Alena Herz klopfte bis zum Hals, als Mondtänzer zu einem schnellen Sinkflug ansetzte… Es wurde immer kälter und dunkler. Bei einem kurzen Blick über ihre Schulter, sah die Frau erneut den gewaltigen Schattendrachen, welcher nun wieder den ganzen Himmelsraum einzunehmen schien.
«Schnell, schnell!» rief sie voller Angst, «sonst sieht er uns noch!»
«Dann halte dich jetzt gut fest!» rief Mondtänzer und verfiel nun in einen Sturzflug. Rasend schnell kam der dunkle Höhleneingang näher.
Alena unterdrückte einen entsetzten Schrei, denn es machte ihr den Eindruck, als würden sie sogleich an den Felsen zerschellen.
Doch Mondtänzer war ein geschickter Flieger und schoss kurz darauf in den dunkeln Höhleneingang hinein.
Alena atmete erleichtert auf und sprang von Mondtänzers Rücken. Hinter einigen Felsen versteckt, blickte sie vorsichtig nach draussen. Es wurde immer dunkler und dunkler und ein Schauder nach dem anderen, lief über ihren Körper.
Jeden Moment wartet sie darauf, dass das Ganze wieder vorbeiging, doch diesmal dauerte es viel länger als das letzte Mal.
Zu allem Unglück, kam nun auch noch Nebel auf und der Wind begann laut zu heulen. «Es ist irgendwie anders als das erste Mal,» flüsterte sie ihrem Drachenfreund zu. «Was geschieht da?»
Sie wagte sich noch etwas weiter vor und stellte fest, dass sich immer mehr Wolken über ihnen zusammenzogen und dann auf einmal…, begann es sogar zu schneien.
«Bei allen Drachengeistern!» flüsterte Mondtänzer. «Was geschieht da? Das habe ich bisher noch nie erlebt.»
Der Wind wurde immer heftiger, verfing sich pfeifend und heulend in den Felswänden und wirbelte die Schneeflocken, die nun immer zahlreicher wurden, wild umher. Es wurde mit der Zeit so schlimm, dass sich Alena und ihr Drachenfreund, ganz tief in die Höhle zurückziehen mussten um dem Sturm zu entrinnen. Als... auf einmal eine schreckliche, dröhnende Stimme über den Himmel scholl: «Hallo kleines Menschlein! Wo bist du, wo versteckst du dich? Zeige dich endlich und sei nicht so feige! Willst du wirklich den Untergang dieser Welt heraufbeschwören? Hallo kleines Menschlein! Stelle dich mir, dann werde ich vielleicht Gnade walten lassen…!
Alena gefror das Blut in den Adern. Sie war ganz sicher, dass diese unheimliche Stimme von Tenebris stammte. Konnte sie womöglich mit diesen Worten gemeint sein?
Auch in Mondtänzers Augen, spiegelte sich Entsetzen.
«Meint… diese Stimme mich?» wisperte Alena und merkte wie das nackte Grauen sie ergriff, «oder gibt es noch andere Menschen hier?»
«Nein, es gibt keine Menschen mehr hier. Schon ewig lange nicht mehr,» wisperte der blauweise Drachen zurück. «Du warst und bist noch die Einzige.»
«Aber… wie kann er mich meinen? Wie kann er wissen, dass ich hier bin?»
«Ich habe keine Ahnung, doch das Ganze gefällt mir gar nicht.»
«Aber… was kann ich tun?»
«Du darfst dich Tenebris auf keinen Fall ohne Vorbereitung ausliefern,» sprach Mondtänzer.
«Er… würde dich sogleich vernichten.»
«Aber… du sagtest doch selbst mal, dass ich mich ihm einst stellen muss.»
«Ja, aber ganz bestimmt nicht ohne jegliche Vorbereitung.»
«Doch wie bloss, kann ich mich auf so einen Kampf vorbereiten?» fragte Alena verzweifelt.
«Es ist sehr wichtig, dass du deine uralte Drachenmagie, wieder zurückerlangst.»
«Drachenmagie. Aber… wie soll das gehen? Ich habe keine Ahnung von jeglicher Art der Magie.»
«Sie schlummert in deinem Inneren. Du musst sie nur wieder zutage fördern.»
«Nein!» erwiderte Alena hysterisch und so laut, dass Mondtänzer den einen Zeh seiner Vorderklaue vor sein Maul hielt.
«Wir müssen leise sein. Es ist schon schlimm genug, dass Tenebris weiss, dass du hier bist. Du musst sofort zurück in deine Welt!»
«Aber, das kann ich nicht! Ich kann euch doch nicht im Stich lassen!»
«Du musst! Geh!» Alena blickte nochmals nach draussen. Der Schneesturm wurde immer heftiger und es war noch kein Bisschen heller geworden. Und wieder erklang diese unheimliche Stimme: «Hallo kleines Menschlein! Ich bin wirklich sehr enttäuscht von dir! Die letzte Nachkommin der Drachenmagier und nicht mal genug Mumm in den Knochen, um sich mir zu stellen! Na los! Sei mutig!»
Alena rang mit sich. Was sollte sie bloss tun?
«Du musst jetzt fort von hier!» sprach Mondtänzer erneut eindringlich.
Aber Alena war wie angewachsen. «Nein,» sprach sie und spürte auf einmal eine seltsame Entschlossenheit in sich. Sie dachte an das Erlebnis, dass sie damals mit Tenebris gehabt hatte, als sie wegen des Leberrisses das Bewusstsein verlor. An die wunderschönen Augen, die der Schattendrache trotz allem gehabt hatte. Auch an Mondtänzers Worte, dache sie: «Du musst endlich aufhören in Angst zu leben!» Und dann fasste die Frau einen denkwürdigen Entschluss!
Sie verliess die Höhle und rief durch die wirbelnden Wolkenmassen hindurch. «Also gut! Hier bin ich Tenebris! Was willst du von mir?» Dabei peitschte der Schnee ihr Gesicht und sie musste die Hand, zum Schutz, über die Augen halten. Der Sturm war so schlimm, dass sie gar nichts erkennten konnte.
«Tenebris!» rief sie «wo bist du? Stell dich mir! Oder bist du womöglich selbst der Feigling?»
«Nein!» rief Mondtänzer und baute sich neben Alena auf. «Du darfst dich ihm nicht ausliefern. Er… wird dich töten und dann ist unsere ganze Hoffnung verloren!»
«Das glaube ich nicht!» widersprach die Frau. «Ich bin eine Mitschöpferin dieser Welt und Tenebris ist auch nur ein Teil davon.»
«Da irrst du dich! Tenebris ist etwas anderes, etwas Dunkles, Böses.»
«Dennoch, er hat keine Macht über mich!»
«Das weisst du nicht.»
«Du sagtest doch, ich solle endlich aufhören in Angst zu leben und dass ich die Einzige sei, die ihm Einhalt gebieten kann.»
«Aber doch nicht ohne jegliche körperliche oder mentale Vorbereitung. Du bist noch nicht stabil genug, um dich ihm zu stellen.»
«Das weisst du nicht! Ich glaube, dass es die einzige Möglichkeit ist, diese Welt zu retten.»
«Aber noch ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Du brauchst…»
Das Wort, blieb Mondtänzer im Hals stecken, denn auf einmal tauchten unmittelbar vor ihnen zwei riesige Drachen- Augen auf, welche wie dunkle Opale aussahen…