«Unglaublich, welch grosse Fortschritte du gemacht hast!» sprach Mondtänzer erfreut, als Alena ihn das erste Mal beim Schwertkampf besiegt hatte.
«Auch dein magisches Potenzial ist beachtlich gewachsen und du scheinst innerlich viel stärker geworden zu sein. Stell dir nur vor, als ich gestern einen Rundflug über unser Reich machte, stellte ich sogar fest, dass einige der Schneefelder, die sich in den toten Zonen befunden haben, verschwunden sind und wieder frisches Gras dort wächst.»
«Wirklich!?» Alenas Herz klopfte voller Freude.
«Dann hat also mein innerer Zustand tatsächlich so eine grosse Auswirkung auf diese Welt.»
«Klar, das sagte ich dir doch schon mehrmals.»
«Das stimmt. Nur hatte ich bisher so meine Zweifel daran.»
«Ehrlich gesagt, hatte ich auch so meine Zweifel,» erwiderte Mondtänzer unverblümt. «Anfangs warst du noch ziemlich schwächlich, mental wie körperlich.»
Alena musste kurz leer schlucken, doch der Drachen hatte ja recht. So seufzte sie nur leise, erwiderte jedoch nichts darauf.
«Aber jetzt schau dich nur mal an!» fuhr Mondtänzer begeistert fort: «Du bist schon fast wieder die Alte. Wenn das so weitergeht, werden wir Tenebris noch das Fürchten lernen!»
14. Kapitel
Als hätte der gewaltige Schattendrachen diese Worte vernommen, senkte sich urplötzlich eine weitere Finsternis, über das Wasserdrachen- Reich herab und… ein gewaltiges Brüllen erfüllte die Luft.
«Mein Gott!» flüsterte Alena «Er… kommt. Aber… es ist doch noch viel zu früh.»
Auf einmal empfand die Frau wieder schreckliche Furcht und ging automatisch hinter einigen Felsen, die auf der Hochebene, auf der sie sich gerade befanden herumlagen, in Deckung. Auch in Mondtänzers blauleuchtenden Augen, war ein Anflug von Furcht zu erkennen, was die Frau noch mehr verunsicherte.
«Was… sollen wir jetzt tun?» wisperte sie. «Ich weiss nicht, ob wir schon bereit sind diesem gewaltigen Ungetüm entgegenzutreten.»
Mondtänzer wirkte selbst verunsichert und ging, in seiner Elfengestalt, neben Alena in Deckung.
«Tatsächlich ist das jetzt etwas unerwartet. Wir haben noch nicht alles geübt, was wichtig ist. Besonders wie du deinen Geist gegen Tenebris verderbliche Einflüsse abschirmen kannst.» «Meinst du, das ist nötig?»
«Ja. Tenebris kann deinen Geist mit seinem, bewusst angreifen und deine Schwächen gegen dich einsetzen.» Alena lief ein Schauder über den Rücken, als sie diese Worte vernahm und sie fasste instinktiv an die Drachenkette, die sie von Stefan bekommen hatte. «Gut hast du die Kette dabei,» meinte der blauweisse Drachen. «Sie kann deinen Geist etwas schützen. Die Drachenmutter sagte doch mal, dass sie wie ein Talisman wirkt, da sie von bedingungsloser Liebe erfüllt ist und dass sie auch die Liebe in dir verstärken kann. Nur… weiss ich ehrlich gesagt nicht, ob Liebe uns bei Tenebris tatsächlich gross weiterbringen wird.»
Als Mondtänzer das sagte, wurde Alena auf einmal von einer wunderbaren Erkenntnis erfüllt. «Ja Liebe… bedingungslose Liebe ist der Schlüssel,» murmelte sie. «Ich sollte auch Tenebris Liebe entgegenbringen, vielleicht führt das einen Wandel in ihm herbei. Immerhin war er ja mal einer der wunderbaren Nacht- Drachen, die eigentlich den Auftrag haben, den intelligenten Rassen, bei ihrem geistigen Wachstum beizustehen. Vielleicht erinnerte er sich ja wieder daran, wenn ich ihm Liebe und Wertschätzung entgegenbringe.»
«Also ich weiss nicht so recht,» erwiderte ihr Drachenfreund zweifelnd. «Darauf würde ich mich, ehrlich gesagt, jetzt nicht verlassen.»
Ehe die Frau jedoch antworten konnte, scholl die gewaltige Stimme des Schattendrachen durch das Brausen des aufziehenden Windes, über den Himmel: «Hallo kleines Menschlein! Du bist wie Ungeziefer und verschwindest einfach nicht aus meiner Welt. Was nur… soll ich mit dir machen? Warte nur! Ich werde dich schon bald finden und dann… werde ich dich vernichten!»
Erneut wurde es eisig kalt und ein weiterer Schneesturm setzte ein. Er zerrte an den beiden Freunden und die Bäume und Büsche, die um sie herum wuchsen, ächzten und stöhnten unter dessen Gewalt.
Kurz darauf, war alles mit Schnee bedeckt und Alena begann zu schlottern.
«Du musst deine Magie einsetzen!» sprach Mondtänzer, «sie kann einen Schutzschild um dich herum errichten. Ich werde mich jetzt erst mal wieder in meine Drachengestalt zurückverwandeln!»
Ein Licht leuchtete auf und der blauweiss funkelnde Drachen, stand, gleich darauf, in seiner ganzen Pracht, neben ihr.
«Seht, seht!» rief Tenebris «das seid ihr ja! Hat euch die letzte Begegnung mit mir wirklich nicht gereicht?»
Der gewaltige Schattendrachen, drehte bei und flog mit einer unglaublichen Geschwindigkeit auf die beiden Freunde zu.
«Schnell!» rief der blauweisse Drachen, «steig auf!»
Das liess sich die Frau nicht zweimal sagen und schwang sich, erstaunlich behände, auf den Rücken ihres Freundes.
«Aber du hast deine Rüstung nicht!» rief sie erschrocken.
Mondtänzer konnte ihr jedoch nicht mehr antworten.
Tenebris gewaltige, schwarzen Schwingen, wirbelten den dicht fallenden Schnee wild umher und erzeugten dabei ein lautes Brausen. Dann öffnete der Schattendrachen sein gewaltiges Maul und spie einen gelb-orangen Feuerstrahl gegen sie!
«Schnell weg hier!» brüllte Mondtänzer und brachte sich und Alena mit einem geschickten Flugmanöver in Sicherheit.
«Er hat tatsächlich Feuer gespukt!» schrie die Frau, von Entsetzen erfüllt. Ihr ganzer Mut war dahin. Sie hatte gehofft, wenigstens die Gelegenheit zu bekommen, mit Tenebris zu sprechen, aber er liess ihnen dazu gar keine Gelegenheit.
«Wir müssen gegen ihn kämpfen, so wie es aussieht,» sprach Mondtänzer. «Gib alles, was du hast, wenn ich jetzt zum Angriff übergehe!»
«Du gehst zum Angriff über!?» schrie Alena hysterisch. «Aber… wir sind noch nicht so weit!» «Doch das sind wir, vertrau mir!»
«Aber Tenebris ist viel grösser und du hast keinerlei Schutz!»
«Ich habe dich,» sprach der blaufunkelnde Drachen jedoch überzeugt.
«Nein! Meine Magie reicht nicht aus, um uns beide zu schützen.»
«Doch! Ich glaube an dich! Denke an deinen Talisman, denk an deinen magischen Mantel. Sie werden dir den Weg weisen!»
Mit diesen Worten drehte Mondtänzer ebenfalls bei und flog nun seinerseits auf den Schattendrachen zu, der so gewaltig war, dass seine Schwingen die Felswände, an denen er vorbeiflog, zu streifen schienen. Mit wachsendem Grauen stellte die Frau jedoch fest, dass die Flügel einfach durch den Fels hindurchglitten, ohne jeglichen Schaden zu nehmen. Konnte so ein gewaltiges Schattenwesen überhaupt irgendwie verletzt werden? Oder waren sie bereits verloren?