«Wir müssen so schnell als möglich zu einem Gegenschlag ausholen!» rief Mondtänzer ihr durch den brausenden Wind zu. «Es geht eine Weile, bis er wieder Feuer spuken kann.» Tenebris kam immer näher und einmal mehr wurde Alena sich seiner gewaltigen Grösse bewusst. Sie und Mondtänzer wirkten wirklich wie Spielzeuge, im Gegensatz zu ihm. Dennoch bog ihr Drachenfreund nun seinen Hals zurück und spie, mit aller Macht, seinen blauen Feuerstrahl gegen Tenebris.
Dieser traf den gewaltigen Schattendrachen dann tatsächlich mitten in die Brust. Tenebris brüllte schmerzerfüllt auf und begann in der Luft zu taumeln. Eine unschöne Wunde blieb dort zurück, wo ihn Mondtänzer getroffen hatte.
«Man kann ihn also doch verletzen!» rief Alena aus. «Aber, eigentlich wollten wir doch versuchen, eine friedliche Lösung mit ihm zu finden.»
«Das ist jetzt aber nicht wirklich dein Ernst, oder?» gab Mondtänzer ungläubig zurück. «Er kennt keine Gnade, das hast du doch gesehen.»
Tatsächlich ging der schwarze Drachen, nun blind vor Wut, erneut zum Angriff über.
Nur knapp entgingen sie auch diesmal, seinem gewaltigen Gebiss. Mondtänzer versuchte ihren Gegner abzuhängen, indem er zwischen die Berggipfel hinabtauchte und Wege nahm, für die Tenebris zu gross schien. Doch seltsamerweise, konnte dieser ihnen fast überallhin folgen, da der grösste Teil seines Schattenkörpers einfach durch feste Materie hindurchglitt. «Es ist, als wäre er von einer riesigen Wolke aus Schatten eingehüllt,» rief Alena, als sie einen kurzen Blick über die Schulter warf. «Sein wirklicher Körper scheint gar nicht so riesig zu sein. «Wir müssen deshalb vor allem auf seine Körpermitte zielen, wenn wir ihn nochmals angreifen.»
Mondtänzer gab diesmal keine Antwort, denn er war zu sehr damit beschäftigt, alle Flugkünste, die er beherrschte hervorzukramen, um etwas Distanz zwischen ihnen beiden und Tenebris zu schaffen.
Er flog durch einen ziemlich schmalen Felsspalt, den Schattendrachen noch immer dicht auf den Fersen. Als sie sich jedoch gerade in dem Felsspalt befanden, erklang auf einmal ein ohrenbetäubendes Krachen über ihnen. Tenebris war einfach durch den Stein gebrochen, der sich über ihnen befand. Ein grosse, abgebrochener Felsblock, traf Mondtänzers linken Flügel und dieser brüllte schmerzerfüllt auf. Er begann zu schlingern und krachte gegen eine Steilwand in der Nähe.
«Verdammt!» fluchte er und versuchte seinen Flug wieder zu stabilisieren. Tenebris flog nun ebenfalls einen Schwenker und befand sich jetzt direkt neben ihnen. Sein riesiges Gebiss, mit den dolchähnlichen Zähnen, schnappte nach Mondtänzers Kehle.
«Nein! Lass ihn in Ruhe!» schrie Alena und hob abwehrend ihre Arme. In diesem Augenblick begannen die Symbole auf ihrem Mantel erneut hell zu leuchten und eine gewaltige Druckwelle, warf Tenebris urplötzlich zurück. Dieser krachte nun seinerseits gegen eine Felswand und verlor an Auftrieb. Die Frau wollte gerade einen freudigen Jauchzer ausstossen, als ihr bewusst wurde, dass sich Mondtänzer, auch mit aller Anstrengung, nicht mehr richtig in der Luft halten konnte. Sein Flügel schien ernster verletzt, als gedacht.
«Stabilisiere uns!» rief er der Frau verzweifelt zu. «Sonst stürzen wir ab!»
«Stabilisieren?» fragte diese entsetzt. «Aber ich kann das nicht.»
«Doch du kannst. Du musst, sonst überleben wir das nicht!»
«Oh Gott!» stöhnte Alena und sah wie der Erdboden immer näher und näher kam. «Stabilisierung!» rief sie und hob erneut ihre Arme. Doch diesmal passierte nichts.
«Mach schnell!» keuchte der blauweisse Drachen. «Ich schaffe es sonst nicht mehr! Wir werden da unten zerschellen. Also ich zumindest. Du wirst einfach wieder in deiner Welt aufwachen.»
Der Gedanke, dass ihr geliebter Drachenfreund, tatsächlich sterben könnte, war Alena unerträglich und sie musste wieder daran zurückdenken, wie schwer Tenebris diesen schon einmal verletzt hatte. Sie musste etwas tun! Mondtänzer vertraute ihr. So rief sie noch einmal, diesmal jedoch viel leidenschaftlicher als vorhin: «Stabilisierung! Sofort!»
Und tatsächlich! Wieder leuchtete der Umhang auf und aus Alenas Fingern strömte nun ein sanftes, blaues Licht. Dieses breitete sich immer mehr aus und umhüllte sie und ihren Drachen schliesslich vollends. Als es die Verletzung an Mondtänzers Flügel erreichte, intensivierte sich sein Schein noch und der blauweisse Drachen seufzte erleichtert auf. Gleich darauf stabilisierte sich ihr Flug wieder. Gleich darauf stabilisierte sich ihr Flug wieder und sie konnten endlich etwas Abstand zwischen sich und Tenebris schaffen. Alena atmete tief auf und Mondtänzer sprach: «Danke, vielen Dank! Das hast du gut gemacht!»
«Drachenmagierin!» vernahmen sie die hasserfüllte Stimme von Tenebris hinter sich. «Du hast scheinbar deine alten Kräfte zurückerlangt! Aber du wirst mir trotzdem nicht entkommen! Warte nur! Ich werde nicht ruhen, bis ich dich vernichtet habe! Dabei ist mir egal, welche Opfer es noch fordern wird!»
«Du bist ja wahnsinnig!» schrie Alena so laut sie konnte zurück. «Ich habe dir niemals etwas getan!»
«Da irrst du dich gewaltig! Du bist an allem schuld! An allem!»
«An was soll ich denn schuld sein?»
«Dass du das nicht weisst, zeigt, wie wenig du es verdient hast zu leben. Du reisst alle mit dir ins Verderben, nur weil sie glauben, dich retten zu müssen! Du zerstörst alles um dich herum, durch deine Rücksichtslosigkeit und Dummheit!»
Alena fühlte auf einmal wieder schreckliche Unsicherheit in sich. Hatte Tenebris womöglich Recht? War sie wirklich rücksichtlos? Immerhin riskierte Mondtänzer ständig sein Leben für sie. Obwohl Tenebris eigentlich nur sie wollte. Und dumm? War sie wirklich dumm? Ja, manchmal hatte sie sich schon sehr dumm verhalten.
Plötzlich ergriff die Frau tiefe Schwermut und sie sprach, an Mondtänzer gewandt. «Er… hat recht. Du hast damit nichts zu tun, mein Freund. Bitte lade mich dort auf jenem Hochplateau ab, ich muss mich Tenebris allein stellen. Schliesslich ist er durch mein Verhalten, durch meine Unzulänglichkeit, einst vermutlich auch zu dem geworden was er jetzt ist.»
«Bist du verrückt?» erwiderte der blauweisse Drachen. «Das werde ich keinesfalls zulassen.»
«Du musst aber! Es gibt keinen anderen Weg. Du wirst sonst sterben, während ich hier jederzeit wieder fort kann. So kann mich Tenebris theoretisch gar nicht so wirklich verletzen.»
«Du unterschätzt die Gefahr die von ihm ausgeht. Er hat dich mit seinen Worten ja bereits so beeinflusst, dass du nun tatsächlich glaubst, rücksichtlos und dumm zu sein.»
«Eigentlich bin ich das ja auch,» gab Alena bekümmert zurück. «Ich habe schliesslich zugelassen, dass du dich in Gefahr bringst. Ausserdem habe ich mein Leben nicht so gelebt, wie ich es hätte tun sollen. Durch mein Versagen, habe ich dich und deine Welt an den Rand der Vernichtung gebracht.»
«Aber ich bin dein Freund, dein Reise- Gefährte, schon seit ewigen Zeiten. Ich habe mich dir offenbart, damit du wieder in deine eigene Kraft kommen, dein Erbe wieder in die erwecken kannst. Das alles tat ich, aus freien Stücken. Du wolltest ja anfangs gar nichts mit mir zu tun haben.»
«Und genau darum geht es. Ich habe dich nicht wirklich zu schätzen gewusst, nicht erkannt wie wichtig du für mich bist. Ich will aber nicht, dass dir nochmals etwas passiert. Ich werde mich deshalb endlich meinem Schicksal stellen. Bitte lade mich jetzt da unten ab!»
«Nein, das tu ich nicht!» gab Mondtänzer trotzig zurück. «Wir beide, zusammen! Etwas anderes gibt es nicht. Denn du bist und bleibst meine Reiterin!»