Alena konnte kaum glauben, was da mit ihr geschah. Sie schwebte nun, zusammen mit der hellstrahlenden Drachenmutter, durch den endlosen Raum eines vollkommen stillen Sternenhimmels. Kein Geräusch, ausser dem leisen Rauschen der Drachenschwingen, drang an ihr Ohr und ein tiefes Gefühl von Ehrfurcht und innerem Frieden, ergriff die Frau dabei. Sie blickte zu der zauberhaften Drachendame empor, welche tatsächlich selbst, aus zahllosen Sternen zu bestehen schien. So etwas hatte Alena noch nie gesehen. Es war schlichtweg magisch und sie erinnerte sich an die Worte von Mondtänzer: «Doch dann wurde die grosse Drachenmutter aus Sternenstaub erschaffen…»
Wie treffend diese Beschreibung doch war! Ja, Sternenstaub, daraus schien dieses gütigen Wesen tatsächlich zu bestehen. Und einmal mehr, fragte sie sich, wieso ausgerechnet sie dazu auserwählt worden war, dieses urgewaltige Geschöpf, leibhaftig anzutreffen. Irgendetwas musste es damit auf sich haben. Da war noch viel mehr, das sich Alenas Verstand bisher noch entzog. War sie wirklich einst eine Drachenreiterin und Drachenmagierin gewesen? Konnte es sein, dass sie einst tatsächlich durch so eine magische Welt gewandelt war? Das alles war so schwer zu glauben. Und was… sollte sie mit diesen neuen Erkenntnissen jetzt überhaupt anfangen? Sie war und blieb an ihr irdisches Dasein gebunden. Sie konnte nicht einfach in die Anderswelt herüberwechseln und musste den Alltag in ihrem grobstofflichen Leib, weiterhin bestreiten.
«Du denkst schon wieder zu viel,» erklang auf einmal die Stimme der Drachenmutter in ihrem Inneren. «Dein Denken ist hier aber gerade fehl am Platz. Versuche dich einfach dem hinzugeben, was geschieht.»
Alena war ziemlich verdutzt, weil der Drachen ihre Gedanken scheinbar zu lesen schien und versuchte sich dessen Worte auch wirklich zu Herzen zu nehmen. So genoss sie einfach den wundervollen Flug, durch das endlose All und schaute bewegt hinab, auf ihren wundervollen Heimatplaneten Erde.
Auf einmal jedoch entschwand dieser ihren Blicken und in der Ferne, vor ihnen, tauchte kurz darauf, ein anderer Planet auf. Dieser war vorwiegend in Blau- und Weiss Tönen gehalten. Grün fehlte gänzlich.
«Wo sind wir hier?» fragte Alena im Geiste erstaunt, denn wenn sie normal zu sprechen versuchte, kam kein Ton über ihre Lippen.
«Du kennst diesen Ort bereits. Es ist die Wasserdrachen- Welt, die du schon öfters besucht hast.»
«Die Wasserdrachen- Welt ist auch ein Planet, wie unsere Erde?»
«Ja, allerdings liegt sie in einer anderen Dimension als jene,» erklärte ihr die Drachenmutter. Sie setzte nun zum Sinkflug an und Alena erkannte, dass sich eine lila schimmernde Atmosphäre, wie ein schmaler Streifen, um den Planeten herum spannte. Sie spürte die Kühle dieser Atmosphäre, als sie diese durchstiessen und kurz darauf flogen sie durch den klaren Himmel des Drachenreiches.
Unterwegs begegneten ihnen viele der wundersamen Wasserwesen, die hier durch den Himmel glitten. Sie wichen einem riesigen Wal aus, welcher, als er sie sah, seinen melodiösen Gesang anstimmte, um sie zu begrüssen.
«Er kennt dich!» rief Alena aus und diesmal hörte sie ihre Worte wieder. Sie erschrak beinahe etwas darüber und zuckte zusammen. So war sie sehr froh, dass die weisse Drachendame sie sicher in ihren Fängen hielt.
Diese erwiderte: «Ja, hier kennen mich alle. Ich war damals auch massgeblich an der Erschaffung dieser Welt beteiligt.»
«Du bist also so etwas wie ein göttliches Wesen?» fragte die Frau.
«Das wäre wohl etwas zu hoch gegriffen. Aber ich bin sehr eng verbunden mit der Grossen, göttlichen Mutter. Sie erschuf mich damals, vor vielen Äonen, aus Sternenstaub.»
«Die Göttliche Mutter,» murmelte Alena, ohne genau zu wissen, was sie davon genau halten sollte. Bisher hatte sie sich nur wenig Gedanken über Götter und dergleichen gemacht. Sie war zwar immer davon überzeugt gewesen, dass es da irgendetwas Höheres gab, das mit allen Geschöpfen in Liebe verbunden war, doch hatte sie sich bisher nur wenig darunter vorstellen können. Das alles war so unglaublich, so… tiefgreifend, dass sie noch immer glaubte, nur zu träumen.
«Du träumst nicht,» vernahm sie erneut die Stimme des Drachen. «Dein Leben auf der Erde, ist eigentlich der Traum. Ein Traum, in den du dich einst selbst hineinbegeben hast. Es war deine Entscheidung.»
«Aber warum bloss, habe ich so etwas entschieden und ein wundervolles, magisches Dasein als Drachenreiterin, gegen diese Grobstofflichkeit eingetauscht?»
«Das kann dir nur deine Seele beantworten.»
«Hätte ich nur niemals diesen Weg eingeschlagen. Dann könnte ich jetzt vielleicht mehr gegen die Verderbnis von Tenebris ausrichten.»
«Das kannst du auch, indem du dir deines magischen Ursprunges immer mehr bewusst wirst. Das Universum ist voll von wundervollen Möglichkeiten und alles ist durch ein goldenes Netz miteinander verbunden. Du kannst in deiner Welt leben, aber auch Teil dieser Welt hier sein.»
«Das kann ich mir nicht vorstellen,» erwiderte Alena.
«Und so lange du das nicht kannst, wird es schwierig sein, gegen Tenebris zu bestehen.» «Aber wer ist Tenebris überhaupt? Er sagte, dass ihn einst der grosse Schattenmeister erschaffen habe. Was ist er: Ein Dämon oder sogar ein Teufel?»
«Er hat auf jeden Fall, eine Menge dämonische Anteile in sich, doch es existiert kein Wesen, in dem nicht auch das Himmlische enthalten ist. Denn schlussendlich wird alles von derselben, grossen Quelle am Leben erhalten.»
«Aber Tenebris scheint gar nicht Teil dieser Quelle sein zu wollen.»
«Ja, so ist das oft mit verblendeten Wesen, die nicht das grosse Ganze erkennen.»
«Aber was kann ich dagegen tun? Wie kann ich ihn in seine Schranken weisen?»
«Das musst du schlussendlich selbst herausfinden. Mondtänzer und ich werden dir auf jeden Fall beistehen, so gut wir können.»
«Sofern sich Mondtänzer überhaupt wieder vom ersten Angriff des Schattendrachen zu erholen vermag.»
«Das wird er. Jetzt bin ich ja da. Schau, da unten sollte er sein!»