Molly tobte vor Wut. Die Bilder ihrer Tochter mit dem Dunklen Lord auf der Titelseite des Tagespropheten schockierten sie, obwohl sie natürlich über die Heiratspläne längst informiert war. Ginny schien so unschuldig neben Potter, dessen Dunkelheit Creevy durch seine Inszenierung noch bedrohlicher darstellte. Sie kannte alle Berichte über Potters ausschweifendes Sexleben und seine Grausamkeiten. Ginny sollte nach Hause kommen. Ihr kleines Mädchen durfte so nicht leben. Molly hatte ihre Kinder immer beschützt. Sie hatte sie um jeden Preis beschützt. Doch eine Ehe zwischen Ginny und Potter kam in ihren Plänen nicht vor. Dumbledore beruhigte die Weasleys regelmäßig. Er hatte gesagt, dass Potter frühestens an Lughnasadh heiraten wollte. Jetzt kam der Tagesprophet mit der Nachricht, dass diese vermaledeite Eheschließung am Julefest stattfinden würde.
Sie sah auf die Familienuhr. Alle Familienmitglieder befanden sich in absoluter Sicherheit. Seit Riddles Tod hatte sich nichts daran geändert. Percy und Arthur befanden sich im Ministerium. Fred und George saßen im Hogwartsexpress. Charlie hütete seine Drachen. Bill schien in London unterwegs zu sein. Ron und Ginny waren im Schwarzen Schloss. Das Fred und George im Hogwartsexpress saßen, hielt Molly für ein gutes Zeichen. Ihre Jungs kämen bald in den Fuchsbau. Sie liebte jedes ihrer Kinder.
Die Bilder fesselten sie. Die Hexe kämpfte mit den Tränen. Rons Veränderung machte sie sehr traurig. Er ähnelte in seiner Haltung und mit dem stolzen, kühlen Blick dem Dunklen Lord auf fatale Weise. Früher hatten Ron und Harry oft im Fuchsbau am Küchentisch Schach gespielt. Freundliche, liebe Jungen mit offenem Herzen spielten konzentriert und tranken Kürbissaft dabei. Auf einem Bild im Tagespropheten saßen beide vor Rons uraltem Spiel und strahlten die Kälte der Nacht aus.
Die vier Weasleymänner trafen sich zufällig am Apparierpunkt in der Nähe des Fuchsbaus. Arthur freute sich aufrichtig seine beiden Zwillinge in den Arm nehmen zu können. Ihm fiel nicht auf, wie ernst die beiden Scherzbolde auftraten. Sie sprachen auf dem Weg nach Hause wenig. Die Aussetzung des Konkordats hing über ihnen wie ein Damoklesschwert. Fred kam der Fuchsbau zum ersten Mal fremd vor. Ging es Ron eigentlich genauso, wenn er hierher zurückkehrte? Lag es am Dunklen Mal auf seinem linken Arm, das er das Schwarze Schloss vermisste? Oder war es, weil er dort er selbst sein durfte? Die Sonnenaufgänge mit George neben sich hatten ihn glücklich gemacht. Im Schwarzen Schloss durfte er seine Liebe leben. Unauffällig wie sie es seit Jahren geübt hatten, strich George im Vorbeigehen über Freds Hand. Auch George empfand sich im Fuchsbau angekommen, wie ein Fremdkörper.
Die Familie hatte zusammen gegessen und dieses Fremdheitsgefühl der Zwillinge legte sich gerade. „Was ist gestern nun eigentlich genau in Hogwarts passiert?“, wollte Arthur wissen. „Shacklebolt hat sich mit Harry gestritten. Dann hat er einen Cruciatus auf Ron gehetzt. Bevor er Erfolg hatte, hat Malfoy ihn entwaffnet.“, fasste Fred zutreffend, aber unvollständig zusammen. Die Dinge, die Ron gesagt hatte, wollten die Zwillinge lieber unerwähnt lassen.
Arthur fühlte sich seit Jahren unglücklich, genauer gesagt seit jener Nacht an Merlins Grab. Er hätte es nicht zulassen dürfen. Harry war für ihn sein achter Sohn gewesen. Er hatte nicht für ihn gekämpft. Nur Molly davon abgehalten mit Harry zu sprechen, das hatte er damals getan. Er konnte Harry nicht mehr ansehen, ohne von der Schuld überwältigt zu werden. Arthur dachte zynisch, das ist der Preis, der gefordert wird. Er hatte eine Weile nicht richtig zugehört.
Plötzlich sagte Molly: „Er kann das Konkordat nicht einfach aussetzen. Nur weil es ihm passt. Potter muss lernen mehr Rücksicht zu nehmen.“ Fred und George lachten teil amüsiert, teils zynisch auf. „Natürlich kann er das Konkordat aussetzen, Mum. Er tut es gerade. Du kannst einem Dunklen Lord keine Rücksicht beibringen.“ Es klang beinahe trotzig: „Ginny und Ron gehören nach Hause. Er bringt sie völlig um den Verstand. Ist das noch Ron?“ Molly zeigte auf ein Bild von Ron und Harry.
Dann sprach sie die widerkehrenden Phrasen, doch dieses Mal verstand Arthur. „Er kann doch nicht alles verlangen, nur weil sich einer opfern musste.“ Arthur seufzte innerlich. Sie hatten diese Diskussion schon so oft geführt. Nie war er auf die Idee gekommen. Er sah seine Frau genau an: „Du hast mit Harry gesprochen.“, sagte Arthur tonlos. Sie schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich habe mit ihm schon seit Jahren nicht mehr gesprochen. Wie kommst Du darauf?“ Arthur rann flüssiges Eis durch den Körper: „Er war wie ein Kind für mich. Du hast ihn überredet, oder? Rede gefälligst!“ Die Geschwister verstanden die plötzliche Wut ihres Vaters nicht. Sie sahen schweigend von einem zu anderen. Molly schrie wütend: „Du warst ja nicht Manns genug, ihn zu überreden. Da musste ich es eben tun.“, warf sie ihm vor. „Er soll sich selbst entscheiden. Der Preis ist zu hoch.“, äffte sie den damaligen Wortlaut ihres Mannes nach.
Arthurs Fassungslosigkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben: „Du bist noch rausgegangen, weil Du angeblich frische Luft brauchtest. Ich erinnere mich wieder. Du kamst zurück und sagtest: alles wird gut. Wir hatten uns versprochen, Harry nicht zu bedrängen.“ Percy fand seine Sprache zuerst wieder: „Wovon redet Ihr da?“ Molly strahlte unerwartete Härte aus: „Davon das Euer Vater nicht bereit war, Potter darum zu bitten den Trank zu nehmen. Damit Fred und die anderen nicht sterben müssen, habe ich es eben getan.“
Sie widerte ihn plötzlich an. Die Frau, die Arthur Weasley schon immer geliebt hatte, verwandelte sich beinahe in eine Harpyie. Er redete ruhig und klar. „Wir hatten eine Zukunftskugel aus der Mysterienabteilung. Es handelt sich um ein sehr mächtiges Artefakt, obwohl sie eher unscheinbar wirkt. Diese Kugel zeigt eine Version möglicher Folgen einer Entscheidung. Kingsley brachte sie mit. Wir haben hinein gesehen. Es war entsetzlich. Wir sahen einen Sieg von Harry über Voldemort und den Preis dafür. Du, Fred, Remus, Tonks, Colin, Dobby, Mad-Eye, Albus, Severus – alle wären gestorben. Molly und ich verabredeten, Harry nicht zu bedrängen den Trank zu nehmen. Er sollte selbst und freu wählen können. Offensichtlich hat Eure Mutter sich nicht daran gehalten.“ Schneidend sagte Molly: „Ja. Ich habe Fred beschützt. Ich würde es immer wieder tun. In jener Nacht haben Hermine und Ron ihm gesagt, er müsse es nicht tun. Ich hörte sie diskutieren. Er sagte, er könne nicht auf Liebe verzichten. Liebe wäre das Wichtigste. Da habe ich auf ihn gewartet. Ihn abgepasst, als er auf´ s Klo wollte. Ich habe ihn gebeten, sich zu überlegen, ob er wirklich mit Freds Tod leben könne. Er war immer noch wankelmütig, obwohl King ihm die Kugel gegeben hatte. Also schickte ich ihn zu Euch ins Zimmer. Er solle lieber schon mal Abschied nehmen. Es funktionierte tadellos. Er oder Fred. Fred ist unser Kind. Er war ein Fremder. “
Die Zwillinge standen wortlos auf und gingen zur Tür. „Wartet bitte,“ sagte Percy tonlos, wie sein Vater. Sie blieben im Türrahmen stehen. „Ich komme mit. Hier kann ich im Moment nicht bleiben.“ Sie nickten synchron und nahmen ihn mit.
Das Ehepaar Weasley schwieg sich lange Zeit an. Er konnte es nicht verstehen, dass sie diesen Jungen gedrängt. Harry Potter war doch auch ihr Kind. Das Kind von James und Lily, das ohne Eltern aufwachsen musste. Jemand hätte ihn beschützen müssen. Arthus glaubte in seinem eigenen Haus zu ersticken. Er zog sich seinen Umhang an. Dann ging er in die Nacht hinaus und weinte lautlos. Molly Weasley weinte auch. Sie zahlte den Preis. Er war hoch, aber Fred lebte. Sie war seine Mutter. Ihre Kinder lebten. Das war letztlich alles, was zählte.