaun war mächtig Stolz auf sich. Lediglich ein feuchter Fleck am Shirt, auf Höhe seines Bauchnabels bewies, dass Purzel weniger Kontrolle über seine Körperfunktionen besaß.
Nach einem prüfenden Blick in die Höhe griff Shaun nach den Leitersprossen. Es war hier erstaunlich ruhig. Er hatte Wächter erwartet, die das Nest vor Räubern schützten. Doch die Spinnen schienen sich ihrer sehr sicher zu sein. Hier gab es in größerem Umkreis kein Leben außer ihnen, daher verzichteten sie vermutlich auch auf Wachen. Außerdem wäre kaum jemand so blöde, sich durch dieses Zeug am Boden zu kämpfen und dann noch in ihr Nest einzudringen. Keiner, außer Shaun.
Ohne nach unten zu blicken, erklomm er die Leiter. Sprosse für Sprosse zog er sich höher. Er kam schnell voran. Doch wenige Meter vor der riesigen Nestkugel musste er anhalten. Hier ging es nicht weiter. Drei dicke, weiße Spinnentaue versperrten ihm quer den Weg. Kurz überlegte er, ob er darüber klettern sollte. Doch schon eine zaghafte Berührung mit einer Fingerkuppe zeigte ihm, dass dieses Zeug so klebrig wie Sekundenkleber war. Die Haut seiner Fingerspitze verblieb am Seil, als er die Hand zurückzog. So kam er hier nicht vorbei.
Shaun zog sein Messer aus der Tasche. Vielleicht konnte er einen Teil der Taue durchschneiden. Schon für das Erste benötigte er fast eine halbe Stunde. Als das erste Hindernis endlich mit einem schnalzenden Laut riss, ging eine Erschütterung durch den gesamten Turm. Das ganze Metallkonstrukt begann ächzend zu wackeln. Shaun klammerte sich verzweifelt an der Leiter fest. Hoffentlich hörte das bald wieder auf. Er verfluchte seine Idee.
Über ihm ertönten schnarrende Laute. Eine Spinne schob ihren Körper aus einer Öffnung in der Kugel, keine zwei Meter entfernt.
Shaun erstarrte.
Unter missmutigem Zirpen und Schnarren drehte sich das riesige, schwarze Tier über ihm, presste seinen Hinterleib an die Sprossen und hangelte sich dann flink an einem anderen Spinnenseil entlang, wobei ihm ein weißer Strang aus dem Hinterleib entwuchs. Umgehend wurde die zerstörte Verbindung erneuert.
Shaun atmete auf. Das Tier hatte ihn nicht bemerkt. Vermutlich konnten die Spinnen tagsüber nicht gut sehen, was die nächtlichen Raubzüge auf die Menschensiedlung erklärte. Glück gehabt. Doch wie kam er nun dort oben hinein? Es waren lediglich noch zwei Meter, dann hätte er den Eingang erreicht. Doch er kam hier nicht weiter. Um die letzte Strecke zu überwinden, müsste er schon fliegen können.
Doch er musste dort hoch, irgendwie. Er musste einfach.
Wenn er Flügel hätte, dann würde er sich jetzt in die Lüfte erheben und dort oben ...
Das hätte er sich besser nicht wünschen sollen. Unter lautem Brummen kam plötzlich ein Schatten aus dem Urwald angerauscht. Er er wirklich begriff, was geschah, wurde Shaun von starken Greifern gepackt und von der Leiter in die Höhe gerissen. Ein Entsetzensschrei entwich seinen Lungen.
Panisch riss er den Kopf in den Nacken. Er baumelte am unteren Ende zweier Insektenbeine. Sie gehörten zu einem gewaltigen, langgestreckten Körper einer Libelle. Schillernde Blau- und Gelbtöne zeichneten irisierende Muster auf dem Insektenkörper. Die mit Zähnen und Wiederhacken versehenen Klauen hatte sich fest in seinen Rücken gegraben. Es brannte höllisch. Immer höher trug das Tier Shaun in die Luft und raste dann mit ihm ihn südliche Richtung über dem Blätterdach. Nun verlor Shaun doch sein Bewusstsein.