Der Dunkle Herr schaukelte langsam auf der Feenschaukel in seinem Garten. Die Nacht lag bleischwer über dem Schloss. Dunkle Wolken jagten über dem künstlichen Himmel der Kuppel. Um diese Zeit war es im Schwarzen Schloss beileibe nicht still oder leer. Die Kinder der Nacht waren jetzt wach und lebten auf. Nur die meisten Menschen schliefen in ihren Quartieren. Allerdings würde es kaum jemand wagen, seine Lordschaft ohne weiteres anzusprechen.
Er erschien ausgesprochen übellaunig. Man tuschelte schon über die Szene zwischen den Schwarzen Quartett bei Abendessen. Die Folgen konnte man letztlich nicht absehen. Der Dunkle Herr strahlte jene eigenwillige Melancholie aus, die man von Lord Potter kannte. Niemand ahnte, dass er daran dachte, wie sein Cousin ihn seinerzeit auf dem Muggelspielplatz verprügelt hatte. Die meisten dachten, weil er kein Licht in sich trug, würde er keinen Schmerz kennen. Das war so falsch wie naiv. Er spürte Angst, Wut, Leidenschaft, Eifersucht und Einsamkeit – sogar stärker als jeder andere, denn es gab kein Licht, dass diese Dunkelheit erhellte. Es gab da kein Gefühl von Hoffnung oder Zuversicht. Das hatte man ihm damals nicht erklärt. Alles was man ihm gesagt hatte, war das er keine Liebe mehr spüren würde.
Severus überlegte kurz, ob die Angelegenheit wichtig genug wäre, Lord Potter zu stören und wollte gerade wieder gehen. Doch sein Herr hatte ihn längst bemerkt. Er verließ die Schaukel. „Severus, was gibt es?“ Snape kannte diese Stimmung von Lord Potter ziemlich gut. „Ich wollte Euch nicht stören, Mylord.“ Hier war weitaus mehr Respekt nötig, wie an anderen Tagen. „Was gibt es? Antworte mir gefälligst, oder müssen wir das jetzt durch deklinieren.“ Offensichtlich war Lord Potter Laune noch immer düster. „Verzeiht, Herr. Es gibt einige Details aus dem Ministerium. Man hat das Schwarze Quartett zur offiziellen Amtseinführung von Alastair Moody geladen.“ Potter nickte gelangweilt: „Wir gehen hin und erweisen Moody unseren Respekt. Bitte Hermine eine Rede vorzubereiten. Sie braucht sich keine Sorgen machen. Ich werde brav sein. Vielleicht rede ich selbst. Trink etwas mit mir.“
Snape wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. „Es ist mir eine Ehre, Mylord.“ Mit dem Schwenk seines Zauberstabs erschien ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. Potter liess eine Flasche mit Absinth, zwei Gläser und das nötige Zubehör bringen. „Einer der Vorteile des Daseins als Dunkler Herr ist es gegen die negativen Folgen von Alkohol immun zu sein und trotzdem einen Rausch haben zu können.“ Snape grinste, weil er wusste, dass es wahr war. Er schenkte die Gläser voll, legte den Löffel über sein Glas und ein Stück Zucker darauf. „Oh, Du trinkst ihn heute mit Zucker.“, stellte Potter fest. In der Regel kippte Snape das bittere Getränk pur hinunter.
„Nun. Wie sagt Ihr immer, ab und zu etwas Süße verstärkt die Bitternis bei Sex und beim Absinth.“ Potter grinste, weil er über sein kleines Abenteuer mit Aurora nachdachte. „Stimmt. Aber sagst Du nicht, gegen die Bitternis des Lebens sei Absinth eine Art Honig.“ Genau diesen Satz hatte Snape in der Nacht gesagt, in der Harry den Trank der Düsternis genommen hatte. In dieser Nacht hatte er mit dem Jungen Absinth getrunken. Es war der Erste gewesen, den Harry je trank. „Wann hast Du angefangen, welchen zu trinken?“, fragte Lord Potter unbarmherzig.
Snape spielte mit dem Löffel, um etwas Zeit zu gewinnen. Er zog kurzfristig in Erwägung zu lügen, verwarf den Gedanken aber wieder. „In der Nacht, in der meine Lady und mein Lord starben, ertrug ich den Schmerz nicht. Ich wollte ihn betäuben. Nichts brennt so heiß, wie die Liebe eines Schwarzen Zauberers.“ Der Dunkle Herr schwieg auffordernd. „Sie waren beide tot und erst da verstand ich, wie verzweifelt ich sie brauchte. Ich verstand erst dort in Gordic Hollow, dass ich auch meinen Lord verloren hatte.“ Potter wirkte sehr konzentriert und fragte: „Was genau hat Albus seinerzeit gesagt, als sie tot waren. Wie war sein Wortlaut?“ Der Schmerz, der mit der Erinnerung einherging, schien kaum erträglich: „Mylord. Bitte…“
Potters Blick strahlte konzentrierte Kälte aus. Es gab kein Entrinnen: „Albus sagte: Sie hat dem Falschen vertraut, genau wie ich auch.“ Severus verstand nicht, wohin diese Frage führen sollte. Auch Potters Reaktion war überraschend: „Morgen früh besuchen wir Gringotts gleich um 09:00 Uhr. Dann erlaube ich Dir, den Friedhof zu besuchen. Du hast es verdient.“ Die Geste zeigte an, dass Lord Potter ihn entlassen hatte. Zurück blieb der Geschmack von Absinth im Leben.
Draco hatte den Tag mehr oder weniger verschlafen. Er fühlte sich wieder gut und erholt. Da auch Madame Pomfrey nichts dagegen einzuwenden hatte, stand er auf. Vermutlich sollte er sich zunächst bei Harry sehen lassen, entschied er. Die Ereignisse des vergangenen Tages beschäftigten ihn noch immer. Warum hatte Potter ihn unbedingt bei der Exekution dabei haben wollen? Letztlich war es nichts anderes gewesen. Wollte Potter wirklich wissen, ob ihm diese Art des Tötens gefiel? Er spürte eine heftige Sehnsucht nach seiner Lady und seinem Lord. Er suchte nach Harry und fand ihn wieder auf der Schaukel sitzend.
Die Erinnerung an ihr kleines Erlebnis auf der Schaukel erregte Draco. Hilflos und gefesselt vollkommen der Macht seines Herrn ausgeliefert zu sein, löste ein tiefes Wohlgefühl aus. Er sehnte sich nach dem Gefühl erzwungener Hingabe. Potters Dominanz spüren und Befriedigung in der Unterwerfung finden, zog ihn an wie eine Motte das tödliche Licht. „Harry, störe ich Dich?“, fragte er leise. „Komm her, Sklave.“, befahl Potter, wie wenn er Malfoys Sehnsucht gespürt hätte.